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Internet-Tipps zur Selbstmedikation bei Kopfschmerzen  
  Zahlreiche Menschen, die unter Kopfschmerzen leiden, behandeln diese selbst mit freiverkäuflichen Schmerzmitteln. Prinzipiell ist diese Art der Selbstbehandlung nicht abzulehnen, meinen Experten - wenn die eingenommenen Mengen passen. Damit dies medizinisch abgesichert geschehen kann, hat die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft nun Empfehlungen zur Selbstmedikation für Patienten mit Spannungskopfschmerzen und Migräne im Internet veröffentlicht.  
Selbstmedikation ist nicht prinzipiell abzulehnen
Mehr als 90 Prozent der Betroffenen haben Migräne, Spannungskopfschmerzen oder eine Kombination dieser beiden Formen. Bei diesen häufigen Kopfschmerzarten spricht aus Sicht der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft grundsätzlich nichts gegen eine Selbstmedikation.
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Auf der Homepage der Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, kurz DMKG, können Patienten die Empfehlungen herunterladen. Dort steht auch eine umfangreiche Version der Empfehlungen zur Verfügung.
->   Empfehlungen der DMKG (pdf-Datei)
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Der richtige Umgang mit Schmerzmitteln
Entscheidend für eine sinnvolle Selbstmedikation ist jedoch ein bestimmungsgemäßer Gebrauch der Medikamente. Werden Schmerz- und Migränemittel zu häufig eingenommen, wächst das Risiko, dass Kopfschmerzpatienten einen medikamentenbedingten Kopfschmerz entwickeln.

"Dieses Risiko", betonen die DMKG-Experten, "besteht unabhängig davon, welcher Wirkstoff enthalten ist und ob es sich um ein Präparat mit nur einem oder mehreren Wirkstoffen handelt." Wichtiger als die Zusammensetzung der Präparate ist die Häufigkeit ihrer Einnahme.
Vorsicht bei Mischpräparaten
"Natürlich sollte man bei der regelmäßigen Einnahme von Mischpräparaten, also Medikamenten die mehrere Wirkstoffe enthalten, etwas vorsichtiger sein, da sie über längere Zeit hinweg eingenommen einen so genannten Medikamenten induzierten Kopfschmerz verursachen können", erklärt Christian Lampl, Leiter der Ambulanz für Kopf und Gesichtsschmerzen des AKH Linz, im Gespräch mit science.ORF.at

"Ich würde Monopräparate wie, Aspirin, Ibuprofen, Parcetamol usw. empfehlen."
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Der Medikamenten induzierte Kopfschmerz
Ist durch beid- oder einseitige, dumpf-drückende Schmerzen gekennzeichnet. Diese Schmerzen können mehrmals in der Woche bis täglich auftreten. Häufig beginnen die Schmerzen bereits beim Erwachen und halten den ganzen Tag über an.
Verursacht wird diese Kopfschmerzform durch über lange Zeit eingenommene Mischpräparate. Diese Medikamente können anfangs zwar durchaus Linderung verschaffen, auf Dauer eingenommen verlieren sie aber nicht nur ihre Wirkung, sondern lösen selbst den Kopfschmerz aus. Daher steigert der Patient ständig die Dosierung - sechs bis acht Tabletten pro Tag sind keine Seltenheit. Damit sind organische Folgeschäden (vor allem Nierenschäden) und zunehmende Kopfschmerzen bei falscher Selbstbehandlung die vorprogrammierten Folgen.
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Ein paar Mal im Monat kein Problem ...
"Einmal pro Woche, ein paar Mal im Monat stellt die Einnahme von Schmerzmitteln überhaupt kein Problem dar", sagt Lampl. "Erst bei einer gehäuften Einnahme muss man vorsichtig sein. Muss man auf Grund der Kopfschmerzen täglich zur Tablette greifen, dann sollte man auf jeden Fall den Arzt aufsuchen."

"Aber auch ältere und alte Menschen, die auf Grund anderer Erkrankungen täglich Medikamente nehmen müssen, sollten sich bei wiederkehrenden Kopfschmerzen vom Arzt beraten lassen und nur kurzzeitig zur Selbstmedikation greifen", meint Lampl gegenüber science.ORF.at
... aber nicht länger als drei Tage hintereinander
Deshalb empfiehlt auch die DMKG grundsätzlich alle Kopfschmerz- und Migränepräparate nicht länger als drei Tage hintereinander und nicht häufiger als an zehn Tagen pro Monat anzuwenden.

Ebenso hat die DMKG in den neuen Empfehlungen zusammengestellt, wann Kopfschmerz-Patienten unbedingt einen Arzt konsultieren sollten.
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Ein Arztbesuch ist erforderlich, wenn Kopfschmerzen ...
- täglich oder fast täglich auftreten
- mit weiteren Symptomen wie Lähmungen, Gefühls-, Seh-, Gleichgewichtsstörungen, Augentränen oder starkem Schwindel einhergehen
- mit psychischen Veränderungen wie Störungen des Kurzzeitgedächtnisses oder Störungen der Orientierung zu Zeit, Ort und Person einhergehen
- erstmals im Alter von über 40 Jahren auftreten
- in ihrer Intensität, Dauer und/ oder Ort unüblich sind
- erstmals während oder nach körperlicher Anstrengung auftreten, sehr stark sind und in den Nacken ausstrahlen
- von hohem Fieber begleitet sind
- nach einer Kopfverletzung, etwa einem Sturz auftreten
- trotz Behandlung an Häufigkeit, Stärke und Dauer zunehmen
- zusammen mit einem epileptischen Anfall und Bewusstlosigkeit auftreten
- nicht mehr auf die bisher wirksamen Medikamente ansprechen
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Viele Schmerzmittel aber wenig Studien
Die Empfehlungen der DMKG zur Selbstbehandlung mit bestimmten Wirkstoffen sind Evidenz-basiert, d.h. sie beruhen auf einer Auswertung wissenschaftlicher Studien. Allerdings war es nicht einfach, die Empfehlungen auf eine wissenschaftlich gesicherte Basis zu stellen.

"In Anbetracht des weltweit häufigen Gebrauchs von Analgetika ist die geringe Zahl gut kontrollierter klinischer Studien auffallend", kritisieren die Experten.

Die geringe Anzahl der als "klinisch relevant" identifizierten Therapiestudien stehe in deutlichem Gegensatz zur großen Zahl an publizierten Übersichtsarbeiten und Empfehlungen zu diesem Themengebiet.
Selbstbehandlung bei Kopfschmerzen vom Spannungstyp
Medikament der 1. Wahl ist:
Einzeldosis mit 2 Tabl. der fixen Kombination aus (pro Tablette) 250 Milligramm Acetylsalicylsäure, 250 Milligramm Paracetamol und 65 mg Coffein

Medikamente der 2. Wahl sind:
Einzeldosis mit 1000 Milligramm Acetylsalicylsäure
Einzeldosis mit 400 Milligramm Ibuprofen

Bei allen anderen Wirkstoffen bzw. Wirkstoffkombinationen gibt es keine oder nur mangelhafte Hinweise für ihre Wirksamkeit.
Selbstbehandlung akuter Migräneattacken
Medikamente der 1. Wahl sind:
Einzeldosis mit 1000 Milligramm Acetylsalicylsäure
Einzeldosis mit 400 Milligramm Ibuprofen
Einzeldosis mit 1000 Milligramm Paracetamol
Einzeldosis mit 2 Tabl. der fixen Kombination aus 500 Milligramm Acetylsalicylsäure, 400 Milligramm Paracetamol und 100 mg Coffein

Bei allen anderen Wirkstoffen bzw. Wirkstoffkombinationen gibt es keine oder nur mangelhafte Hinweise für ihre Wirksamkeit.
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Fixe Kombination unterschiedlich einsetzbar
Es hat sich heraus gestellt, dass die fixe Kombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein in einer Dosierung von 2 Tabletten (pro Tablette 250 mg Acetylsalicyl-säure,250 mg Paracetamol und 65 mg Coffein) pro Einzeldosis sowohl zur Behandlung von Migräneattacken als auch zur Behandlung von Kopfschmerzen vom Spannungstyp geeignet ist.
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"Wäre auch für Österreich wichtig"
"Seriöse, evidenz-basierte Empfehlungen zur Selbstmedikation für Patienten im Internet zu veröffentlichen halte ich für eine sehr gute Idee", meint Lampl gegenüber science.ORF.at.

"Denn es ist wichtig, dass Patienten Zugang zu wissenschaftlich abgesicherten Informationen bekommen, um sich über die Möglichkeiten der Behandlung ihrer Kopfschmerzen zu informieren, und wenn nötig auch selbst etwas Sinnvolles dagegen unternehmen können. So eine Internetseite wäre auch für die Betroffenen in Österreich wichtig."
Nicht-medikamentöse Behandlungsstrategien
Grundsätzlich empfiehlt die DMKG allen Patienten, die häufiger unter Kopfschmerzen leiden, zusätzlich nicht-medikamentöse Strategien einzusetzen, um Häufigkeit und Stärke der Beschwerden zu beeinflussen.

Wichtig ist beispielsweise regelmäßiger Ausdauersport, etwa Joggen oder Radfahren. Hilfreich ist auch die progressive Muskelentspannung nach Jacobson.
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Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
Durch gezielte Anspannung und Entspannung lernt der Patient einzelne Muskelgruppen zu unterscheiden. Durch das Erlernen dieser Technik kann der Patient gezielt und bewusst seine muskulären Verspannungen, und damit eine der möglichen Ursachen für den Kopfschmerz, bekämpfen.
Muskelentspannungstechniken können dem Patienten aber auch helfen, wenn die Ursache der Verspannungen im psychischen Bereich zu finden sind. Denn durch das Erlernen dieser Technik kann sich der Patient individuell bedrohliche Situationen vorstellen, ohne sich automatisch zu verkrampfen und dadurch Kopfschmerz auszulösen. Durch diese Erfahrung verliert die jeweilige Situation ihren Schrecken, das Angstverhalten wird sozusagen gelöscht, der Patient bleibt in Zukunft in entsprechenden Situationen körperlich entspannt, und dadurch verschwindet auch der Schmerz.
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Schmerz muss nicht immer körperliche Ursachen haben
Bei psychologischen Schmerztherapeuten können Patienten darüber hinaus Methoden zur Stress- und Schmerzbewältigung, kognitive Techniken sowie Biofeedback-Methoden erlernen.

Walter Gerischer-Landrock, science.ORF.at
->   Österreichische Schmerzgesellschaft
->   Mehr zum Thema Schmerz in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010