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Intensivstation: Brutstätte für Antibiotika-Resistenz  
  In den Intensivstationen nimmt die Zahl der wirksamen Antibiotika deutlich ab', so Julie Gerberding vom Zentrum für Krankheitskontrolle und Vorsorge in Atlanta beim Kongress der amerikanischen Gesellschaft für Intensivmedizin (SCCM) in San Franscisco.  
''Durch den breitbandigen Einsatz der Substanzen und mangelhaftes Hygieneverhalten von medizinischem Personal sind gerade Intensivstationen zu versteckten Fabriken für Antibiotika-Resistenzen geworden'', ergänzt Jean M. Carlet von der St. Joseph-Klinik in Paris.
Drei Kernpukte zur Verbesserung
Die beiden Fachleute leiten ein Expertengremium, das Wege aus der Sackgasse der Antibiotika-Resistenzen sucht. Die Kernpunkte: Prävention von Infektionen etwa durch Impfungen, gezielterer Einsatz der Substanzen und verbessertes Hygieneverhalten von Ärzten, Schwestern und Pflegern.
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Weltweit stark zugenommen
Antibiotika-Resistenzen haben in den vergangenen Jahren weltweit stark zugenommen. Immer mehr Mittel wirken nicht mehr, neue müssen gefunden werden, deren ''Lebenszyklen'' aber immer kürzer werden. Derzeit sind den Medizinern zufolge in Teilen Europas, vor allem in Frankreich und Spanien, bereits 40 Prozent der Streptococcus pneumoniae-Bakterien - sie verursachen Lungenentzüdung - gegen Penicillin resistent. Weltweit wirkt Penicillin bereits auf 95 Prozent der Staphylokokken nicht mehr, beim dem Antiobiotikum Methicillin z. B. liegt der Wert bei rund 40 Prozent.
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''Wenn das so weitergeht, fallen wir in die Situation der 'vor-antibiotischen' Zeit zurück'', meint Gerberding. Das wäre für Millionen Menschen fatal, denn die Substanzen helfen schwerste Infektionen von Lungen- bis zur Gehirnhautentzündung zu bekämpfen.
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Resistenzen ungleich verteilt
Die Daten zeigen, dass in verschiedenen Ländern sehr unterschiedliche Niveaus an Antibiotika-Resistenzen bestehen. Gegen Staphylococcus aureus, einem weit verbreitetem Erreger diverser Infektionen, wurden beispielsweise in der Schweiz, den Niederlanden und Schweden so gut wie keine Resistenzen registriert, währen in Italien bereits 34 Prozent der Erreger "immun" sind. In Österreich liegt der Wert laut Carlet bei 22 Prozent. Noch bedrohlicher ist die Lage in Intensivstationen: Dort sind in Italien 80 Prozent der Staphylococcus aureus-Erreger resistent, in Griechenland und Frankreich 78 Prozent.
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Weniger ist mehr
Die großen Unterschiede sind aber auch Ansatz für Methoden zur Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen, wie sie Gerberding und Carlet in ihrer Arbeitsgruppe entwickelt haben: Zuerst müssten möglichst viele Infektionen durch Prävention - etwa bessere Durchimpfungsraten - vermieden werden. Aber auch der Einsatz von Kathetern im Spital sollte radikal verringert werden, weil diese sehr häufig zu Infektionen führen.

Vor allem aber müsse der Einsatz von Antibiotika sehr viel gezielter als bisher erfolgen. Derzeit werden die Medikamente oft auch im Fall von Verkühlungen "zur Sicherheit" verschrieben. Zu oft werden Breitband-Antibiotika eingesetzt.
Problemzone Intensivstation
Dass die Antibiotika nicht mehr wirken, ist ein globales Problem. Von besonderer Brisanz ist dies aber in Intensivstationen. Dort befinden sich ohnedies schwer geschwächte Patienten, gleichzeitig gibt es eine hohe Dichte an Erregern sowie einen forcierten Einsatz von Antibiotika - und unzählige Wege der Übertragung, vor allem durch den ständigen Kontakt des medizinischen Personals mit verschiedensten Patienten.

Laut einer US-Studie werden 40 Prozent der Infektionen von Patienten in Intensivstationen vom medizinischen Personal übertragen. Gerberding zitierte eine weitere Untersuchung aus dem Jahr 1999, wonach pro Jahr mehr als 2,2 Millionen US-Bürger so genannte Spitalsinfektionen abbekommen.
->   Society of Critical Care Medicine Homepage
->   Amerikanische Gesellschaft für Intensivmedizin
 
 
 
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01.01.2010