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Neue Einblick in die atomare Natur der Reibung  
  Das Phänomen der Reibung ist hinlänglich aus Alltagssituationen wie etwa dem Verrücken eines Möbelstücks bekannt. Auf mikroskopischer Ebene war es bislang allerdings nicht möglich, die Grundlage dieses Effekts - die Reibung zwischen einzelnen Atomen - zu messen. Physikern ist genau dies nun im Experiment gelungen. Neben detaillierteren Studien der Reibung soll damit auch ein besseres Verständnis der Bindungsverhältnisse von Oberflächenatomen ermöglicht werden - ein vor allem in der Nanotechnologie wichtiger Forschungsbereich.  
Die Wissenschaftler vom Institut für Experimentalphysik der Universität Augsburg haben sich für ihre Forschungen eine neue rasterkraftmikroskopische Technik zu Nutze gemacht. Über ihre Ergebnisse berichten sie in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).
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"Friction traced to the single atom"
Der Artikel "Friction traced to the single atom" von Franz J. Gießibl, Markus Herz, and Jochen Mannhart ist als Online-Publikation in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen und wird in einer der kommenden Print-Ausgaben des Fachmagazins publiziert.
->   Abstract in den PNAS
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Reibung - mikroskopisch betrachtet ein Rätsel
Reibung ist ein Alltagsphänomen: Schiebt man einen Stuhl über den Fußboden, muss man dazu Energie aufwenden. Auf mikroskopischer Skala betrachtet ist dies ein Rätsel, denn die Kräfte zwischen den Bestandteilen des Stuhls und des Fußbodens, zwischen den einzelnen Atomen also, nennen Physiker konservativ.

"Konservativ" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man die Energie, die man aufwenden muss, wenn man zwei aneinander gebundene Atome auseinander zieht, zurück bekommt, wenn man deren Abstand wieder verringert.

In anderen Worten: Das würde heißen, dass man den Stuhl zuerst zwar anschieben muss, um ihn zu verschieben - dass er dann aber, wenn er einmal angeschoben ist, eigentlich ungebremst weiterrutschen müsste.
Atomare Reibung: 1929 erstmals beschrieben
Weshalb dies nicht so ist - den Mechanismus also, aus dem sich atomare Reibung ergibt - hat der britische Physiker G. A. Tomlinson bereits im Jahr 1929 beschrieben, als das "gegenseitige Anzupfen einzelner Oberflächenatome", wenn diese durch laterale Kräfte ausgelenkt werden und wieder in ihre Ruhelagen "zurückschnalzen".

Reibung ist die dabei entstehende so genannte "Energiedissipation": der durch die Umwandlung der aufgewandten Energie in Wärme verursachte Verlust an mechanisch nutzbarer Energie.
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Reibung und Reibungskraft
Reibung entsteht dadurch, dass ein Körper einen anderen berührt. Der Abstand zwischen den Flächen der beiden Körper ist so gering, dass Molekularkräfte wirksam werden können. Diese Molekularkräfte zwischen den Körpern - die Reibungskräfte- müssen überwunden werden.
->   Mehr zu Tomlinson und zur Reibung
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Beispiel Gitarre: Energie als Schall
Diesen Mechanismus kann man in der Makrowelt nachbilden: Spannt man die Saite einer Gitarre, so muss man dazu über die Wegstrecke der Saitenauslenkung eine Kraft ausüben und damit Energie aufwenden.

Wenn man die Saite langsam zurückbewegt, bleibt die gespeicherte Energie mechanisch nutzbar - man könnte zum Beispiel ein Gewicht damit hochheben. Falls die Saite beim Spannen aber entwischt, ist die aufgewandte Energie nicht mehr mechanisch nutzbar - sie wird als Schall abgestrahlt und letztlich in Wärme verwandelt.
Atomare Reibung experimentell nachgewiesen
Die Messungen der Augsburger Physiker sind nun der erste experimentelle Nachweis dieses vor gut 70 Jahren erstmals beschriebenen Mechanismus, der atomare Reibung verursacht.

Mit Experimenten an einem neuartigen Rasterkraftmikroskop ist es den Wissenschaftlern um Franz J. Gießibl gelungen zu zeigen, dass der Energieverlust und damit die Reibung dann auftritt, wenn zwei Atome so weit auseinandergezogen werden, dass deren maximale Haftkraft überschritten wird.
Atome springen zurück
Die Atome "schnalzen" dann in ihre Ausgangslage zurück, wo sie mit einer Frequenz von Tera-Hertz (1.000.000.000.000 Schwingungen pro Sekunde) schwingen und die gespeicherte Energie in Form von Wärme an ihre Umgebung abgeben. Dieser so genannte "Tomlinson"-Mechanismus ist der wesentliche für Reibung verantwortliche Effekt.
Frequenzmodulations-Lateralkraftmikroskopie ...
Illustration: Alexander Herrnberger
Die Physiker benutzen eine besondere Technik, um die Reibungskraft zwischen einer Wolframspitze und einer Siliziumoberfläche zu messen: die Frequenzmodulations-Lateralkraftmikroskopie, eine spezielle Variante der Rasterkraftmikroskopie.

Die Rasterkraftmikroskopie nutzt stets einen empfindlichen Federbalken mit einer atomar scharfen Spitze, um die Kräfte zwischen dem Spitzenatom und einer Oberfläche zu messen.

Bei der Frequenzmodulations-Lateralkraftmikroskopie wird die Spitze, die mit konstanter Amplitude parallel zu einer Oberfläche schwingt, über diese Oberfläche gerastert. Der Reibungsverlust zwischen Spitzen- und Probenatom entspricht der einfach zu messenden Energie, die zur Aufrechterhaltung einer konstanten Amplitude nötig ist.
->   PNAS
->   Insitut für Physik der Universität Augsburg
 
 
 
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01.01.2010