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Lebensmittel als Medizin?  
  Der Trend zum "Functional Food" setzt sich auch in Österreich durch. Ganz neu in heimischen Supermarkt-Kühlregalen: eine cholesterinsenkende Diät-Magarine.  
Streichfähige Medizin
In den USA und Japan gibt es sie inzwischen in jedem Supermarkt: "Functional-Food"-Produkte. Ihre Wirkungsweise: durch eine neue Zutat soll ein ganz spezifischer, gesundheitlich relevanter Effekt erzielt werden.

In Österreich geht es noch eher bescheiden zu. Den Auftakt machten probiotische Joghurts, seit kurzem neu am Markt ist eine Diät-Margarine. Die neue Zutat: Pflanzensterine. Der propagierte Effekt ist die Senkung des LDL-Cholesterinwertes, gewünscht wird die Hilfestellung bei der Prävention von Arteriosklerose.
Arteriosklerose ist kein Schicksal
Nahezu jeder zweite Österreicher stirbt an den Folgen von Herz-Kreislauferkrankungen. Etwa 13.000 Menschen erleiden einen Herzinfarkt und rund 60 Prozent der Betroffenen sterben daran. Erhöhte Blutfette gehören zu den bekannten klassischen Risikofaktoren von Arterienverkalkung, einem möglichen Vorboten von Herzinfarkt und Schlaganfall.
Senkung des Blutcholesterins hat Priorität
Nur ein Viertel der österreichischen Erwachsenen kann sich eines optimalen Gesamtcholesterinspiegels von unter 200 mg/dl erfreuen. Schnitzel und Schweinsbraten harmonisieren wenig mit einer arterienschonenden Ernährungsweise.

Das Prinzip "Mehr pflanzliches, weniger tierisches Essen" lohnt sich. Und das nicht nur momentan in Zeiten von BSE und Hormonen in der Schweinemast. Generell sollte man sich dem Herz zuliebe umstellen: Nichts beeinflusst den Cholesterinspiegel stärker, als die langfristige Ernährungsweise.
Pflanzensterine dem Herz zuliebe
Schützenhilfe kommt jetzt aus der Lebensmittelindustrie: mit täglich 20 Gramm einer mit Pflanzensterinen angereicherten Halbfettmargarine soll nach Angaben der Hersteller ohne Änderung der sonstigen Essgewohnheiten das 'böse' LDL-Cholesterin um 10 bis 15 Prozent innerhalb von drei Wochen gesenkt werden.
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Wie wirken Pflanzensterine?
Durch die Gegenwart der Pflanzensterine im Darm wird weniger Cholesterin aus dem Verdauungstrakt in den Körper aufgenommen. Auch bei Mahlzeiten, die kein Cholesterin enthalten, kommt diese Wirkung zum Tragen. Gallensäuren, die zur Fettverdauung ausgeschüttet werden, entsprechen körpereigenem Cholesterin und werden im Normalfall zur 'Wiederverwertung' aus dem Darm wieder ins Blut aufgenommen. Die Anwesenheit der Pflanzensterine vermindert auch diese Rückresorption. Als Gesamteffekt schwimmt weniger "schlechtes" LDL-Cholesterin im Blutkreislauf.

Mehr über die Wirkungsweise der neuen Diät- Magarine im Ö1-Konsumentenmagazin HELP am Sonntag, den 10.2., 13 Uhr 10.
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High-Tech-Food
Die Entwicklung des Functional-Food begann mit der Produktion von Astronautennahrung. Inzwischen bringen es weltumspannende Konzerne mit maßgeschneiderten Nahrungsmitteln auf einen jährlichen Umsatz von schätzungsweise 900 Milliarden Schilling.

Lebensmittel sollen nicht mehr nur schmecken und satt machen - sie sollen auch einen Nutzen haben oder ihn zumindest versprechen: das Immunsystem zu Höchstleistungen anspornen, die Blutfettwerte senken, die Knochen stählen und möglichst auch noch vor Krebs und Herzkrankheiten schützen.
->   Functional Food Lebensmittellexikon
Im Zeitalter der Lebensmittelingenieure
Internationale Großkonzerne tüfteln an neuen Lebensmitteln, die übersättigten Wohlstandsbürgern die Zivilisationskrankheiten austreiben sollen.

In den Schweizer Entwicklungslabors des weltgrößten Lebensmittelkonzerns Nestlé experimentiert man am Pharma-Food der Zukunft: Joghurts gegen Dickdarmkrebs, Schokoriegel gegen Osteoporose, Eiscreme ohne Fett, Salatsoßen, Müsliriegel und Joghurts angereichert mit so genannten probiotischen Bakterien, die angeblich Wunder im Darm bewirken.
Der Schatz in der Kühltruhe
 

Bei vier Grad Kühlschranktemperatur schlummert in gläsernen Ampullen der Schatz des Konzerns: eine Sammlung von rund 4.000 Milchsäurebakterienstämmen. Aus dieser Kollektion wurde vor zehn Jahren der Lactobacillus acidophilus 1 (LA-1) gebildet.

Glaubt man den Konzernveröffentlichungen, vollbringt dieser Mikroorganismus wahre Wunder. Nachdem er in den menschlichen Verdauungstrakt gelangt ist, trotzt er zunächst Magensäure und Gallensalzen. Im Dünndarm angelangt, verdrängt er Scharen von anderen, dort heimischen Bakterien und stimuliert angeblich die Immunzellen.
Ambivalente Einschätzung
Der wissenschaftliche Nachweis der gesundheitsfördernden Wirkung bestimmter Lebensmittel wurde bereits erbracht. Er bezieht sich beispielsweise auf die positive Beeinflussung der Darmflora durch Probiotics oder die Prävention degenerativer Erkrankungen wie Krebs mit Hilfe von Vitamin C und E.

Die Wirkungsweise von Functional Food ist jedoch unter Wissenschaftlern nicht unumstritten. Christian Barth, Leiter des Deutschen Institutes für Ernährungsforschung in Potsdam weist auf das Problem der Dosierung: Wird ein Stoff überproportional hinzugefügt, können andere Stoffwechselprozesse nachteilig beeinflusst werden.
->   Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Ein Beispiel: Bei Rauchern hat man beobachtet, dass die Zugabe von Beta-Carotin nicht wie erwartet das Krebsrisiko mindert, sondern im Gegenteil: Sie steigert es. Schuld ist sehr wahrscheinlich die hohe Dosis der einen Carotin-Art, die die Aufnahme einer anderen protektiven Art verhindert.

Christian Barth: "Verantwortungsvolle Unternehmen haben diese Risiken erkannt und zögern mit der Einführung neuer Produkte. Wir benötigen noch viel Grundlagenforschung."
->   Spiegel Interview mit Christian Barth
 
 
 
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01.01.2010