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Kunststoff mit gutem Gedächtnis  
  "Formgedächtnismetalle" gewannen in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung. Nun haben Forscher ein Pendant auf Kunststoffbasis entwickelt, das den Metallen weit überlegen ist.  
Das Polymer, das nun von Andreas Lendlein vom Institut for Technische und Makromolekulare Chemie an der Rheinisch Westfälischen Technisch Hochschule (RWTH) und seinen Kollegen vorgestellt wurde, ist nicht nur billiger, auch sein Gedächtnis ist dem der Metalle weit überlegen.

Wie die jüngste Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences berichtet, besteht der neuartige Kunststoff aus den beiden Substanzen Oligo(epsilon-caprolacton)dimethacrylat und n-Butylacrylat. Er soll über ein Erinnerungsvermögen verfügen, das jenes der bekannten Metalle mit Formgedächtnis bei weitem übersteigt.
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Formgedächtnis
Formgedächtnis-Metalle (Memory-Metalle) sind mit einem Gummiband vergleichbar, da sie ohne bleibende Verformung stark gedehnt werden können. Wird eine Feder aus Memory-Metall gestreckt, nimmt das Kristallgitter eine andere Form an, wird aber nicht zerstört. Sobald die Feder auf eine bestimmte Temperatur erwärmt wird, nehmen die Atome im Kristallgitter ihre ursprüngliche Anordnung wieder ein. Die Feder zieht sich zusammen, sie "erinnert sich" also an die Form, die sie vor der Streckung hatte.
->   Mehr zu Metallen mit Formgedächtnis
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Jenseits einer bestimmten Temperatur dauert es kaum 45 Sekunden, und der spiralförmig gewundene Plastikstrang streckt sich in seine vorprogrammierte gerade Form (siehe Bilder). Nach Angaben von Lendlein, der auch am Deutsches Wollforschungsinstitut arbeitet, "erinnert" sich der neuartige Kunststoff auch noch an seine alte Form, wenn er bis zur Unkenntlichkeit deformiert wurde.
->   Deutsches Wollforschungsinstitut
Formspeicher schon bei 70 Grad Celsius
Herkömmliche Metalllegierungen, wie sie bei Brillengestellen, in der Chirurgie und Zahnmedizin eingesetzt werden, darf man maximal zu zehn Prozent verbiegen, ansonsten kehren sie zu ihrer ursprünglichen Form nicht mehr zurück. Außerdem kommt die Herstellung von Legierungen wie Nitinol weit teurer, da sie für die Programmierung auf mehrere Hundert Grad Celsius erhitzt werden müssen.

Die Form der Polymere lässt sich hingegen bei nur 70 Grad Celsius und innerhalb von Sekunden speichern. Auch die Temperatur, bei welcher sich der Kunststoff von der einen in die andere Form verwandelt, kann genau definiert werden.

Ob 32 oder 42 Grad Celsius, die Mischung der so genannten Monomere macht den Unterschied.
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Polymere und Monomere
Das Zusammentreten von mehreren Molekülen eines Stoffs zu einer neuen Verbindung mit einer Molekularmasse, die ein ganzzahliges Vielfaches vom Ausgangsstoff (Monomer) ist, wird Polymerisation genannt, die dabei entstehenden Stoffe Polymere des Ausgangsstoffs. Die Polymerisation ist ein wichtiger Schritt bei der Herstellung vieler Kunststoffe (z.B. Styrol polymerisiert zu Polystyrol). Sehr häufig werden nicht einheitliche Stoffe, sondern Mischungen von verschiedenen Monomeren gemeinsam polymerisiert (Mischpolymerisation). Dadurch können die Eigenschaften der Kunststoffe den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden.
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Karosseriebeulen mit Fön bekämpfen?
Die Forscher wollen ihre Produkt schon bald vermarkten und neben den medizinischen Anwendungen auch andere Bereiche erschließen. So denkt Lendlein schon an Autokarosserien aus Gedächtniskunststoffen. Nach einem Rempler auf dem Parkplatz könnte dann ein normaler Föhn ausreichen, und die ganz Sache wäre vergessen.
->   Der Artikel in den "Proceedings of the National Academy of Sciences"
->   Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule
 
 
 
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01.01.2010