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Wenn Menschen ewig lebten  
  Wären Menschen körperlich so gebaut, dass sie hundert und mehr Jahre alt würden ohne unter einer der vielen Gebrechen oder Wehwehchen zu leiden, die alte Menschen gemeinhin heimsuchen, sähen sie wahrscheinlich aus wie kurze, gedrungene Gnome.  
So zumindest vermuten die Forschergruppe um S. Jay Olshansky von der University of Illinois in Chicago, nachzulesen in einem Artikel in der Märzausgabe des Scientific American.
Gerade alt genug werden
Unsere Körper haben sich evolutionsbiologisch so entwickelt, dass sie physisch gerade lang genug durchhalten, bis die Nachkommenschaft geboren und aufgezogen ist, meint der Professor für Biostatistik Olshansky. Allein durch den Erfindungsgeist des Menschen sind wir inzwischen in der Lage, weit über unsere reproduktiven Jahre hinaus zu leben.

"Wären unsere Körper dazu bestimmt älter zu werden, wären sie weniger mit Mängeln behaftet und würden uns im Alter weniger Schwierigkeiten bereiten", schreibt er. "Doch so funktioniert die Evolution nicht. Vielmehr schustert sie neue Merkmale zusammen, indem sie mit den schon vorhandenen auf eine Art und Weise herumspielt, auf die jeder Erfinder stolz sein könnte."
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In dem Artikel werden die "Fehler" skizziert, die zu körperlichen Dysfunktionen im Alter führen, sowie die hypothetischen evolutionären Bedingungen eines Körper-Designs, welches es uns erlauben würde, uns weit über die reproduktiven Jahre hinaus bester Gesundheit zu erfreuen.
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Samen der Zerstörung
"Die Menschen heute können recht lange ein mehr oder weniger gesundes Leben führen, weil die rauen Bedingungen, mit denen es unsere Vorfahren zu tun hatten, zu einem recht robusten Körperbau geführt haben", meint Bruce Carnes vom National Opinion Research Center der University of Chicago, einer der Autoren.

"Doch der Samen der Zerstörung, der mit der Empfängnis schon gesetzt ist, wird im Laufe der Zeit immer offensichtlicher.
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Wie Menschen gebaut wären für ein ewiges Leben
Wären wir für ein langes Leben in voller Gesundheit geschaffen, wären unsere Augen wahrscheinlich anders aufgehängt. Wir hätten größere und vor allem bewegliche Ohren und einen gebogenen Hals. Unser Oberkörper wäre leicht nach vorne geneigt und unsere Gelenke wären extra gepolstert. Die Knochen und Muskeln wären insgesamt größer und stärker, die Gliedmaßen insgesamt etwas kürzer. Und unsere Knie könnten wir nach hinten knicken.
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Der aufrechte Gang und seine Folgen
Der aufrechte Gang des Menschen trug vermutlich zur Entwicklung seiner Intelligenz bei. Wie auch zur Erweiterung seines Jagdreviers, meinen die Autoren. Doch alles um den Preis der altersbedingten Wehwehchen wie Bandscheibenvorfall, Rückenschmerzen, Krampfadern und abgenutzter Gelenke.

Was unseren Kopf betrifft, so weisen die Autoren auf die schwache Verbindung zwischen dem Sehnerv und der Retina hin, die prädestiniert dafür sei, nach vielen Gebrauchsjahren sich abzulösen.

Die zarten Härchen in unseren Ohren führen bald zu einem Verlust des Hörvermögens. Und der allgemeine Durchgang für Nahrung und Luft vergrößert das Risiko, mit zunehmendem Alter und schwindendem Muskeltonus, Nahrung oder Trank zu inhalieren.
Die Klempnerprobleme
Dann gibt es noch das, was die Autoren als "Klempnerprobleme" bezeichnen. Bei Männern ist das der Harnleiter, der sich aufgrund einer Prostatavergrößerung verengt, wobei der Urinfluss behindert wird.

Bei Frauen sind das die Blase, die Beckenbodenmuskulatur und die Bänder, die im Laufe der Zeit und nach mehreren Schwangerschaften schwächer werden und zu Inkontinenz führen können.
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Olshansky und seine Kollegen arbeiten auf einem Gebiet, das im Englischen "Biodemography" genannt wird. Die Frage nach dem Altern des Menschen bzw. nach seiner Langlebigkeit gehen die Forscher unter Zuhilfenahmen verschiedener Disziplinen nach: der Demographe, der Epidemiologie, der Evolutionsbiologie, der Molekularbiologie und der Anthropologie.
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"Trotz der Einschränkungen und Fehlerchen, über die wir schreiben, haben wir als Individuen eine große Kraft, bei guter Gesundheit zu bleiben", versucht Butler die positive Botschaft des Artikels rüberzubringen. "Durch unsere guten Gewohnheiten in bezug auf Gesundheitsvorsorge sowie die Möglichkeiten der modernen Medizin, können wir die Grenzen des Möglichen bis zum Anschlag ausschöpfen, um mit dem griechischen Philosophen Pindar zu sprechen."
->   Scientific American
->   National Opinion Research Center der University of Chicago
->   Mehr zu "Biodemography" der University of Chicago
 
 
 
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01.01.2010