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Anti-Terror-Krieg: Ein Versuch nach Hannah Arendt  
  Nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 rief US-Präsident George Bush den "war on terrorism" aus. Aber wäre eine gewaltfreie Lösung dieses Konfliktes überhaupt möglich? Das fragt sich die Philosophieprofessorin Bat-Ami Bar On in einem aktuellen "Eurozine"-Artikel. Um zu ihrer - negativen - Antwort zu kommen, beruft sie sich auf Hannah Arendt, die sich schon in den 60er Jahren mit Terror und Totalitarismus beschäftigte.  
Alte und neue Kriege
Zunächst bezieht sich Bat-Ami Bar On auf Mary Kaldors "New & Old Wars", um die Veränderungen von "alten" zu "neuen" Kriegen zu erklären. Konnte bei "alten" Kriegen noch relativ problemlos zwischen ziviler Bevölkerung und Militär, zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Aktivitäten unterschieden werden, so verschwimmen heute diese Grenzen: Armeen werden privatisiert, Zivilisten sind Ziel von Attacken.
"War on terror" zum Scheitern verurteilt?
Den Krieg, den die Bush-Regierung dem weltweiten Terrorismus erklärt hat, erkennt Kaldor in seiner Struktur als "alten" Krieg und verurteilt ihn zum Scheitern, denn ein Sieg im klassischen Sinn, herbeigeführt durch reine Waffengewalt, sei in diesem Fall nicht möglich. Stattdessen müsse das Ziel die Legitimierung einer globalen Demokratie und für soziale Gerechtigkeit sein.
->   Mehr über die Theorie von Mary Kaldor
Wiedervereinigung von Gewalt und Politik
Um diese These zu untermauern, beruft sich Bat-Ami Bar On auf Hannah Arendts Werk "On Violence" aus den späten 60er Jahren, in dem Arendt generelle Überlegungen zu Gewalt in der Politik anstellte.

Wurde in der griechischen Polis Gewalt zur Machterlangung als präpolitisch verurteilt, so erlebt die moderne westliche Welt laut Arendt die Wiedervereinigung von Gewalt und Politik.
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"An Arendtean Scaffold for Thinking About Terrorism"
Den ursprünglich in "Ord&Bild" erschienene Artikel "An Arendtean Scaffold for Thinking About Terrorism" finden Sie auf Schwedisch und Englisch in "Eurozine". Die Originalsprache des Textes ist Englisch.
->   Der Artikel in Eurozine
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Terror untergräbt Vielfalt und Individualität
Antisemitismus, Imperialismus und Totalitarismus verstand sie als Beweis dafür, dass neue politische Prinzipien benötigt werden, um die Würde des Individuums zu bewahren. Besonders Totalitarismus und totalitärer, gewaltbereiter Terror stellten ihrer Meinung nach die größte Bedrohung dar.

Arendt charakterisiert diesen totalitären Terror dadurch, dass er Vielfalt und Individualität untergräbt, und hier sieht Bar On eine Parallele zum Terror des 11. Septembers.
Auch militärische Gewalt nötig
Bar On ist überzeugt davon, dass Hannah Arendt bezüglich der Anschläge auf das World Trade Center zu einer kriegerischen Antwort geraten hätte, da Gewalt nicht nur mit Gesprächen gestoppt werden könne.

Sie hätte laut Bar On allerdings auch zu mehr diplomatischen Gesprächen aufgerufen, um eine Lösung zu finden. Solche diplomatischen, "Arendt'schen" Lösungsansätze gäbe es heute. Aber um totalitärem Terror zu begegnen, würde auch in Zukunft militärische Gewalt unumgänglich sein.
->   Mehr über Hannah Arendt
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Bat-Ami Bar On
Bat-Ami Bar On ist außerordentliche Professorin für Philosophie und Frauenforschung an der State University of New York in Binghamton. Ihr theoretisches und aktivistisches Spezialgebiet ist Gewalt. Sie unterrichtet Sozio-Politische Theorie, Feministische Theorie (ethische Politik und Jurisprudenz), Ethik (Theorie und öffentliche Politik), und Critical Jewish Studies. Sie ist die Verfasserin zahlreicher Bücher und Artikel, unter anderem Daring to be Good: Essays in Feminist Ethico-Politics (NY: Routledge, 1998) and Women and Violence : a special issue of Hypatia: A Journal of Feminist Philosophy(Fall 1996).
->   Bat-Ami Bar On an der Universität Binghamton
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01.01.2010