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"Hochwasserbilanz" in der Tierwelt  
  Nach den Überschwemmungen fällt die "Hochwasserbilanz" für die Tierwelt zwiespältig aus - dann das Hochwasser kennt im Tierreich Verlierer und Gewinner. Für Wild, das nicht rechtzeitig flüchten kann, ist es eine tödliche Bedrohung, für natürliche Biotope wie die Donauauen sind Überschwemmungen aber auch regelmäßige Lebensspender.  
Noch müsse man abwarten, genaue Schätzungen über tote Tiere könne man nicht abgeben, erklärt Alois Gansterer, Referent beim Niederösterreichischen Landesjagdverband: "Wir starten gerade eine Umfrage unter Jägern, konkrete Ergebnisse wird es im September geben."
Wild: Unterschiedlich stark betroffen
Doch könne man, so Gansterer, davon ausgehen, dass das Wild unterschiedlich stark betroffen sei: Einerseits ist damit zu rechnen, dass vor allem Niederwild - kleinere Tiere wie Hasen und Fasane - gelitten haben, andererseits standorttreue Tiere wie Rehe.
Hochwasser als natürlicher Prozess
Wesentlich ist die Frage, ob Wildtiere, wenn das Wasser steigt, auswechseln können oder ob sie gleichsam gefangen sind: "Im Kamptal wird ein großer Teil des Wildes geflüchtet sein. Entlang der Donau, wo die Autobahn mit ihren Zäunen eine Barriere bildet, können die Tiere nicht entkommen."

Man müsse hier, meint Gansterer, eine Langzeitstrategie entwickeln, die an solchen Stellen dem Wild Fluchtmöglichkeiten verschaffe. Insgesamt jedoch, so der Landesjäger Gansterer, sei Hochwasser für die Natur einfach ein natürlicher Prozess.
Experte: "Bestände erholen sich schnell"
Ein Urteil, das auch Klaus Hackländer, Wildtierbiologe an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, teilt: "Die direkten Folgen des Hochwassers mögen fatal sein, aber die Bestände erholen sich schnell."
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Beispiel: Steigende Geburtenrate bei Rehen
Tiere wandern in die "entvölkerten" Bereiche wieder nach, und die Geburtenrate wird gesteigert: Rehe etwa haben dann zwei Kitze statt einem. Gerade bei Hasen könnten zwar Jungtiere vielfach ertrunken sein, aber ältere Tiere haben überlebt. "Ein harter Winter ist im Normalfall viel schlimmer, denn da sind Jung- und Alttiere gleichermaßen betroffen", so Hackländer.
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Gefährliche Häufung
Gefährlich für den Tierbestand sei es aber, wenn sich Katastrophenereignisse summieren: "Folgt auf einen extrem nassen Sommer ein Hochwasser, kommt dann noch eine Epidemie dazu, bricht eine Population schnell zusammen", so der Wildtierbiologe.
Die Gewinner der Überflutung
Außerdem gebe es bei Überflutungen auch Gewinner: "Durchziehende Watvögel wie Kampfläufer, Kiebitze und Uferläufer brauchen solche Biotope. Enten, die gerne grundeln, auch. Und Aasfresser wie Füchse, Marder, Krähen und Schwarzmilane kommen sowieso auf ihre Kosten.

"Der Seeadler hat jetzt einen reich gedeckten Tisch", bestätigt Greifvogelspezialist Hans Frey. Langfristig könne es zwar zu einer Nahrungsverknappung kommen, aber die meisten Greifvogelarten seien so mobil, dass sie davon kaum betroffen wären.
Fische am stärksten betroffen
"Die Graureiher dürfte es gefreut haben, dass Tausende toter Fische auf der Wiese lagen", meint auch Roland Heuberger vom Verband Österreichischer Arbeiter-Fischerei-Vereine.

Die Fische hat das Hochwasser wahrscheinlich am härtesten erwischt: "Allein in der Neuen Donau sind Zehntausende Zander verendet, der ganze heurige Jahrgang."

Auch dürfte viel an natürlicher Fischnahrung durch Umwälzungen weggeschwemmt worden seien: "Wenn wir einen trockenen Herbst haben, genügt das Futter, wenn nicht, werden wir im Winter weitere Ausfälle haben."
Hauptproblem: Verbauung der Flüsse
Hauptproblem ist, dass Flüsse durch die Verbauung in ein enges Korsett gezwängt werden: Bei Hochwasser steigert sich die Fließgeschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde auf das Vierfache.

Damit Fische nicht mitgerissen werden, suchen sie Einstände, ruhige Plätze in den Uferregionen, die sie wegen der Verbauung aber nicht finden. Steigt das Wasser weiter, werden sie über die Dämme gespült, können aber, nachdem der Wasserspiegel gesunken ist, nicht mehr zurück.
Donauauen: 80 Prozent der Rehe tot
"Die Reiher in den Donauauen suchen fleißig Fische, auch für die Wildschweine ist Fisch ein Festtagsschmaus", erzählt Nationalparkförster Thomas Neumair. Das Hochwasser habe schlechte Schwimmer wie Igel und Mäuse fürchterlich getroffen, auch seien 80 Prozent der Rehe im Nationalpark tot, aber der Bestand werde sich erholen.

Außerdem, so Neumair: "Die Überschwemmungen sind für die Donauauen überlebensnotwendig, so wird neuer Lebensraum geschaffen." Ein Urteil, das Nationalparkdirektor Carl Manzano bestätigt: "Ein Hochwasser ist eine Katastrophe, aber die Au ist daran angepasst, so bleibt sie ein junges Ökosystem."
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Veränderungen zu früher feststellbar
Dennoch könne er Veränderungen feststellen: "Das Hochwasser kommt heute schneller als früher und zieht sich auch schneller zurück." Das seien Folgen der Flussverbauung, die sich fatal auswirken: Deswegen können sich Fische nicht mehr rechtzeitig zurückziehen. Auch würden die Schlammablagerungen stärker, das Land werde höher. "Wir müssen die Altarme dynamisieren, so dass die Erosion dem entgegenwirken kann", erklärt Manzano.
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Thayatal: Nahrungsproblem für Störche
Betroffen war auch der Nationalpark Thayatal: Hier schwoll der Fluss von 1,20 auf 4,50 Meter an. "Fünf Hängebrücken des grenzüberschreitenden Radwegs wurden weggerissen", berichtet Biologe Christian Übl. Ein Schlangenbiotop mit Äskulap- und Würfelnattern in Ufernähe sei "abgesoffen".

Nistende Schwarzstörche haben nun ein Nahrungsproblem, weil sie im hohen Wasser nicht stehen und in der "braunen Suppe" keine Fische finden können. Andererseits, so Übl, gebe es auch Positives: An der Thaya gibt es plötzlich jene Schotterbänke, die die Bachforellen zum Ablaichen brauchen.

Jürgen Hatzenbichler, Universum Magazin
Eine Zusammenfassung der Folgen des Hochwassers in Österreich und weltweit sowie eine Bestandsaufnahme zum Klimaprogramm des Umweltgipfels in Johannesburg lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Universum Magazins.
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01.01.2010