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"Rauch-Alarm": Fünf Millionen Tabak-Tote pro Jahr  
  Der Tabakkonsum fordert weltweit jährlich bereits fünf Millionen Tote. Dabei können gezielte Anti-Zigaretten-Strategien eine erhebliche Wirkung haben. Länder wie Österreich und Deutschland haben hier allerdings einen erheblichen Aufholbedarf, wie WHO-Experte Derek Yach am Dienstag bei der 8. zentraleuropäischen Lungenkrebs-Konferenz in Wien erklärte. Und noch immer gibt es keine umfassend erfolgreichen Behandlungsmöglichkeiten - neue Therapieansätze soll nun die Molekularbiologie bringen.  
Derek Yach ist Chef der Abteilung für nicht ansteckende Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sein Resümee: Während die Onkologen in den vergangenen Jahren trotz aller Anstrengungen bestenfalls kleine Fortschritte in der Behandlung von Lungenkarzinomen gemacht haben, wird die beste Gegenstrategie oft ignoriert: Programme zur Reduzierung des Tabakkonsums.
Rauchen - "Eine massive Epidemie"
"Wir haben es mit einer massiven Epidemie zu tun. Der Tabak ist der größte Risikofaktor für den Tod in den entwickelten Ländern. Er fordert pro Jahr fast fünf Millionen Todesopfer, die meisten davon entfallen allerdings auf die dadurch bedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen", so Yach.

Doch der Lungenkrebs ist im Grunde der gefährlichste Killer unter den bösartigen Erkrankungen. In den vergangenen 15 Jahren habe man keinen großen Fortschritt in der Behandlung von Lungenkrebs gesehen, meint der WHO-Experte. Es müsse darum gehen, das Rauchen zu verhindern.
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90 Prozent aller Fälle durch Rauchen
Die Zahlen geben ihm Recht: Mindestens 90 Prozent aller Lungenkarzinom-Erkrankungen werden nach Expertenansicht durch den Tabakkonsum verursacht. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit Lungenkrebs beträgt weiterhin nicht mehr als etwa zehn Prozent.
->   Mehr dazu in science.ORF.at
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Beispiel Nordkarelien in Finnland
Als Vorbild nennt Yach ein Programm in der finnischen Region Nordkarelien - mit intensiven Informationskampagnen gegen das Rauchen etc. habe man dort die Lungenkrebs-Sterberate binnen 25 Jahren um 71 Prozent reduziert. "In ganz Finnland war es eine Verringerung um 60 Prozent. (Zeitraum 1969 bis 1995, Anm.). Es ist die Tabakindustrie, die Tod und Zerstörung anrichtet."

Während sich beispielsweise in Staaten wie den USA, Großbritannien und in den skandinavischen Ländern die positiven Auswirkungen von Tabak-Werbeverboten, Preiserhöhungen für Zigaretten etc. bereits längst bemerkbar gemacht haben, hinken andere Staaten weit nach. "Österreich und Deutschland sind zum Beispiel weit abgeschlagen, was die Entwicklung solcher Strategien anlangt", so der WHO-Experte.
Molekularbiologie: Neue Chancen gegen Lungenkrebs?
Nur rund zehn Prozent der Lungenkrebs-Patienten leben mehr als fünf Jahre nach der Diagnose. Nach vielen Jahren nur relativ geringer Fortschritte in der Therapie könnte die Molekularbiologie allerdings einen Umschwung dieser tristen Situation bringen. Das ist das Fazit des US-Experten John Minna, der am Dienstag bei der Lungenkrebs-Konferenz in der Wiener Hofburg sprach.

"Lungenkarzinome sind durch eine Reihe von genetischen und epigenetischen Veränderungen charakterisiert. Die Zahl der wichtigsten dürfte bei etwas mehr als 20 liegen", sagte Minna, seit Jahren an der medizinischen Fakultät der University of Texas (Dallas) tätig.
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Epigenetische Veränderungen
Bei den genetischen Veränderungen handelt es sich um Mutationen, unter epigenetischen Faktoren verstehen die Experten eine Änderung in der Aktivierung von Erbgutfaktoren.
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Wenige Faktoren gegen das Tumorwachstum
Wie der US-Experte erläutert, müssen "wahrscheinlich" nur einige wenige dieser Faktoren beeinflusst werden, um das Wachstum der bösartigen Zellen zu blockieren bzw. diese in den Selbstmord zu treiben. "Daraus können sich aber auch Möglichkeiten ergeben, die vom Lungenkrebs am meisten gefährdeten Personen zu entdecken bzw. eine Prophylaxe mit Medikamenten durchzuführen."

In der Wissenschaft sind solche Untersuchungen bereits möglich. Die US-Forscher haben beispielsweise bei Patienten die in Lungenkarzinom-Zellen vorhandenen Veränderungen durch einen Vergleich von gesundem zu kranken Gewebe an Hand von 45.000 Genen sichtbar gemacht.
Möglichkeiten durch Tumor-Supressor-Gene
Für die Entstehung von Karzinomen sind sowohl wachstumsfördernde Faktoren als auch Mechanismen verantwortlich, welche natürliche Schutzfunktionen unterdrücken. Letzteres untersucht Minna mit seinem Team mit einer ganz neuen Methode: "Wir schalten eines dieser Tumor-Suppressor-Gene nach dem anderen gezielt aus und schauen dann, was passiert."

Mit diesen Techniken sollen schon bald die für das Lungenkarzinom wichtigsten Überlebensfaktoren identifiziert sein. Das ist die Voraussetzung für die Entwicklung spezifischer Therapien. Mit der Substanz 5-aza-2 Deoxycytidine wird zum Beispiel bereits ein mögliches Medikament getestet, das in Lungenkarzinom-Zellen vorhandene epigenetische Veränderungen wieder rückgängig macht.
Substanz gegen Teilung der Krebszellen
In nächster Zukunft den größten Fortschritt in der Behandlung von Lungenkrebs aber könnte die Substanz ZD1839 ("Iressa", AstraZeneca) bringen. Es handelt sich dabei um ein Molekül, das - ähnlich wie "Glivec" bei Leukämie-Zellen - ganz spezifisch ein Enzym (Tyrosin-Kinase) blockiert. Es fördert die ständige Teilung der Krebszellen.

Laut dem französischen Onkologen Thierry Le Chevalier (Villejuif) zeigte sich in einer klinischen Studie noch bei rund 20 Prozent von Lungenkrebspatienten eine Wirkung, bei denen die herkömmlichen Chemotherapien zum größten Teil fehlgeschlagen waren.
->   Weltgesundheitsorganisation (WHO)
->   Krebsforschungszentrum der University of Texas (Dallas)
->   Mehr zum Thema Lungenkrebs in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010