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Keine Angst vor eingewanderten Pflanzen  
  Riesenknöterich, Herkules-Staude und Robinie machen immer wieder Schlagzeilen: Die Pflanzen aus fernen Ländern wie stehen im Ruf, einheimische Gewächse zu verdrängen. Botaniker betrachten sie allerdings eher als Bereicherung, denn als Gefahr.  
Einzelne Gebiete können die eingewanderten Pflanzen, von Fachleuten Neophyten genannt, unter bestimmten Umständen auch tatsächlich erobern. "Eine generelle Gefahr sind sie aber nicht", betont Dietmar Brandes. Der Professor für Botanik an der Technischen Hochschule Braunschweig beschäftigt sich seit 30 Jahren mit Neophyten.
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Neophyten
"Alle Pflanzen, die nach 1500 zu uns gekommen sind, gehören zu den Neophyten", erklärt Brandes. Erst mit der Entwicklung der Seefahrt konnten Samen und Ableger in größerer Zahl "einreisen". Fachleute schätzen, dass rund 12.000 Pflanzenarten den Weg nach Europa fanden.

"Davon haben sich etwa 600 in Europa etabliert, 400 davon auch in Deutschland", sagt Brandes. Probleme würden allerdings nur etwa zehn Arten machen, und die auch nur gebietsweise.
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Beispiel Knöterich
Derzeit überwuchert der japanische Knöterich die Flussufer in Tälern des Südharzes und am oberen Rheinlauf. "Häufig wurden die Flüsse zuvor begradigt, Erlen und andere Uferbepflanzungen beseitigt. Dadurch wurde dem Knöterich überhaupt erst Platz gemacht", sagt Brandes.

Bei einer erneuten einheimischen Bepflanzung würde sich der Eindringling vermutlich wieder zurückziehen.
Natürliche Lebensräume sind robuster
Auch Uwe Schippmann vom Bundesamt für Naturschutz in Bonn sagt: "Je weniger die ursprünglichen Lebensräume von Menschenhand verändert werden, umso so schwieriger können sich Neophythen durchsetzen."

Seine Behörde schätzt die Situation ähnlich wie Brandes ein und sieht zum Beispiel keinen Grund für eine generelles Einfuhrverbot einer Art. Dennoch seien Neophyten ein Thema.
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Internethandbuch geplant
Um ihre Verbreitung besser untersuchen zu können, plant die Behörde für Ende nächsten Jahres ein Internet-Handbuch. Dort sollen die Steckbriefe von 30 Arten mit so genanntem "invasiven Charakter" nachzulesen sein.

Naturschutzverbände, Förster und Botaniker sollen sich auf der Seite über die Ausbreitung, eine mögliche Bekämpfung und alle Beobachtungen austauschen können. "Durch den Erfahrungsaustausch erhoffen wir uns eine effektive Abwägung der Kosten und Nutzen beim Umgang mit Neophyten", sagt Schippmann.
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Robinien überdauern nur eine Generation
Brandes beobachtet seit langem einen Robinien-Hain in Braunschweig. "Der Bestand ist aus den vierziger Jahren. Nach einer Generation von 60 Jahren siedeln sich wieder einheimische Bäume an", berichtet er.
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Herkules-Staude als Plage
Das bekannteste Beispiel dürfte die als Zierpflanze eingeführte Herkules-Staude sein, die unter anderem im deutschen Siegtal zur Plage wurde. "Wird einem Hobby-Gärtner der Bestand zu groß, fliegt eine Pflanze schnell über den Gartenzaun", sagt Schippmann. Vor allem in Großstädten finden diese "Gartenflüchtlinge" auf Industriebrachen und anderen unbewirtschafteten Flächen schnell Lebensraum. Aber auch dort sollte man laut Brandes die heimische Botanik nicht unterschätzen.
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"Ohne Neophyten wäre Speisplan traurig"
"Unsere Flora hat erdzeitgeschichtlich unlängst Eiszeiten erlebt. Die überlebenden Arten sind sehr robust", sagt Brandes. Vor übertriebener Panik warnt der Botaniker noch aus einem anderen Grund: "Pflanzen, egal welchen Ursprungs, verbreiten sich in manchen Perioden geradezu explosionsartig", sagt er. '

Noch vor wenigen Jahrzehnten galt zum Beispiel das einheimische Land-Reitgras als Rarität. In trockenen Sommern nehmen große Bestände mittlerweile den Kieferwäldern in Brandenburg zu viel Wasser weg.

"Neophyten sind vor allem eine Bereicherung unserer Flora. Ohne sie würde um diese Jahreszeit kaum mehr etwas in den Gärten blühen und unser Speiseplan sähe ganz schön traurig aus", betont Brandes: Ob Paradeiser, Erdäpfel oder zahlreiche Gewürzkräuter - sie alle stammen von anderen Kontinenten.
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01.01.2010