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Genom-Entzifferung: Viele Fragen bleiben offen  
  Am Montag veröffentlichen "Nature" und "Science" die Detail-Informationen über die Sequenzierung der menschlichen Erbsubstanz (DNA). Das bedeutet neue Erkenntnisse, aber auch viele offene Fragen.  
Der Mensch hat weitaus weniger Gene als bisher angenommen - nur 30.000 bis 40.000 statt der ehemals bis zu mehr als 140.000 vermuteten. Dies hat die Analyse des internationalen Human-Genom-Projekts (HGP) über die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts ergeben, die Montag Nachmittag offiziell von den beiden führenden Wissenschaftsmagazinen der Welt - "Science" und "Nature" - publiziert wird.

Die Daten von "Science" stammen vom US-Gen-Entschlüssler Craig Venter mit seinem Unternehmen Celera. "Nature" publiziert die Informationen aus dem mit öffentlichen Geldern finanzierten weltweiten Human Genome Project (HGP) mit der Human Genome Organisation (HUGO) als Träger.
Rund drei Milliarden Basenpaare
Dieser Meilenstein in der Erforschung des genetischen "Bauplans" des Menschen mit der längsten Abfolge der Basen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T) von rund drei Milliarden solcher Bausteine bildet den vorläufigen Abschluss der seit 1990 laufenden Bemühungen zur Sequenzierung des menschlichen Erbguts.
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Genom-Daten des Menschen
Aus den Hunderten Seiten an von "Nature" und "Science" veröffentlichten Genom-Daten des Menschen bzw. der Analysen lassen sich bereits zahlreiche anfängliche Erkenntnisse ziehen:

Craig Venter setzt die Zahl der Gene des Menschen zwischen rund 26.000 und 39.000 an. Somit hat der Mensch nur um 13.000 mehr für die Produktion von Eiweißstoffen geeignete Erbgutbestandteile als die Fruchtfliege Drosophila melanogaster.

Im menschlichen Genom wechseln einander offenbar sehr gen-dichte Abschnitte (auf den Chromosomen 17, 19, 22) mit weiten "Wüsten" an nicht kodierenden Teilen ab. Solche relativ gen-freie Regionen sind besonders häufig auf den Chromosomen X, 4, 18, 13 und am männlichen Y-Chromosom.
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Sinnlose Basenpaar-Abfolgen
Mehr als ein Drittel (35,3 Prozent laut Celera-Daten) bzw. 45 Prozent (HGP-Informationen) der menschlichen Erbsubstanz bestehen aus (vorläufig) "sinnlosen" Wiederholungen bestimmter Basenpaar-Abfolgen. Dieser "Mist" (englisch "junk") muss erst noch genau untersucht werden, ob er nicht doch wichtige Funktionen in der menschlichen Erbsubstanz hat.
Gene unbeeindruckt von Ethnien
Jeder Mensch besitzt 99,9 Prozent seiner Erbsubstanz gemeinsam mit allen Menschen, die auf der Erde leben. Menschen aus unterschiedlicher ethnischer Herkunft ("Rassen") können einander genetisch ähnlicher sein als die Individuen innerhalb einer ethnischen Gruppe.
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Gen-Streit seit 10 Jahren
Seit rund einem Jahrzehnt wurde die Sequenzierung des menschlichen Erbguts vorangetrieben. Zwischen dem US-Pionier Craig Venter (Celera Genomics) und dem internationalen Konsortium der Human Genome Organisation (HUGO) mit seinem Human Genome Project (HGP) herrschte von Anfang an beinharte Konkurrenz. Selbst noch knapp vor der Sequenzierung von 90 Prozent der menschlichen DNA wollten die beiden Mitbewerber um den Ruhm nicht kooperieren. Es ging um die Verwertungsrechte. Dabei schritten sogar der damalige US-Präsident Bill Clinton und der britische Premierminister Tony Blair im März des Jahres 2000 ein. Sie sprachen sich für die Freigabe der Sequenzierdaten der menschlichen DNA aus.
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"Erst der erste Schritt"
Und vor voreiligen Schlüssen zu warnen schreiben die Celera-Wissenschaftler in "Science": "Die Auflistung der Genom-Sequenz des Menschen ist ein erster zögerlicher Schritt auf einer langen und aufregenden Reise zum Verständnis der Rolle der Erbsubstanz in der Biologie des Menschen."
"Fehler: Determinismus und Simplifizierung"
"Wir müssen zwei Fehler vermeiden: Determinismus, also die Idee, dass alle Charakteristika einer Person in ihrem Genom 'fix programmiert' sind. Und zweitens müssen wir vermeiden, dass wir simplifizieren: Dass das menschliche Genom jetzt bekannt ist, bedeute, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis wir durch Verstehen der Funktion der Gene und ihrer Interaktionen eine komplette ursächliche Beschreibung der Unterschiede von Mensch zu Mensch vor uns haben."
Gemeinsamer Veröffentlichungstermin
Gemäß der Vereinbarung macht Celera die in "Science" veröffentlichten Genomdaten bis zu einer gewissen Länge (eine Million Basen) der akademischen Wissenschaft zugänglich. "Kommerzielle Benutzer könnnen die
Daten frei abrufen, müssen aber ein 'Transfer-Abkommen' abschließen, in dem sie erklärten, dass sie ihre Forschungsergebnisse weder kommerziell nutzen noch die Sequenzdaten weitergeben", schrieb die Fachzeitschrift. Der Zugang erfolgt über die Celera-Datenbank. Hingegen stellen die HGP-Sequenzierer ihre Informationen in die frei zugängliche "GenBank".

Eine Art von Zusammenarbeit aber gab es zum Schluss der Affäre doch noch: "Nature" und "Science" - die beiden wichtigsten Wissenschaftspublikationen der Welt - einigten sich wenigstens auf die gleichzeitige Veröffentlichung der Daten der beiden Genom-Projekte. So kam es nun zur Publikation von Venters Ergebnissen am 12. Februar in "Science" und der HGP/HUGO-Informationen in "Nature".
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->   Human Genome Organisation
->   Celera
->   Science Magazine
->   Nature
 
 
 
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01.01.2010