News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos .  Wissen und Bildung 
 
Wird das Licht langsamer? - "Einstein hätte das gehasst"  
  Messungen einer der wichtigsten Naturkonstanten - der so genannten Feinstrukturkonstante α - haben ergeben, dass sich diese über lange Zeiträume ändert. Dieser Sachverhalt erschüttert die Grundfesten unseres physikalischen Weltbildes. Denn damit wird die hehre Liste der - nicht zufällig so bezeichneten - Fundamentalkonstanten in Frage gestellt. Als Erklärung dieses Umstandes können die Physiker gewissermaßen zwischen "Pest" und "Cholera" wählen: Entweder hat sich im Laufe der letzten Jahrmilliarden die Größe der so genannten Elementarladung geändert - oder jene der Lichtgeschwindigkeit.  
Paul Davies von der Macquarie University in Sydney meint in einer aktuellen "Nature"-Publikation, dass wahrscheinlich letzteres der Fall gewesen sei.
...
"Cosmology: Black holes constrain varying constants"
Die Publikation " Cosmology: Black holes constrain varying constants" von Paul Davies und Mitarbeitern erschien in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" (Band 418, auf den Seiten 602 - 603).
->   Zum Artikel (kostenpflichtig)
...
Einsteins Annahme wackelt
"Einstein hätte das absolut gehasst", kommentiert der theoretische Physiker und Buchautor Paul Davies seine jüngste Publikation im Gespräch mit der Zeitschrift "New Scientist": "Denn seine gesamte Relativitätstheorie fußt auf der Annahme, dass die Lichtgeschwindigkeit eine absolut fixierte Zahl sei."
Umbruch, aber nicht Abbruch des Theoriengebäudes
Sollte sich diese Annahme aber als unrichtig erweisen, dann wären liebgewonnene Gleichungen wie etwa das berühmte E=mc2 gefährdet.

Und nicht nur deswegen müssten die Lehrbücher der Physik umgeschrieben werden. Die in jedem Lexikon einsehbare Liste der unveränderlichen physikalischen Größen (der so genannten Fundamentalkonstanten) müsste ebenfalls revidiert werden.

Allerdings, so fügt Davies hinzu, bräuchten wir auch in diesem Fall nicht sämtliche Theorien über Bord werfen: "Denn es liegt in der Natur der wissenschaftlichen Revolutionen, dass alte Theorien von neuen inkorporiert werden."
...
Fundamentalkonstanten
Die Fundamentalkonstanten spielen, wie ihr Name bereits andeutet, eine fundamentale Rolle in der Physik. Zu ihnen gehören (u.a.): Die Lichtgeschwindigkeit c, die Elementarladung e, das Plancksche Wirkungsquantum h, die Newtonsche Gravitationskonstante G, die Avogadro-Konstante N und die Boltzmann-Konstante k. Aus ihnen lassen sich z.B. die physikalischen Einheiten für Masse, Länge und Zeit ableiten.
...
Der Sündenfall
Das physikalische Malheur begann mit der Publikation eines Datensatzes des Astronomen John Webb. Dieser hatte entdeckt, dass Strahlung eines weit entfernten Quasaren (einem sternähnlichen Objekt) auf seiner 12 Milliarden langen Reise zur Erde die "falschen" Photonentypen absorbiert hat.

Dieser Umstand ist darauf zurückzuführen, dass offensichtlich die so genannte Feinstrukturkonstante im Laufe der Zeit zugenommen hat. Oder in paradoxen Worten: Die vielleicht fundamentalste Konstante der Physik ist in Wirklichkeit gar keine Konstante.
...
"Evolution of the Fine Structure Constant"
Der Artikel "Further Evidence for Cosmological Evolution of the Fine Structure Constant" von John Webb und Mitarbeitern erschien Im Jahr 2001 in den "Physical Rview Letters" (Band 87, 091301).
->   Zum Abstract der Publikation
...
Die Feinstrukturkonstante α
Die Feinstrukturkonstante α ist eine Größe, die angibt, in welcher Weise Lichtteilchen mit anderen Partikeln, wie etwa Elektronen, interagieren. Ihr Wert ist von zwei anderen grundlegenden Größen abhängig: Der so genannten Elementarladung und der Lichtgeschwindigkeit.

Zur Erklärung der Veränderung von α gibt es zwei - gleichermaßen unliebsame - Alternativen: Entweder hat im Laufe der letzten Jahrmilliarden die Größe der Elementarladung zu- oder jene der Lichtgeschwindigkeit abgenommen.
...
Physikalisches zur Feinstrukturkonstante
Die Feinstrukturkonstante, kurz α genannt, ist eine vom deutschen Physiker Arnold Johannes Wilhelm Sommerfeld eingeführte dimensionslose Konstante bei der relativistischen Behandlung der Feinstruktur von Atomspektren. Sie ist ein Maß für die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung (d.h. der Kopplung geladener Teilchen mit Photonen).

Man kann sie in anschaulicher Weise - im Bild des Bohrschen Atoms - als das Verhältnis der Umlaufgeschwindigkeit des Elektrons im Grundzustand des Wasserstoffatoms zur Lichtgeschwindigkeit auffassen.
...
Von zwei Übeln...
Paul Davies und seine Co-Autoren argumentieren in ihrer "Nature"-Publikation, dass es klüger sei, die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit aufzugeben. Denn ließe man eine Variabilität der Elementarladung zu, dann geriete man - gemäß der Theorie schwarzer Löcher - vollends in Teufels physikalische Küche.
...das geringere wählen
Gäbe es nämlich ein Anwachsen der Elementarladung e, dann folgte daraus, dass der so genannte Ereignishorizont von schwarzen Löchern (i.e. jener Bereich, aus dem weder Licht noch Materie entweichen kann) mit der Zeit kleiner würde.

Und dies wäre wiederum eine Verletzung eines der wichtigsten physikalischen Grundgesetze: des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik.
...
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Davies umschreibt die Grundaussage des zweiten Hauptsatzes der Wärmelehre mit den prägnanten Worten: "You can't get something from nothing" - was am ehesten zu übersetzen ist mit: "Von nichts kommt nichts". Oder etwas exakter ausgedrückt: Die Umwandlung von Energieformen bedeutet immer einen Verlust an Arbeitsfähigkeit, die Natur strebt von sich aus nach Zuständen höherer Unordnung.
...
Konsequenzen a la "Star Trek"?
So plädiert Davies für das geringere "Übel": Die Lichtgeschwindigkeit muss veränderlich sein. Wer sich ob dieser Konsequenz an die wundersamen Effekte in der Fernsehserie "Star Trek" erinnert fühlt, befindet sich durchaus in prominenter Gesellschaft.

Im Gespräch mit Reuters heizte Davies selbst die Spekulationen jedenfalls an: "Vielleicht kann die Grenze der Lichtgeschwindigkeit umgangen werden. 'Star Trek'-Fans würde das auf jeden Fall bezaubern. Wer weiß, was in Zukunft möglich sein wird?", so Davies.

Nachdem allerdings die Theorie der schwarzen Löcher noch kaum empirisch untersucht ist, gibt es in der vorgestellten Argumentationskette noch durchaus Platz für Revidierungen. In der Fachpublikation schlagen Davies und seine Mitarbeiter denn auch etwas bescheidenere Töne an: Ihre Argumente seien, so die Autoren in "Nature", "only suggestive".

Robert Czepel, science.ORF.at
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Hatte Einstein unrecht?
->   Das Unmögliche möglich machen
->   Die Herausforderung der Raumzeit
->   Die letzten elf Fragen zum Universum
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos .  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010