News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Laser im Lawineneinsatz  
  Rund 1. 000 Meter oberhalb der WM-Strecken von St. Anton ist es bereits Realität: auf der Valluga-Südseite misst ein hochmoderner Laserscanner die Schneehöhe lawinengefährlicher Hänge und liefert diese Daten in das Lawinensimulationssystem Samos.  
Das Ergebnis: erstmals kann ein realistischer Ablauf eines Lawinenabgangs am Computer dargestellt werden. In Zukunft könnten Lawinenkommissionen und Warndienste mit diesem System direkt vor Ort die Lage berechnen und ihre Entscheidungen treffen.
Messen, wo kein Mensch mehr hinkommt
An ungefährlichen Hängen ist es problemlos möglich, Schneehöhen zu bestimmen - mit Hilfe von Messsonden. Wer Aufschluss über den Schneedeckenaufbau erhalten will, kann dort sogar Schneeprofile oder Rutschkeile graben.

In dem Augenblick, wo ein Hang lawinengefährdet ist, war bislang keine Messung möglich. Die Mitglieder der Lawinenkommission mussten sich auf ihre Erfahrung verlassen und die Schneehöhe schätzen.
Eine neue Dimension
Der Laser-Scanner eröffnet jetzt sensationelle Möglichkeiten. Mit einer Reichweite von 2,5 Kilometern kann er ganze Talkessel vermessen. Er ist rund um die Uhr im Betrieb, ist 360 Grad einsetzbar und vermisst vollautomatisch Zentimeter für Zentimeter die programmierten Meßfelder.

Das Ergebnis sind dreidimensionale Karten, in denen die unterschiedlichen Schneehöhen farblich ausgewiesen sind.

 


...
Samos läuft wie ein Dieselmotor
Samos steht in diesem Fall nicht für die griechische Insel sondern für Snow Avalanche Modeling and Simulation. Die Realitätsnähe dieses Modells, das in Österreich u.a. von der TU Wien und dem Hightechunternehmen AVL List entwickelt wurde, beruht auf einer ebenso simplen wie überraschenden Theorie: Eine Lawine kann physikalisch als Schnee-Luft-Gemisch gesehen werden. Es gibt also Ähnlichkeiten mit den Gesetzmäßigkeiten in einem Verbrennungsmotor.
Die Folge: die Gasentwicklung eines Einspritz-Dieselmotors diente als Vorlage für die Simulation einer Staublawine. Mit diesem Denkansatz schafften es die Forscher erstmals, ein realitätsnahes Modell dieses hochkomplexen Ablaufs zu entwickeln.
...

 
Samos im Einsatz


Galtür war der Auslöser
Die Lawinenkatastrophe im Paznauntal vor fast genau 2 Jahren hat es deutlich gemacht. Die Schneemenge, die von einer Lawine in Gang gesetzt wird, ist wahrscheinlich der entscheidende Faktor, ob es zu einer Katastrophe kommt oder nicht.

In Galtür wurden Lawinen jahrhundertelang von einem Hügel vor dem Ort gestoppt. Die Menschen in Galtür blieben verschont. 1999 war durch die lang anhaltenden Niederschläge die Schneemenge, die sich am Berg angesammelt hat, höher als früher. Die Folge: die Lawine raste über den natürlichen Schutzwall hinweg und kam erst mitten im Ort zum Stehen.

Die Katastrophe im Paznauntal war Antrieb für Wissenschafter, fieberhaft an ihren Simulationsmodellen zu arbeiten.
Schwierige Entwicklung
Laser als Entfernungsmesser sind nichts ungewöhnliches mehr. Im Vermessungswesen gehören sie bereits zum Alltag. Schnee ist jedoch eine sehr komplexe Materie.

Vor allem bei Schneefall hat der Laser Schwierigkeiten, dicke Schneeflocken und eine feste Schneedecke zu unterscheiden. Unzählige Tests waren notwendig, um diese Fehlermeldungen herauszufiltern.
Durchbruch am Eiblschrofen
Hilfreich für die Anpassung des Laserscanners an die hochalpinen Bedingungen im Winter war sein Einsatz beim Felssturz am Eiblschrofen. Vor 2 Jahren, im Juli 1999, bedrohten Geröllawinen die Menschen der Ortschaft Schwaz in Tirol.

Hier hatte der Scanner seine erste Bewährungsprobe. Am Eiblschrofen funktioniert er wie ein Bewegungsmelder. Der Laser mißt die Entfernung zu unzähligen Meßpunkten ¿ 24 Stunden lang ununterbrochen.

Durch seine ständigen Messungen spürt er jede kleinste Bewegung am Fels auf ¿ denn jeder Bewegung verändert auch die Distanz zum Laser. Die Unterschiede werden mittels Grafik sichtbar gemacht.
...
Gemeinsame Kraftanstrengung
Die Entwicklung des Scanners ist ein Paradebeispiel für die gelungene Zusammenarbeit verschiedenster Institutionen. Auftraggeber ist das Ministeriums für Land-und Forstwirtschaft.

Um den Laser, der weltweit noch nie bei solchen Situationen eingesetzt war, zur Serienreife zu bringen, kooperierten das Institut für Wildbach und Lawinenforschung in Innsbruck , das renommierte Joanneum Research in Graz und das Zivilingenieursbüro ILF in Innsbruck.
...
Von der Stein- zur Schneelawine
Im Prinzip macht der Scanner auf der Valluga nichts anderes. Er mißt die Entfernung zur Oberfläche des jeweiligen Hanges. Durch den Schneefall und das Wachsen der Schneedecke verändert sich die Entfernung.

Der Laser liefert damit Daten über die Höhe der Schneedecke. Er führt aber auch Protokoll über andere Veränderungen, die dem Auge verborgen bleiben: wie gefährliche Windverfrachtungen und das Setzen des Schnees.

In Zukunft kann also mit dem Laserscanner sogar der Schneedeckenaufbau von jedem beliebigen Punkt eines Hanges festgestellt werden. Dann zeigt sich auch, wo genau sich jene gefährlichen, labilen Schneeschichten befinden, die den Lawinenabgang erst möglich machen.

Tom Matzek
Mehr dazu in "Modern Times", Freitag, 9. Februar, 22.35 Uhr, ORF 2
->   Modern Times
->   TU Wien-SAMOS
->   Institut für Lawinenforschung
->   Joanneum Research Inst. Für digitale Bildverarbeitung
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010