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Pflanzenstoffe als Ersatz für Antibiotika in der Tierzucht  
  Antibiotika als Futtermittelzusatz für Schweine, Hühner oder Rinder will die EU zukünftig generell verbieten - eine aus Verbrauchersicht grundsätzlich positive Entwicklung. Der Nachteil ist allerdings, dass in Folge bestimmte Tierkrankheiten wieder verstärkt auftreten werden. Abhilfe könnten pflanzliche Futterzusatzstoffe schaffen, die zum Teil schon seit Jahren als Phytopharmaka in der Humanmedizin Anwendung finden. An der Veterinärmedizinischen Universität Wien (VUW) wollen Wissenschaftler deren Wirkungen und Nebenwirkungen nun genauer untersuchen.  
Antibiotika werden bei Mensch und Tier gegen diverse Infektionskrankheiten eingesetzt - in der Tiermast ist es zudem gängige Praxis, Antibiotika auch im Futtermittel als Wachstumsförderer sowie zur Leistungssteigerund und Krankheitsprophylaxe zu verwenden.
Bis 2006 keine Antibiotika mehr im Futtermittel
Bis Anfang 2006 will die EU nun allerdings die letzten vier in der Tierfütterung noch zugelassenen Antibiotika endgültig verbieten - damit soll der in den vergangenen Jahren beobachteten Zunahmen von Antibiotika-Resistenzen auch beim Menschen entgegengewirkt werden.
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Keine Antibiotika in der Tiermast - keine Resistenzen?
Die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen bei Infektionserregern hat nach Meinung von Experten mit dem unkontrollierten Einsatz von Antibiotika zu tun - beispielsweise auch in der Tiermast: Nach Angaben des Europäischen Dachverbands für Tiergesundheit (FEDESA) werden jährlich etwa 35 Prozent sämtlicher in der Union verwendeten Antibiotika an Nutztiere verabreicht. Die Dosis ist so gering, dass Krankheitskeime nicht abgetötet werden. Doch Rinder, Schweine oder Geflügel nehmen um fünf bis 15 Prozent schneller zu und verbrauchen gleichzeitig weniger Futter.

Eine belgische Studie stützt diese Theorie: Seitdem die Beigabe eines mit dem Antibiotikum Vancomycin verwandten Antibiotikums im Tierfutter EU-weit untersagt wurde, sind entsprechende resistente Keime beim Menschen drastisch zurückgegangen, so das Ergebnis der belgischen Wissenschaftler.
->   Mehr dazu in science.ORF.at
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Zunahme von Tierkrankheiten befürchtet
Das Verbot der Antibiotika wird jedoch - so befürchten Experten - zu einer Zunahme bestimmter Tierkrankheiten führen, denen bislang durch die regelmäßige Gabe von Antibiotika und anderen Medikamenten im Futtermittel vorgebeugt werden sollte.

Betroffen sind etwa Geflügelzüchter: Schon jetzt sei bei Geflügel eine Zunahme von Erkrankungen der Atmungsorgane und des Magen-Darm-Traktes zu beobachten, erzählt Chlodwig Franz vom Institut für Angewandte Botanik der Veterinärmedizinischen Universität Wien gegenüber science.ORF.at.

Ähnliches, so Franz weiter, könne man bei Ferkeln beobachten. Man habe bisher versucht, mit Hilfe von Antibiotika bestimmten Erkältungskrankheiten sowie Durchfallerkrankungen vorzubeugen. Diese könnten nun - ohne eine alternative Prophylaxe - wieder verstärkt auftreten.
Ätherische Öle und Pektine als Alternative
An dieser Stelle wollen die Wissenschaftler der VUW ansetzen, mögliche Forschungsobjekte gibt es genug: Denn als so genannte Phytopharmaka werden pflanzliche Substanzen zum Teil schon seit Jahren in der Humanmedizin angewandt.

Ganz einfache Beispiele seien pflanzliche Arzneimittel wie "Echinacin" und "Kamillosan", erklärt dazu Chlodwig Franz. Und: "Es gibt bereits konkrete Anzeichen dafür, dass bestimmte ätherische Öle hier wirksam sind."

Eine andere Variante sei, dass bestimmte Pektine - natürliche Bestandteile von Pflanzen bzw. Früchten - zur Prophylaxe von Durchfallerkrankungen eingesetzt werden. Konkret wollen die VUW-Forscher beispielsweise Oregano- und Thymianöl bzw. Extrakte genauer unter die Lupe nehmen.
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Steigende Akzeptanz von pflanzlichen Arzneimitteln
Der Trend zu natürlichen Substanzen zeigt sich auch in der Tier- bzw. Heimtiermedizin - zu beobachten in der wachsenden Akzeptanz vieler Tierhalter, ihre Lieblinge mit Naturheilmitteln behandeln zu lassen: Nach Angaben der Experten von der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben mehrere Studien dazu klar gezeigt, dass die Mehrzahl der Tierhalter sowie der jüngeren Tierärzte Phytopharmaka gegenüber positv eingestellt sei.
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Noch fehlt die Grundlagenforschung
Das Problem: Zwar ist die Bereitschaft groß, statt Antibiotika pflanzliche Alternativen zu verwenden, doch bisher hat es an wissenschaftlich fundierten Untersuchungen zur Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit solcher funktioneller Pflanzenstoffe gefehlt.

Es gilt also herauszufinden, wie diese pflanzlichen Substanzen beim Tier - und letztlich auch beim Menschen - wirken: "Die Wirkung muss zum einen genau nachvollziehbar sein, zum anderen muss die Wirkung in der Nahrungskette bis hin zum Menschen untersucht werden", so der VUW-Experte Franz.
EU-Projekt: Netzwerk zur Grundlagen-Forschung
Genau diese Grundlagen wollen die Wiener Wissenschaftler nun in einem internatinalen Projekt bereitstellen - dafür haben die Forscher bereits ein eigenes Netzwerk an interessierten Forschergruppen initiiert.

Die Liste der potentiellen Teilnehmer umfasst Veterinärmediziner aus den Niederlanden und Griechenland ebenso wie pharmazeutische Institute in Triest und Pisa sowie pharmazeutische Firmen aus Deutschland und Österreich.
Forschung im 6. Rahmenprogramm
Die VUW ist einer Ausschreibung der Europäischen Kommission gefolgt, so genannte "Expressions of Interest" für das - am Montag endgültig beschlossene - 6. EU-Forschungsrahmenprogramm abzugeben. Die konkrete Ausschreibung für das Projekt wird noch eingereicht werden.

Einen ersten Überblick über das Thema erhalten Interessierte aber bereits diese Woche in Wien: Am 4. und 5. Oktober findet an der VUW ein europäisches Symposion zum Thema "Funktionelle Pflanzenstoffe in der Veterinärmedizin" statt.
->   Institut für Angewandte Botanik der Veterinärmedizinischen Universität Wien
->   Veterinärmedizinische Universität Wien
 
 
 
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01.01.2010