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Chemische Analysetechnik für alten Wein  
  Weinliebhaber mit dem nötigen Kleingeld zahlen oft enorme Preise für alte Weine - ohne allerdings zu wissen, ob sie gerade sehr viel Geld für Essig ausgegeben haben. Bislang musste die Flasche geöffnet werden, um dies zu klären. US-Forscher haben nun allerdings eine Technik zur chemischen Strukturaufklärung für Weinflaschen adaptiert und wollen auf diese Weise die Trinkbarkeit der edlen Tropfen bestimmen können.  
Ein Team von Chemikern um Matthew P. Augustine von der University of California in Davis haben ein so genanntes Strukturaufklärungsverfahren - die Kernspinresonanz (NRM) - modifiziert und können damit eine noch ungeöffnete Flasche auf ihre Inhaltsstoffe hin untersuchen.
Sicherheit für Weinliebhaber
Damit soll es möglich sein, den Gehalt an Essigsäure so genau zu bestimmen, dass Weinliebhaber sich der Trinkbarkeit des teuren Tropfens sicher sein können.

Denn für manche alten Weine werden auf Auktionen Tausende Euro gezahlt, doch wenn - trotz Korkverschluss - Sauerstoff in die Flasche geraten ist, hat sich der edle Traubensaft vielleicht längst in Essig verwandelt.
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Warum Wein zu Essig wird
Verantwortlich dafür sind im Wein natürlich vorkommende Bakterien, die Sauerstoff verwenden, um Ethansäure - also Essigsäure - zu produzieren. Der geringe Sauerstoffgehalt in einer verkorkten Flasche ist relativ schnell aufgebraucht und beeinträchtig den Geschmack des Weines nicht. Wird der Korken jedoch brüchig und gelangt weiterer Sauerstoff in die Flasche, so wird Wein allmählich sauer: Der enthaltene Alkohol (Ethanol) oxidiert in einer so genannten enzymatischen Oxidation mit Hilfe der Bakterien zu Essigsäure.
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Essigsäure genau bestimmbar
Nach Angaben der Chemiker zeigt ein NRM-Scan deutliche Werte für bestimmte Inhaltsstoffe des Weines an: Die enthaltene Menge an Wasser, Ethanol (Alkohol) sowie Essigsäure soll sich damit genau bestimmen lassen.

So sei es möglich, schon ein Zehntel der Menge an Essigsäure auszumachen, ab der eine Flasche Wein als ungenießbar gilt.
Kernspinresonanz zeigt Gehalt an Atomen
Grundlage der chemischen Weinanalyse ist die Technik der Kernspinresonanz bzw. Kernspinresonanz-Spektroskopie: Sie macht sich zu Nutze, dass verschiedene Atomkerne sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit um die eigene Achse drehen (Kernspin).

Dadurch wird - senkrecht zur Bewegung - ein atomares Magnetfeld erzeugt, dass sich in einem starken Magnetfeld ausrichten lässt. Durch Radiowellen kann die Richtung dieser Magnete kurzfristigt aus dem Gleichgewicht gebracht werden.

Eine spektrale Darstellung macht schließlich die Messwerte deutlich: Anhand der Höhe und Breite der bei der Untersuchung gewonnenen Zacken kann man Abschätzen, in welchem Umfang die untersuchten Atome in der einen oder anderen chemischen Vebindung vorliegen.
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Genaueres zur Kernspinresonanz-Spektroskopie
Die Kernresonanzspektroskopie, auch als NMR-Spektroskopie bezeichnet, ist ein Verfahren, das zur Strukturaufklärung von chemischen Verbindungen herangezogen wird. Das Kürzel "NMR" leitet sich vom englischen "nuclear magnetic resonance" ab. Die Grundlage der NMR-Spektroskopie bildet die Tatsache, dass die Kerne einiger Atomarten innerhalb eines Moleküls um eine Achse rotieren (d.h. einen "Spin" besitzen).

Da eine zirkulierende elektrische Ladung ein magnetisches Feld erzeugt, besitzt jeder rotierende Kern auch ein magnetisches Moment. Wenn diese Kerne in ein äußeres magnetisches Feld gebracht werden, richten sie sich so aus, dass sie eine bestimmte Orientierung einnehmen, wie etwa eine magnetische Kompassnadel im Magnetfeld der Erde. Aufgrund der Darstellung dieses Orientierungsmusters kann man auf die atomaren Bestandteile bzw. die Struktur eines gegebenen Stoffes schließen.
->   Mehr Informationen zu NMR
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Cabernet Sauvignon im Test
Getestet wurde die Methode bereits: an alten Flaschen mit Cabernet Sauvignon - Wein aus der Sammlung des Department of Viticulture and Enology der Universität - die zwischen 50 und 20 Jahre alt sind.

Demnach waren Weine von 1950, 1960 und 1968 nicht mehr trinkbar, während beispielsweise Flaschen aus den Jahren 1956, 1970 und 1977 durchaus noch trinkbare Weine enthalten.
Auch Aussagen über den Geschmack?
Die Chemiker haben ihre Methode bereits zum Patent angemeldet. Nützlich sein soll sie vor allem für Auktionshäuser und Händler, die sich auf den Kauf und Verkauf teuren alten Weines spezialisiert haben.

Darüber hinaus - so meinen die Wissenschaftler - lässt sich das Verfahren auch verwenden, um andere Inhaltsstoffe des Weines zu bestimmen. Auf diese Weise ließen sich auch Rückschlüsse auf Geschmack und Qualität des Rebensaftes ziehen.
->   Matthew P. Augustine, Homepage
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01.01.2010