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EU-Lebenswissenschaftler fordert Uni-Autonomie  
  Die Universitäten müssen wirtschaftlich unabhängig werden: Das fordert der schwedische Immunologe und Mitglied der EU-Life-Sciences-Gruppe, Hans Wigzell. Der am renommierten Karolinska-Institut in Stockholm tätige Wigzell wird am 24. August bei den Alpbacher Technologiegesprächen über die Zukunft der Wissenschaften referieren.  
Exzellente Wissenschaftler "schaffen es"
Sie ist am Tiefpunkt, die Stimmung an den Universitäten. Zumindest beim jungen wissenschaftlichen Nachwuchs, der nicht gerade in den Lebenswissenschaften arbeitet.
Hans Wigzell steht am anderen Ende der Karriereleiter - seit kurzem ist er auch noch wissenschaftlicher Berater der schwedischen Regierung.

Dass die Situation für junge Wissenschaftler zumindest in Europa im Vergleich zur USA nicht gerade erfreulich ist, diagnostiziert auch Wigzell: "Aber gute Wissenschaftler, um nicht zu sagen: exzellente Wissenschaftler, werden es trotzdem schaffen. Allerdings nur, wenn man in den Lebenswissenschaften arbeitet!"
Soziale Fähigkeiten der Ich-Aktie gefordert
Auf jeden Fall seien von Wissenschaftlern heute soziale Fähigkeiten gefordert, die in den 70er Jahren noch unerheblich waren, zum Beispiel Kooperationsbereitschaft: "Wenn man zwar überdrüber gescheit ist, aber sozial ein Versager, dann wird man jetzt durch die Akademie weniger geschützt als früher", meint Hans Wigzell.

Die Ich-Aktie will also auch im neoliberalen Wissenschaftsbetrieb gepflegt sein.
Geldern wandern von Forschung zu Bildung
Wenn das Gewinnversprechen zum dominierenden Forschungsmotor wird - wo bleibt dann die Grundlagenforschung, die manchmal einem Spiel ähnelt und sich diese Freiheit auch bewahren muss, um zu überraschenden Ergebnissen zu kommen?

In Schweden, Hans Wigzells Heimatland, sind die öffentlichen Gelder für die Forschung in den letzten Jahren zum Beispiel sukzessive jährlich um drei Prozent geschrumpft, weil sie von der Forschung in Richtung Bildung verlagert wurden.

In Österreich sind im letzten Jahr selbst die Gelder aus dem anwendungsorientierten FFF, dem Forschungsförderungsfonds, um 12 Prozent zurückgegangen.
Probleme für Grundlagenforschung
Erst kürzlich hat zum Beispiel der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung gefordert, die Regierung müsse wieder massiv in die Grundlagenforschung investieren, damit die Schweiz konkurrenzfähig bleibe. Der Trend geht aber auch in der Schweiz in die Gegenrichtung, nämlich weniger Geld vom Staat.

"Viele Geldgeber, zum Beispiel auch die großen Rahmenprogramme in der EU, zielen vor allem auf die Erzeugung von Produkten ab, also auf die Angewandte Forschung. Die Gelder, die in Europa vom Staat in die Universitäten fließen, sind hingegen vor allem der Grundlagenforschung gewidmet und sie werden es wohl auch bleiben. Aber trotzdem muss die Grundlagenforschung auch extrem wettbewerbsfähig sein und sich einer Qualitätssicherung unterziehen. Man sollte akademische Freiheit nicht mit zweitrangiger, unerheblicher Wissenschaft verwechseln", so Wigzell.
Vorbild Stanford?
Umso wichtiger ist es für Hans Wigzell, dass sich die Universitäten auf eigene wirtschaftliche Beine stellen, nach dem Vorbild von Privatuniversitäten wie Stanford.

Diese Privatuniversität ist bei genauem Hinsehen mit europäischen Verhältnissen allerdings nicht vergleichbar - sie besitzt ein Vermögen von rund acht Milliarden Euro, allein 2001 kamen rund 469 Millionen Euro an Stiftungsgeldern dazu.

Wissenschaftliche Betriebe nach diesem Vorbild wünscht sich jedenfalls Wigzell: "Damit könnten die Universitäten dann strategische Entscheidungen treffen und Grundlagenforschung betreiben, das ist meiner Meinung nach die zukünftige Herausforderung für die Universitäten."
Neoliberale Mitspracherechte
Wieviel Demokratie braucht die Universität, um Spitzenforschung möglich zu machen? Mit der österreichischen Universitätsreform wird das traditionelle Mitspracherecht des Mittelbaus ja so gut wie liquidiert.

Am Karolinska-Institut wird auch das Thema "Mitbestimmung" weitgehend neoliberal, also über die Kräfte des Marktes, geregelt. Abteilungsvorstände können nur über einen geringen Teil der Forschungsgelder verfügen. Der Großteil liegt bei den Forschungsgruppen selber.

Wenn sich nun Abteilungsleiter und Forschungsgruppe nicht verstehen, können sie die Abteilung wechseln und damit auch die Förderungen mitnehmen. "Das hat uns, glaube ich, nur Vorteile gebracht. Das Wort 'Demokratie' ist bei uns relativ bedeutungslos. Ein Professor, der am Karolinska-Institut jetzt auf zehn Jahre bestellt wird, wird ja nur zwei Monate des Jahres aus staatlichen Geld bezahlt. Den Rest muss er selber auftreiben," so Wigzell.
Ratloser Experte
Was aber tun, wenn man nicht in den Lebenswissenschaften, also Biologie oder Medizin, tätig ist? Wenn man seine Forschungen daher nicht mit dem Versprechen auf gewinnträchtige Therapien und Arzneien versehen kann?

Darauf weiß auch Hans Wigzell, als Immunologe selber Lebenswissenschaftler, keine Antwort.

Ein Beitrag von Franz Zeller für die Ö1-Dimensionen vom 6. August 2002, 19.05 Uhr
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Mehr über Alpbach 2002 in science.ORF.at:
->   "Forum Alpbach": Die Selbstregulation der Erde
->   Alpbacher Technologiegespräche 2002
 
 
 
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01.01.2010