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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Technologie .  Umwelt und Klima 
 
Wasserstoff - Das Erdöl der Zukunft  
  Der CO2-Ausstoß durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe wird für den Klimawandel verantwortlich gemacht - zudem sollen die fossilen Energiequellen laut Prognosen am Ende dieses Jahrhundert erschöpft sein. Deshalb setzen Experten weltweit auf Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Die vor 130 Jahren ausgesprochene Vision Jules Vernes, dass Wasserstoff die Kohle, das Erdöl der Zukunft wird, scheint Realität zu werden.  
Bereits im Jahre 1839 wurde der Grundstein für die Brennstoffzellentechnik gelegt, die die im Wasserstoff gespeicherte Energie nutzbar macht.

Der walisische Jurist und Physiker Sir William Robert Grove konstruierte den ersten funktionsfähigen Prototypen. Die Zeitgenossen jedoch verkannten Groves Entdeckung, das Thema Brennstoffzelle geriet in Vergessenheit.
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Brennstoffzelle: Chemische in elektrische Energie
Die Brennstoffzelle ist die optimale Methode, um die in Wasserstoff gespeicherte Energie nutzbar zu machen. In ihr wird die chemische Energie in einem elektrochemischen Prozess unmittelbar in elektrische Energie und Wärme umgesetzt. Die Strom- und Wärmegewinnung in der Brennstoffzelle läuft ohne Flamme ab, man nennt den Prozess daher auch "kalte Verbrennung".
->   Mehr zu Entwicklung und Funktion der Brennstoffzelle
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Energie für die Raumfahrt
Erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, wurde Groves Idee wieder aufgegriffen: Denn in der Raumfahrt wurden kompakte und leistungsfähige Energiequellen benötigt.

Da Batterien für Raumfahrzeuge zu schwer sind, entschied sich die NASA - etwa im Apollo Programm - für die elektro-chemische Energieerzeugung durch Brennstoffzellen, auch die Hauptstufe der Raketen wird mit Wasserstoff angetrieben.
80er Jahre: Ölkrise und zivile Nutzung von Wasserstoff
Die zivile Nutzung der Brennstoffzelle geriet erst dank der ersten großen Ölkrise 1973 erneut in den Blickpunkt des Intereses. Ingenieure entwickelten die Technologie, mit der es gelang, die Leistungsfähigkeit der Brennstoffzelle kontinuierlich zu steigern und gleichzeitig die Kosten zu senken.

Inzwischen reichen die Einsatzmöglichkeiten von Fahrzeugantrieben, U-Bootantrieben, Haus- und Großkraftwerken mit mehreren Megawatt Leistung, bis in den Bereich der Kleinstanwendungen wie Handys oder mobile Computer.
Stand der Technik: Verkehr
Bild: Modern Times
Brennstoffzellenfahrzeuge in Sacramento
Die Wasserstoff-Technologie ist mittlerweile sehr weit entwickelt. Im kalifornischen Sacramento beispielsweise sind Brennstoffzellenautos aller großen Hersteller von DaimlerChrysler bis Volkswagen in der Erprobung.

In Deutschland beginnt DaimlerChrysler mit der Auslieferung der ersten Serie von 60 Brennstoffzellen-PKW der A-Klasse wie auch von 30 Brennstoffbussen, die ab Frühjahr 2003 in zehn Europäischen Großstädten eingesetzt werden. Diese Fahrzeuge sind noch rund sieben Mal so teuer wie vergleichbare Serienautos.

Bis 2010 ist die Erprobung angesetzt, dann werden BMW, DaimlerChrysler, Ford, Toyota und andere Hersteller die ersten Serien von jeweils 50.000 Wagen auf den Markt bringen. Bis dahin müssen die Kosten noch um den Faktor 10 gesenkt - und es muss die Tankstellen-Infrastruktur aufgebaut werden.
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Wasserstoff-Tankstellen
Heute gibt es erst ein paar Dutzend Firmentankstellen für Wasserstoff, die erste öffentliche Wasserstofftankstelle funktioniert am Flughafen München seit 1999. Jetzt werden in Berlin und Reykjavik sowie in Tokio und USA die nächsten gebaut. Um etwa eine flächendeckende Versorgung in Deutschland sicherzustellen wären 1.500 Wasserstofftankstellen nötig. Das wäre in sechs bis acht Jahren leistbar, die Kosten dafür würden sich auf etwa sechs Milliarden Euro belaufen.
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Stromerzeugung und Heizung mit Wasserstoff
In Essen betreibt der deutsche Stromriese RWE Hochtemperatur-Brennstoffzellenkraftwerke - wie 200 andere Stromerzeuger in der Welt. Siemens Westinghouse will 2004 eine Produktionslinie in Pittsburgh in Betrieb nehmen. Durch die Serienfertigung soll der Kilowatt -Preis von heute 20.000 Euro auf konkurrenzfähige 1.500 Euro im Jahr 2008 sinken.
Das Kraftwerk im Keller
Jedem sein Brennstoffzellen-Kraftwerk im Keller, das ist das kommerzielle Ziel des Heizgeräteherstellers Vaillant. In Gelsenkirchen ist das erste Hauskraftwerk in Betrieb, es versorgt acht Wohnungen mit Strom und Wärme.

Die Anlage nutzt Erdgas und reformiert es in reinen Wasserstoff. Es erzeugt Wärme und zugleich Strom. Damit spart man ein Drittel der Primärenergie und vermeidet 30 Prozent der schädlichen CO2-Abgase. 2005 will Vaillant die erste Serie auflegen.
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Kernproblem Sicherheit
Wasserstoff ist gefährlich und in geschlossenen Räumen explosiv. Aber 100 Jahre industrielle Nutzung von Wasserstoff haben gezeigt: Die Technik ist nicht gefährlicher als andere Energieträger. Die Sicherheit von Wasserstoff-Autos ist in vielen Crashversuchen ausgiebig geprüft worden. Professor Swain von der Universität Miami hat Brände von Autotanks - einmal mit Benzin und einmal mit Wasserstoff gefüllt - verglichen. Das Fazit: Das Wasserstoffauto war kaum beschädigt, das Benzinauto brannte dagegen völlig aus.
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Kann genug Wasserstoff produziert werden?
Die großtechnische Massenproduktion von Wasserstoff in Raffinerien beispielsweise der chemischen Industrie ist Stand der Technik und läuft seit vielen Jahrzehnten, bisher ohne ernste Zwischenfälle.

Spezialtransporter und Pipelines bringen das Gas an die Tankstellen, seit mehr als 60 Jahren ohne Probleme. Heute wird aber Wasserstoff hauptsächlich aus Erdgas und Erdöl erzeugt. Das verringert zwar die CO2-Belastung ist aber keine endgültige Lösung.
Umweltfreundliche Produktion
Die umweltfreundliche Produktion von Wasserstoff mit Sonnenkraft, Windenergie und aus Biomasse ist möglich und technisch kein Problem. Auch Europa könnte bis zu 30 Prozent der benutzten Energie mit Sonnenkraft aus photovoltaischen Solarzellen erzeugen.

Die Produktion ist jetzt aus den Bastlerwerkstätten in automatisierte Fabriken umgezogen. Die Kapazität steigt allein in Deutschland naächstes Jahr um das Fünffache, die Preise für die Solarzellen werden langsam konkurrenzfähig.
Island - Das erste "Wasserstoff-Land" der Welt
Bild: Modern Times
Das Isländische Thermalkraftwerk Svartsengi, das 50.000 Haushalte mit Strom und Heizwärme aus geo-thermischen Quellen versorgt.
Island hat als erstes Land der Welt beschlossen, die Wasserstoffwirtschaft einzuführen. Das Land leidet zwar unter den elementaren, vulkanischen Gewalten, lebt aber auch von ihnen: Die Insel im Nordatlantik hat geothermische Energie und Wasserkraft im Überfluss - und nutzt heute nur zehn Prozent des Energiepotentials.

Island erzeugt bereits heute den Strom und die Wärme für alle Haushalte aus heißen Quellen. Jetzt stellt es nicht nur den gesamten Verkehr auf Wasserstoff um, sondern könnte in Zukunft auch viel Wasserstoff exportieren - so dass manche es schon als künftiges "Kuwait des Nordens" bezeichnen.

Eberhard Büssem, Modern Times

Mehr dazu erfahren Sie in der Sendung "Modern Times Spezial", am 11. Oktober 2002, um 22.35 Uhr in ORF2.
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Besiegelt Ford das Ende des Elektroautos?
->   "Die H2-Revolution": Wasserstoff als Ausweg aus der Krise
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01.01.2010