News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Durchbruch im Kampf gegen Sepsis?  
  Durch die Behandlung mit biotechnisch verändertem Human-Protein C lässt sich die Todesrate von Patienten mit schwerer Blutvergiftung um fast 20 Prozent senken, so die PROWESS-Studie, die jetzt in San Francisco präsentiert wurde.  
Das entsprechende Medikament wurde vom US-Pharmaunternehmen Eli Lilly unter dem Markennamen Zovant entwickelt. Die Zulassung wurde von der Firma für die USA und die EU bereits eingereicht.

Für die USA wird das behördliche OK für Juni erwartet. Dann könnte das Sepsis-Medikament für den Einsatz in Spitälern auch bereits in Österreich zur Verfügung stehen. Mit einer direkten Zulassung in einem europäischen Land rechnet man bei Eli Lilly für
das Jahr 2002.
...
Jährlich 500.000 Todesfälle
Nach - vorsichtigen - Schätzungen sterben derzeit immer noch weltweit rund 500.000 Menschen an Blutvergiftungen, das sind 1.400 pro Tag. In Österreich dürfte die Zahl in der Größenordnung von 15.000 jährlich liegen. In den USA ist per anno etwa eine halbe Million Menschen von Blutvergiftungen betroffen, in 175.000 Fällen ist der Verlauf derzeit letal. Die Behandlungskosten werden laut einer US-Studie aus dem Jahr 1999 mit rund 250 Milliarden ATS veranschlagt.
...
Hohe Dunkelziffer
Auslöser einer Sepsis können Verletzungen ebenso sein wie etwa die Folgen unkorrekter Behandlungen im Spital (Katheter-Anbringungen etc.). Die Vergiftungen in der Blutbahn führt im schlimmsten Fall zum Organversagen, insbesondere von Nieren und Lunge.

Dies erklärt, warum die Dunkelziffer der Sepsis-Toten sehr hoch sein dürfte: Als Ursache für den Exitus - bei meist ohnedies bereits schwer in Mitleidenschaft gezogenen Patienten - werden vielfach Nierenversagen registriert.

Die einzige zur Verfügung stehende Behandlung von schwerer Sepsis ist derzeit die Gabe von Antibiotika bzw. von Blutprodukten. Diese Therapie ist für Akutfälle offensichtlich keineswegs ausreichend und gleichzeitig für Intensivpatienten ziemlich belastend.
...
Mehr als 20 Präparate getestet
Rund 20 verschiedene Substanzen zum Stopp von schwerer Sepsis sind mittlerweile von verschiedenen Wissenschaftlergruppen und Pharmafirmen getestet worden. Zovant scheint nun die erste vielversprechende Lösung zu sein. Das Mittel wurde in Kliniken in elf Ländern im Zuge der PROWESS-Studie untersucht. Jean Louis Vincent, der Koordinator der Studie von der Erasme-Universitätsklinik in Brüssel, bei der Präsentation beim 30. internationalen Kongress der Gesellschaft für Intensivmedizin (SCCM) in San Francisco: "Unsere Daten zeigen eine Reduktion des relativen Todesrisikos um 19,43 Prozent."
...
100.000 Menschen pro Jahr retten
Im optimalen Fall könnten rund 100.000 Menschenleben pro Jahr auf der ganzen Welt durch den Einsatz von Zovant gerettet werden. Als einzige Nebenwirkung wurde in der Studie eine leichte Erhöhung von schweren Blutungen ermittelt. Diese traten bei 3,5 Prozent der Behandelten auf, gegenüber zwei Prozent bei der Standardtherapie.

Der Anstieg ist der Studie zufolge allerdings statistisch nicht signifikant und betrifft ausschließlich Menschen mit einer
Prädisposition für Blutungen.
...
Mehr zu Sepsis
Allgemeininfektion durch Eindringen von Krankheitserregern, besonders Bakterien in die Blutbahn. Ausgangspunkt sind z. B. Harnweginfektionen, Nierenbeckenentzündung, Wundinfektionen usw. Charakteristisch sind Anfälle von hohem Fieber mit Schüttelfrost und stark beeinträchtigtem Allgemeinbefinden, bei Kleinkindern unter Umständen auch Fieberkrämpfe. Durch Absiedlung von Erregern in inneren Organen kann es zu Hirnhautentzündung, Hirnabszess, Lungenabszess oder Arthritis kommen.
->   Mehr dazu auf sepsis.com
...
''Extrem ermutigt''
"Wir sind extrem ermutigt durch das Potenzial von Zovant, so vielen Menschen zu helfen, die sonst im Kampf gegen die Sepsis unterliegen würden", meinte August M. Watanabe, der für Forschung und Technologie zuständige Vizepräsident von Eli Lilly.

"Die Daten lassen uns hoffen, dass wir mit diesem tatsächlich innovativen biotechnischen Produkt nach der Zulassung einer großen Bandbreite an Sepsis-Patienten helfen können."
Medikamenten-Cocktail am effektivsten?
"Wir stehen bei der Sepsis derzeit dort, wo wir bei der Krebsbekämpfung vor Jahren waren", meinte der Mediziner beim Intensivmedizin-Kongress in San Francisco im Interview mit österreichischen Journalisten.

Als Zukunft der Behandlung von Blutvergiftungen erachtet Vincent - ähnlich wie bei Krebs und Aids - einen Medikamenten-"Cocktail", der es ermöglichen soll, die verschiedensten Angriffspunkte gegen die Erkrankung zu finden.
''Kombination kein Problem''
Die Kombination von Zovant mit anderen - noch zu findenden - Präparaten dürfte dem Experten zufolge kaum Probleme bereiten. Jedenfalls erwartet Vincent, dass nach Zovant weitere Therapien gegen Sepsis gefunden werden, die andere Wirkmechanismen nutzen und etwa bei der Eindämmung von Entzündungen oder beim menschlichen Immunsystem ansetzen.

Dies würde auch die Möglichkeit schaffen, jene wenigen Patienten erfolgreich zu behandeln, bei denen Zovant nicht eingesetzt werden darf, nämlich Menschen mit einer bekannten Neigung zu Blutungen.
->   Eli Lilly
->   Erasme-Universitätsklinik in Brüssel
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010