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Konsequenzen aus der Genomforschung  
  Gendiagnostik bietet heute bereits viele Möglichkeiten zur Entdeckung erblich bedingter Krankheiten. Damit wächst aber auch die Verantwortung für die Betroffenen, denen folgenschwere Entscheidungen nicht erspart bleiben. Da immer mehr genetisch bedingte Defekte nachgewiesen werden können, stellt sich die Frage, ob die Arbeit in den diagostischen Labors auf überschaubare Untersuchungen beschränkt werden kann und soll. Umso wichtiger wird aber auch die fachärztliche genetische Beratung, die auch ethische Herausforderungen berücksichtigen sollte, meint der Grazer Humangenetiker Peter M. Kroisel in seinem Gastbeitrag anlässlich des "Diskurstages Gendiagnostik".  
Konsequenzen aus der Genomforschung
Von Peter M. Kroisel

Fortschritte auf dem Gebiet der Erforschung des menschlichen Genoms mit Identifizierung einer grossen Zahl von krankheitsrelevanten Erbanlagen hat vor allem im letzten Jahrzehnt und insbesondere den letzten Jahren zu einer Vervielfachung diagnostischer Möglichkeiten geführt.

Darüber hinaus sind nunmehr häufig Daten über mit bestimmten Erbanlagen eng gekoppelte DNA-Sequenz Polymorphismen (z.B. SNPs), welche ebenfalls diagnostisch einsetzbar sind, verfügbar. Nicht im Prinzip anders als mit herkömmlichen Verfahren der DNA-Diagnostik, aber quantitativ den diagnostischen Rahmen von Einzeluntersuchungen beträchtlich erweiternd, stellen DNA-Chips eine aktuelle zusätzliche Entwicklung dar.
Fachwissen und Beratung
Diese Entwicklungen sind grundsätzlich positiv zu beurteilen, erfordern aber sowohl von ärztlicher Seite, wie für die fachärztliche genetische Beratung (1) vor und nach dieser Diagnostik, ein umfassendes, den aktuellen Erkenntnissen entsprechendes, Fachwissen, als auch hinsichtlich des diagnostischen Labors (2) eine Reihe von Voraussetzungen, welche in der Folge auch kurz angesprochen werden. Den damit verbundenen ethischen Herausforderungen (3) muss adäquat Rechnung getragen werden.
1.) Fachärztliche genetische Beratung
Die Qualifikation von den die genetische Beratung, wie vom Österreichischen Gentechnikgesetz gefordert, durchführenden Fachärzten muss durch eine entsprechende Ausbildung, am günstigsten an größeren akademischen Zentren, sichergestellt sein, wobei in ganz speziellen Fragestellungen auch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zweckmäßig sein kann.

Derartige Zentren sollen, zumal ein hoher Bedarf dafür besteht, verstärkt weitere Fachärzte für Humangenetik ausbilden und die dafür notwendigen Ressourcen erhalten.
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Verständliche und zweifelsfreie Interpretationen
Auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass gentechnische Untersuchungen kritisch hinterfragt und Ergebnisse auch von diffizilen Analysen, wie unter anderem bei der prädiktiven Diagnostik, bestimmten SNP Befunden und in Zukunft vermutlich auch in Österreich in genau definierten Fällen von der Präimplantationsdiagnostik (PID) auch für Laien verständlich und zweifelsfrei interpretiert werden.
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2.) Diagnostisches Labor
Derzeit findet sowohl eine kontinuierliche Zunahme der direkten DNA-Diagnostik als auch der indirekten DNA-Diagnostik, wie z.B. auf SNPs basierend statt. Es können somit nahezu täglich mehr genetisch bedingte Defekte oder Prädispositionen nachgewiesen bzw ausgeschlossen werden.

Dennoch sollen auch Labors der oben angesprochenen entsprechend größeren Zentren, wie es ja weltweit durchaus bereits zu beobachten ist, das Ausmaß der unterschiedlichen Untersuchungen im Sinne einer Spezialisierung auf eine überschaubare Anzahl begrenzen.

Dies insbesondere deshalb, um eine optimale Qualität der Ergebnisse sicherzustellen, wofür nicht zuletzt eine jeweilige größere, bearbeitete Fallzahl pro Jahr eine Voraussetzung darstellt. In diesem Zusammenhang soll weiters eine verpflichtende Teilnahme an Ringversuchen, sofern geeignete angeboten werden, stattfinden.
3.) Ethische Herausforderungen
Um den ethische Herausforderung bei der Gendiagnostik beim Menschen zu entsprechen, sind geeignete Vorgaben sowie unter Umständen auch Kontrollen sowohl durch staatliche Organisationen als auch durch internationale humangenetische Fachgesellschaften und Fachverbande zur Schaffung von allgemein gültigen Standards für die Durchführung und Ablehnung derartiger diagnostischer Verfahren in bestimmten Fragestellungen anzustreben bzw. auszubauen und auch eine Abstimmung mit weiteren Einrichtungen, welche den Ratsuchenden gegebenenfalls zusätzliche Unterstützung und Hilfe anbieten können, anzustreben.
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Gastbeitrag und "Diskurtstag Gendiagnostik"
Univ. Prof. Dr. Peter Kroisel ist seit 1995 für das Fach Medizinische Biologie und Humangenetik an der Universität Graz habilitiert. Er ist Facharzt für Humangenetik und hat bislang mehrere tausend genetische Beratungen aus sämtlichen Teilbereichen der Humangenetik durchgeführt. Er ist unter anderem einer der Referenten für Öffentlichkeitsarbeit der Österreichischen Gesellschaft für Humangenetik (ÖGH), Mitglied eines ministeriellen Arbeitskreises zum Bereich "Genetische Beratung" und der Kommission für Facharztprüfungen der Österreichischen Ärztekammer für das spezifische Sonderfach.

Am 24. 10. findet im Rahmen des Österreichischen Genomforschungsprogramms GEN-AU der Diskurstag "Gendiagnostik - was geht mich das an?" statt.

Ort: Kinosaal des Naturhistorischen Museums Wien;
Beginn: 9.00 Uhr; Veranstalter: bm:bwk und Plattform Gentechnik&Wir. science.ORF.at ist Medienpartner dieser Veranstaltung und bringt dazu Diskussionsbeiträge, die bereits im Vorfeld zu der Thematik Stellung nehmen.
->   GEN-AU/Diskurstag
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Weitere Gastbeiträge zum "Diskurtstag Gendiagnostik" in science.ORF.at:
->   Brigitte Ratzer: Gendiagnostik: Chance oder Risiko?
->   Lisbeth N. Trallori: Biotechnologien als Motor gesellschaftlicher Veränderungen
->   Marianne Ringler: Gendiagnostik - Intrapsychische Bedeutung und Psychodynamik genetisch-diagnostischer Untersuchungen
->   Teresa Wagner und Verena Korn: Prädiktive Gendiagnostik: Psychosoziale Bedürfnisse und Betreuung von Familien mit erblichem Brust- und Eierstockkrebs
->   Andrea Strachota und Martina Gamperl : Beratung im Umfeld von pränataler Diagnostik und Heilpädagogik
->   GEN-AU
->   bm:bwk
->   Plattform Gentechnik&Wir
 
 
 
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01.01.2010