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Medizin-Nobelpreis 2002 an drei Forscher verliehen  
  Der Nobelpreis 2002 für Medizin geht an die beiden britischen Forscher Sydney Brenner und John Sulston sowie an ihren amerikanischen Kollegen Robert Horvitz für ihre Entdeckungen betreffend der "genetischen Regulierung der Organentwicklung und des programmierten Zellsterbens".  
Das teilte das Karolinska-Institut am Montag in Stockholm mit. Die höchste Auszeichnung für Mediziner bzw. Physiologen ist - wie im Vorjahr - mit zehn Millionen schwedischen Kronen (1,103 Millionen Euro) dotiert.

Die diesjährigen drei Nobelpreisträger in Physiologie bzw. Medizin haben "entscheidende Entdeckungen" auf dem Gebiet der Organentwicklung gemacht und die Regulierung des programmierten Zellsterbens untersucht, so das Karolinska-Institut, das stets die Preisträger in dieser Kategorie auswählt.
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Hintergrund: Organentwicklung und programmierter Zelltod
Unser Körper besteht aus Hunderten von Zelltypen, die alle von der befruchteten Eizelle abstammen. Im Laufe der embryonalen Entwicklung erfolgt ein sehr umfassender Zuwachs der Zahl der Zellen, die reifen und sich spezialisieren, um die verschiedenen Gewebe und Organe des Körpers zu bilden.

Auch bei Erwachsenen entsteht täglich eine Vielzahl neuer Zellen. Parallel mit dieser Zellvermehrung erfolgt, sowohl beim Embryo als auch bei Erwachsenen, ein Zellsterben als normaler Prozess, um die Zahl der Zellen in den Geweben zu balancieren. Dieses fein abgestimmte, koordinierte Absterben der Zellen nennt man programmiertes Zellsterben bzw. Apoptose.
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Forschungen am Modellsystem Fadenwurm
Durch die Etablierung und Verwendung des Nematoden Caenorhabditis elegans als Modellsystem gelang es, die Zellteilung und Spezialisierung von der befruchteten Eizelle bis zum erwachsenen Individuum genau zu verfolgen.

Die Preisträger haben die wichtigen Gene identifiziert, die die Organentwicklung und das programmierten Zellsterben regulieren, und nachgewiesen, dass es entsprechende Gene bei höher entwickelten Organismen, einschließlich des Menschen, gibt.

Die Entdeckungen seien von großer Bedeutung für die medizinische Forschung und vertieften das Verständnis für die Entstehung einer Reihe von Krankheiten, so die Begründung der Nobelversammlung.
Sydney Brenner: Forschungen als Grundstein des Nobelpreises
Bild: The Molecular Sciences Institute, Berkeley
Sydney Brenner
Sydney Brenner etablierte Caenorhabditis elegans als neuen Modellorganismus. Dadurch wurde eine Möglichkeit geschaffen, genetische Analyse mit Zellteilung, Zellreife und Organentwicklung zu verbinden - und gleichzeitig diese Prozesse unter dem Mikroskop zu verfolgen. Seine Entdeckung war der Grundstein des diesjährigen Preises.

Der in Südafrika geborene Wissenschaftler stellte bereits in den frühen 1960er Jahren fest, dass fundamentale Fragen zu Zell-Differenzierung und Organentwicklung sich an höheren Lebewesen nur schwer untersuchen lassen - und suchte daher nach einem Modellorganismus. Der Fadenwurm Caenorhabditis elegans war die Lösung.

In einer Publikation aus dem Jahr 1974 beschrieb der Forscher, wie spezifischen Gen-Mutationen im Genom von Caenorhabditis elegans ausgelöst werden können. Diese konnten mit spezifischen Gen-Funktionen in Verbindung gebracht werden - und hatten Auswirkungen auf die Organ-Entwicklung.
->   Sydney Brenner - Curriculum Vitae
->   Mehr über Brenners Forschungen in der "Encyclopedia of Genetics" (pdf)
John Sulston: "Zellstammbaum" des Fadenwurms
Bild: EPA
John Sulston
John Sulston weitete Brenners Forschungserkenntnisse aus und stellte den "Zellstammbaum" dar, bei dem man jede Zellteilung und Zellreife während der Entwicklung eines Gewebes des Caenorhabditis elegans verfolgen konnte: Vom befruchteten Ei bis hin zu den 959 Zellen des ausgewachsenen Fadenwurms.

In einer Publikation aus dem Jahr 1976 beschreibt Sulston den zellulären Entwicklungsweg für einen Teil des Nervensystems von Caenorhabditis elegans. Er konnte zeigen, dass dieser Entwicklungsweg unveränderlich ist, dass also jeder Fadenwurm exakt das gleiche Programm von Zellteilung und Differenzierung durchlebt.

Als ein Ergebnis dieser Forschungen wies der britische Wissenschaftler nach, dass bestimmte Zellen programmiertes Zellsterben als einen Teil der normalen Entwicklung durchmachen und identifizierte die erste Mutation in einem Gen, das an dem Zellsterbeprozess - der so genannten Apoptose - beteiligt ist.
->   John Sulston - Curriculum Vitae
Robert Horvitz: Entdeckung der Zelltod-Gene
Bild: EPA
Robert Horvitz
Robert Horvitz' Forschungen basierten auf den von Brenner und Sulston veröffentlichten Ergebnissen: In einer Reihe von Experimenten suchte er an Caenorhabditis elegans nach dem genetischen Programm zur Kontrolle des Zellttods - und wurde fündig: Er entdeckte und charakterisierte die Gene, die das programmierte Zellsterben des Fadenwurms steuern.

In einer Publikation aus dem Jahr 1986 identifiziert Horvitz ced-3 und ced-4 als eine Voraussetzung für die Ausführung der Apoptose. Später entdeckte der amerikanische Wissenschaftler ein weiteres Gen - ced-9 -, das Zellen vor dem Absterben schützt.

Er wies zudem nach, wie diese Gene im Absterbeprozess mit einander zusammenarbeiten und dass es entsprechende Gene beim Menschen gibt. Heute weiß man, dass die meisten Gene, welche die Apoptose in Caenorhabditis elegans steuern, ein Gegenstück im Menschen haben.
->   Robert Horvitz - Curriculum Vitae
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Medizin-Preisträger des Vorjahres
Im Jahr 2001 ging die begehrte Auszeichnung für Medizin an die Zellzyklusforscher Leland H. Hartwell (USA), Timothy R. Hunt und Paul M. Nurse (beide Großbritannien) für ihre "Bahn brechenden Entdeckungen auf dem Gebiet der Steuerung des Zellzyklus".
->   Medizin-Nobelpreis 2001: Zellzyklusforscher geehrt
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Von immenser Bedeutung für die Medizin
Die Ergebnisse der drei nun mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Forscher seinen für viele Forschungsbereiche von Bedeutung gewesen, so das Karolinska-Insitut. So habe beispielsweise die Entdeckung der Gene zur Kontrolle des programmierten Zelltodes im Fadenwurm geholfen, deren Gegenstücke beim Menschen zu identifizieren.

Erkenntnisse auf diesem Gebiet sind von immenser Bedeutung für die medizinische Forschung - denn der programmierte Zelltod spielt eine wichtige Rolle etwa bei Krebserkrankungen, neurodegenerativen Erkrankungen und Aids.

Viele Krebstherapien versuchen beispielsweise, das zelleigene "Selbstmordprogramm" zu stimulieren - denn Mutationen verhindern häufig bei Krebszellen die Apoptose, diese ignorieren daher ihren eigentlich biologisch vorprogrammierten Tod bzw. nehmen die toxischen Schädigungen der Chemo- und Strahlentherapie nicht wahr.
->   Mehr zum Thema Zelltod in science.ORF.at
Es folgen: Physik, Chemie, Wirtschaft - und Frieden
Die Preisträger in den anderen Kategorien werden im Laufe dieser Woche bekannt gegeben: Am Dienstag folgt der Physik-Nobelpreis, am Mittwoch die Preisträger für Chemie und Wirtschaftswissenschaften.

Traditionell wird die Nobelpreiswoche am Freitag mit der Bekanntgabe des Friedens-Nobelpreises abgeschlossen. Ein Termin für die Verleihung des Literatur-Nobelpreises steht noch nicht fest. Höhepunkt ist stets die feierliche Verleihung der Auszeichnungen am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel.
->   Die Nobelstiftung
 
 
 
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01.01.2010