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Die Netzwerke(r) vom Wolfgang-Pauli-Institut  
  Vor kurzem wurde bekannt, dass das Wiener Wolfgang-Pauli-Institut (WPI) von der EU zur Zentrale des bislang größten europäischen Forschungs- und Ausbildungsnetzwerkes in Mathematik erklärt wurde. Damit hat der erst im vergangenen Jahr gegründete Verein das somit vierte EU-geförderte Netzwerk-Projekt ans WPI nach Wien geholt - und Österreich zu einem "global Player" im Bereich der mathematischen Grundlagenforschung gemacht: Nirgendwo in Europa findet sich heute eine vergleichbare Bündelung von Forschungskraft.  
"Exzellente Infrastruktur für exzellente Forscher", so wurden die Ziele des Wolfgang-Pauli-Instituts bei seiner Gründung zusammengefasst. Ein Jahr später können die Mathematiker bereits diverse große Erfolge vorweisen: Mit dem Drei-Millionen-Euro-Projekt HYKE haben sie nun das vierte von der EU finanzierte Netzwerk nach Wien geholt.
Durchgesetzt gegen die gesamteuropäische Konkurrenz
Ebenfalls kürzlich von der EU bewilligt wurde das Netzwerk ALFA, bei dem Mobilität und Austausch von Wissenschaftlern an lateinamerikanischen und europäischen Universitäten und Forschungseinrichtungen gefördert wird.

"Alle Netzwerke wurden in Anträgen - in gesamteuropäischer Konkurrenz - in einem Gutachter-Verfahren eingeworben", erzählt der WPI-Mathematiker Norbert Mauser, Koordinator von HYKE, gegenüber science.ORF.at.
Gesamte Koordination am WPI
Das WPI als Zentrale, d.h. dass alle Projekte offiziell vom Institut als juristisch verantwortlicher Rechtsträger abgewickelt werden - die gesamte Koordination und das Management von rund fünf Millionen Euro Budget laufen im WPI zusammen.
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Das WPI - eine ''Bottom-up-Gründung''
Entstanden ist das WPI aus einer Initiative der beteiligten Wissenschaftler, allesamt Wittgenstein- oder START-Preisträger - also "bottom-up", wie der Mathematiker Peter Markowich, Präsident des WPI, erzählt. Beteiligt sind der Informatiker Georg Gottlob sowie die Mathematiker Walter Schachermayer, Peter Markowich, Norbert Mauser und Peter Szmolyan. Gründungsmitglied des Vereins "Wolfgang-Pauli-Institut" ist auch Christian Schmeiser, Sprecher des Wiener interuniversitären Wissenschaftskollegs "Differentialgleichung".
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Die Netzwerke(r) des WPI
Mit HYKE ("Hyperbolische und Kinetische Gleichungen") und einem weiteren Projekt ACE ("Algebraische Kombinatorik in Europa") haben die WPI-Wissenschaftler zwei so genannte "Forschungs-Trainings-Netzwerke" aufgebaut, die die Zusammenarbeit innerhalb Europas fördern sollen.
HYKE: Ein Netzwerk von Netzwerken
An HYKE beteiligt sind insgesamt 80 Institute in ganz Europa. Eingebunden sind 250 europäische Mathematiker in 15 Gruppen - alleine die Wiener Gruppe stellt ein eigenes großes Netzwerk dar.

Sie umfasst Teilnehmer von der Uni Wien, der TU Wien, aus Linz, Prag, Tel Aviv, Haifa, von der ETH Zürich sowie aus Frankreich, Spanien, Schweden, Norwegen, Polen, Portugal, Griechenland und der Türkei. HYKE also als ein Netzwerk von Netzwerken, dessen Zentrum das WPI ist.
Kooperation mit Nicht-EU-Ländern
Zusätzlich laufen am Institut zwei weitere Netzwerk-Koordinationen, in denen es um eine Kooperation Europas mit Nicht-EU-Ländern geht: ALFA ("Partielle Differentialgleichung in Industrie und Ingenieurwesen") unter der Koordination von Peter Markowich vereint Institute aus Europa und Südamerika.

INTAS ("Partielle Differentialgleichung in der Halbleitermodellierung") - ebenfalls unter Koordination von Peter Markowich - schließt Institute aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion sowie aus Italien und Frankreich ein.
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ALFA: Austausch von Wissenschaftlern
Auch hier geht es um den Austausch von Wissenschaftlern, etwa um die Veranstaltung von gemeinsamen Seminaren und Konferenzen, erläutert Markowich gegenüber science.ORF.at. Bei ALFA beispielsweise sei das Ziel, wissenschaftliche Infrastruktur nach Südamerika zu bringen, im Gegenzug dafür erhalte man in Europa Zugang zu einem Pool an begabten jungen Forschern.
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Von der Diskussion zum Testprogramm
In kleinen Gruppen wird bei Workshops oder wechselseitigen Auslandsbesuchen über Anwendungsprobleme oder rein mathematische Probleme diskutiert - "meist mit der Kreide in der Hand vor einer Tafel, oder auch zwanglos bei einem Abendessen", erzählt Norbert Mauser von der Arbeit der Netzwerker.

"Sobald ein konkretes Modell und die dazugehörige Gleichung gefunden sind, geht die Knochenarbeit los: Es werden Blöcke mit Skizzen und Formeln gefüllt, bis der Bleistift bricht, und im Computer kleine Testprogramme geschrieben, die erste Ideen geben, was in den Gleichungen steckt."
Die Stärke internationaler Teams
In dieser Phase sei es sehr wichtig, viele Mitarbeiter zu haben - vor allem Doktoranden und Postdocs, die sowohl unkonventionelle Ideen als auch harte Arbeit beitragen. Genau hier liege die Stärke internationaler Teams, "wo die verschiedenen Methoden wechselwirken", so Mauser.

Angewandte Mathematik ist ein ideales Gebiet für Teamwork, meint der Mathematiker: "Anstatt alleine monatelang, manchmal jahrelang durch Bücher zu gehen, nur um ein Detailproblem zu lösen, ist es viel effektiver, den Autor dieser Bücher einzuladen, an der Arbeit mitzuwirken - und das Problem in einer Woche zu lösen."
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Artikel zu konkreten Projekte in science.ORF.at
In den kommenden Wochen wird science.ORF.at einige am WPI laufende Forschungsprojekte herausgreifen und in eigenen Artikeln detaillierter darstellen - aus Bereichen wie Nanotechnologie (Halbleitersimulationen), mathematische Immunologie oder mathematische Physik.
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Weiterer Geldsegen mit dem nächsten Rahmenprogramm?
Im Rahmen des 6. Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung der EU könnte dem Wolfgang-Pauli-Institut vielleicht bald neuer Geldsegen ins Haus stehen:

Denn die Netzwerker vom WPI sind ob des Erfolges nicht müßig und bereits dabei, neue Pläne zu verfolgen: Entstehen soll ein "Network of Excellence" in Angewandter Mathematik, kurz AMANEX genannt, gedacht als Kooperation autonomer Netzwerke.
Europäische ''Task Forces'' der Mathematik
In dessen Rahmen wollen die Wissenschaftler europäische "Task Forces" bilden, die Lösungen für konkrete mathematischer Probleme erarbeiten, welche in die Schwerpunktthemen des 6. EU-Rahmenprogrammes fallen - etwa aus dem Bereich der Nano- und Informationstechnologie.

Wie Mauser erzählt, haben EU-Gutachter HYKE bereits als Pilotprojekt für ein solches "Network of Excellence" eingestuft - dabei gehte es um rund 25 Millionen Euro und um "eine langfristige österreichische Führerschaft auf dem Gebiet der Angewandten Mathematik".
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Ergebnisse frei zugänglich
Die von den Wissenschaftlern erarbeiteten Ergebnisse steht im Übrigen allen Interessierten zur Verfügung - zur Zeit wird ein elektronischer "Preprint server" aufgebaut, auf dem HYKE und seine Partnernetzwerke Tausende Arbeiten über das Internet öffentlich zugänglich machen wollen.

Das ebenso entstehende Resultat an "Humankapital", nämlich die international ausgebildeten Nachwuchsforscher, geht von selbst dorthin, wo ihm die besten Möglichkeiten geboten werden - "hoffentlich auch nach Österreich", so Mauser.
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Angewandte Mathematik als Schlüsselforschung
Die Forscher vom WPI sehen die Angewandte Mathematik als Schlüssel für zukünftige Technologien - der entscheidende Faktor in den kommenden Jahren könnte demnach die Qualität von Modellierungen und Computersimulationen etwa in der Biotechnologie sein.

Dahinter steckt genau die Mathematik, die die HYKE- und AMANEX-Netzwerker liefern wollen. Auch für andere Anwendungen soll das Know-how der Forscher von Nutzen sein.
Noch keine Fördergelder aus Österreich
Bei der Einwerbung und Abwicklung von EU-Projekten weist das WPI nach Aussage von Norbert Mauser bisher eine Erfolgsquote von 100 Prozent auf - bislang allerdings hat das Institut noch keine direkten österreichischen Förderungsgelder erhalten.

Das sei eine absurde Situation, sagt WPI-Präsident Peter Markowich. Man erhalte viel Geld aus Brüssel für die Forschungen, in Wien aber bekomme man nicht einmal 1.000 Quadratmeter Büroraum für ein bereits funktionierendes Zentrum wie das Wolfgang-Pauli-Institut.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
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01.01.2010