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Unbekannte Bakterien-Symbiose entdeckt  
  Bis zu vier Meter hohe Riffe aus Mikroorganismen haben Forscher des Bremer Max-Planck-Instituts (MPI) für marine Mikrobiologie und der Universität Hamburg in einer Tiefe von 230 Metern im Schwarzen Meer entdeckt. Es handelt sich dabei um eine Symbiose von Bakterien und Archaebakterien. Die Mikroben verwenden Methan gleichsam als Treibstoff. Als Ersatz für Sauerstoff - den es in den Tiefen des Schwarzen Meeres nicht gibt - dient Sulfat.  
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Die Entdeckung wurde in der aktuellen Ausgabe von "Science" (9. August) veröffentlicht.
->   Science
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Verrottungsgas Methan
Methan - das auch den wesentlichen Bestandteil des Erdgases bildet - entsteht immer dann, wenn organisches Material ohne Sauerstoff verrottet. Da das Schwarze Meer durch seine besondere Lage unter einer Tiefe von 150 bis 200 Metern sauerstofffrei ist, sind hier die Bedingungen für die Bildung von Methan ideal.

Schließlich rieseln ständig Pflanzen- und Tierleichen von den oberen Wasserschichten in die Tiefe und werden dort von Mikroorganismen, die ohne Sauerstoff auskommen, zerlegt. Eines der Endprodukte des Abbauprozesses ist eben Methan.
Bisherige Ansicht: Methanbakterien nur an Grenzschichten
Methan ist eine energiereiche Verbindung, die etwa von Methanbakterien als Energiequelle genutzt werden kann. Lange vermuteten Wissenschaftler allerdings, dass für den mikrobiellen Abbau von Methan zu Kohlendioxid unbedingt Sauerstoff notwendig sei.

Demnach sollten sich Methanbakterien meist nur an Grenzschichten - auf der einen Seite Methan, auf der anderen sauerstoffhaltiges Wasser - finden.
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Methanoxidierende Bakterien
Methanoxidierende oder "methanotrophe" Bakterien sind gramnegative und strikt aerobe (d.h. auf Sauerstoff angewiesene) Einzeller ohne echten Zellkern. Sie nutzen Methan als Energie- und Kohlenstoffquelle und enthalten das Enzym "Methanmonooxygenase".

Dieses Enzym katalysiert in Anwesenheit von O2 und gewissen Coenzymen die Umwandlung von Methan zu Methanol.
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Symbiose zweier Bakterientypen
Erst im Jahr 2000 war es MPI-Forschern gelungen, oberhalb von Gashydrat-Lagern im Meer winzige Zellklumpen zu finden, die zu Tausenden in methanreichen Meeresböden vorkommen. Die Klumpen erwiesen sich - wie auch die jetzt entdeckten Riffe - als Symbiose aus Bakterien und Archaebakterien.
Archaebakterien liefern Sauerstoff
Dass sich gerade diese Mikroorganismen zu einer Methan- verarbeitenden Symbiose zusammengefunden haben, ist kein Zufall. Wie weitere Untersuchungen der Riffe im Schwarzen Meer ergaben, übernehmen die Archaebakterien den Part des eigentlichen Methanabbaus (zu Kohlendioxid).

Der andere Partner, so genannte Sulfatbakterien, vermögen den nicht frei verfügbaren - aber für die Oxidation dringend nötigen - Sauerstoff aus dem ebenfalls reichlich vorhandenen Sulfat zu gewinnen.
Mikroben bilden Matten
Gemeinsam bilden die Mikroben dichte Matten, die im Inneren durch kalkartige Ausfällungen von Karbonaten gestützt werden. Das Karbonat entsteht als Abfallprodukt aus der Oxidation des Methans mit dem Sulfat. Die Matten sind von feinen Kanälchen durchzogen, die dem Stoffaustausch der Mikroorganismen dienen.
Uralt-Stoffwechsel der Evolution?
Die Bakterienriffe sind insofern für die Biologen von besonderer Bedeutung, da sie der erste lebende Beweis dafür sind, dass organische Materie auf der Erde auch ohne Sauerstoff und pflanzliche Biomasse entstehen kann, betonen die Wissenschafter.

Bereits seit langem diskutieren Forscher, ob Methan in der frühen Geschichte des Lebens auf der Erde eine Rolle als Nährstoff- und Energieträger gespielt haben könnte.

"Vielleicht waren die Ureinwohner der Erde während einer langen Periode der Erdgeschichte solche Mikroorganismen, wie wir sie im Schwarzen Meer gefunden haben: eine Symbiose von Zellen, die ohne Sauerstoff mit Methan als Nährstoff wachsen können", so Antje Boetius, Mitautorin der Studie.
->   MPI Bremen
->   Universität Hamburg
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01.01.2010