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Foraminiferen als Produzenten von Kalkgestein  
  So genannte Großforaminiferen - kleine einzellige Meeresbewohner - zählen dank ihrer kalkhaltigen Gehäuse zu den Hauptproduzenten von Kalkgestein, das als wichtigster Speicher von Erdöl gilt. Wie diese Gesteine genau entstehen, untersucht die Geologin Elza Yordanova nun im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programmes in einem eigenen Forschungsprojekt. Dessen Schwerpunkte stellt die Wissenschaftlerin in einem Gastbeitrag für science.ORF.at vor.  
Experimente zur Gehäusezerstörung bei Großforaminiferen
Von Elza Yordanova

Foraminiferen - bedeutende Winzlinge in seichten, tropischen Meeren - züchten seit Millionen von Jahren Kleinstalgen in glashausartigen Gehäusen. Kalkgesteine als die wichtigsten Speicher für Erdöl werden hauptsächlich aus den Gehäusen dieser Einzeller aufgebaut.

Wie diese Gesteine entstanden sind, sollen die experimentiellen Untersuchungen über Transport und Zerstörungen an Gehäusen lebender Individuen aufklären.
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Foraminiferen: Vielfältige Kalkgehäuse
Foraminiferen sind einzellige Meeresbewohner, die in Gehäusen leben, die sich aus Kammern zusammensetzen. Darum werden sie auch Kammerlinge genannt. Die Gehäuse bestehen hauptsächlich aus Kalk, wie man sie auch bei Muscheln oder Schnecken findet. Die Formenmannigfaltigkeit ist aber weitaus höher als bei vergleichbaren Gehäusen von Schnecken.
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Großforaminiferen: Ein Leben in tropischen Meeren

Strandsand
Großforaminiferen mit für einzellige Organismen extrem großen Gehäusen von über einem Millimeter bis zu 13 Zentimeter Größe leben ausschließlich in warmen, tropischen Meeren.

Durch die Symbiose mit einzelligen Mikroalgen sind die bodenbewohnenden Großforaminiferen auf lichtdurchflutete Küstenbereiche beschränkt, da die Algen Kohlehydrate mit Hilfe des Sonnenlichtes als Nahrung erzeugen (Photosynthese).

Heute sind die Großforaminiferen neben den Steinkorallen und Kalkrotalgen die wichtigsten Produzenten von Seichtwasserkalken, besonders an den Küsten des Indo-Pazifik. Oft bestehen in den Tropen über 90 Prozent der hellweißen Strandsande aus den leeren Gehäusen dieser Einzeller.
Überleben auch bei höheren Temperaturen
Großforaminiferen besitzen die Fähigkeit, erhöhte Wassertemperaturen über längere Zeiträume, wie sie etwa bei den El-Nino-Ereignissen auftreten, zu ertragen und dürften auch eine Erwärmung der Ozeane leichter als die Steinkorallen überstehen.
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Belege in der Erdgeschichte
Dies lässt sich in der Erdgeschichte nachweisen. Die extrem hohen Temperaturen in der Oberkreide vor etwa 100 bis 60 Millionen Jahre und die nur etwas geringeren Werte im Alttertiär von 60 bis 24 Millionen Jahren haben dazu geführt, dass Steinkorallen sehr selten und eher in tieferen, kühleren Bereichen auftraten, während die Großforaminiferen die Hauptproduzenten von Kalkgesteinen, insbesondere in den tropischen Bereichen waren. Diese Kalke sind heute die wichtigsten Erdöl- und Erdgaslagerstätten in Nord-Afrika und dem Nahen Osten.
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Gehäuseformen spiegeln die Umweltbedingungen

Großforaminifere mit kalkige Schale, aus der fadenförmige Scheinfüsschen (Pseudopodien ) herausragen. Die grüne Färbung wird durch winzige symbiontische Grünalgen hervorgerufen.
Auch die Großforaminiferen zeigen wie ihre kleineren Verwandten eine große Artenvielfalt. Sie reagieren mit ihren Gehäuseformen auf die wichtigsten Umweltbedingungen, die im tropischen Flachwasser anzutreffen sind.

Einerseits müssen sie sich in den seichtesten Bereichen vor der extremen Lichteinstrahlung und dem schädlichen UV-Licht schützen, andererseits in den lichtschwachen Bereichen bei etwa 140 Metern Wassertiefe den Algen genügend Licht bieten, um diesen die Photosynthese zu ermöglichen.

Weiters müssen sich die Großforaminiferen auf die unterschiedlichen Wasserbewegungen, wie Wellenbewegung und Gezeitenströmungen einstellen.
Vorzeitliche Kalkgesteine: Anreicherung mit Foraminiferen
Aus der Form der Gehäuse kann somit sehr viel über die Umweltbedingungen ausgesagt werden, was nicht nur für heute gilt, sondern auch für die vorzeitlichen Kalkgesteine sehr wichtig ist.

Oft finden sich in diesen Kalkgesteinen die Foraminiferen in großen Häufigkeiten, die aber nicht die ursprüngliche Besiedlungsdichte darstellen, sondern angereichert wurden. Eine Anreicherung von Foraminiferen in diesen Kalken ist nur in seltensten Fällen durch eine geringe Sedimentationsrate erklärbar.

Entweder erfolgte die Anreicherung durch Abtransport der feinen Sandpartikel zwischen den größeren Schalen bei geringer Wasserbewegung, oder die Schalen wurden in stärkeren Strömungen transportiert und je nach Größe und Form verschieden weit vom ursprünglichen Lebensraum abgelagert.
Gesteinsdünnschliff von Kalken mit Grossforaminiferen
 


Alter: 350 Millionen Jahre.
Zusammenhänge zwischen Heute und "Gestern"
Die Erfassung der wichtigsten Tranportmechanismen für die heute im Indopazifik lebenden Großforaminiferen vermag die Entstehung und auch Mächtigkeit der vorzeitlichen Kalke zu erklären.

Neben Kräften, die nötig sind, Foraminiferengehäuse zu bewegen und vom Meeresboden abzuheben, was von der Beschaffenheit des Bodens abhängt, soll die Schwebfähigkeit im Meerwasser erfasst werden.

Der Transport in einer Flüssigkeit ist durch die Gehäuseform bedingt. So werden flache, scheibenförmige Gehäuse bei gleichen Strömungsverhältnissen viel leichter transportiert als kugelige Formen.
Wie wirken Sandkörner auf die Gehäuse?
Neben den Transporteigenschaften soll auch die Einwirkung der benachbarten Sandkörner auf die Gehäuse überprüft werden: In einer gerichteten Strömung ist die Auswirkung weniger stark als bei Bewegungen, wie sie im Wellenbereich auftreten.

Diese Bewegungen führen je nach Dauer zu unterschiedlichen Zerstörungsgraden. Zerstörungen durch Wasserbewegung von jenen zu unterscheiden, die auf biologischen Ursachen wie dem Anbohren durch Ätzschwämme oder Bakterien oder auf chemischen Ursachen basieren, wie beispielsweise die Lösung der Kalkgehäuse in saurem Wasser, soll das zweite Ziel dieser Arbeit sein.

Experimentielle Untersuchungen über den Transport von Großforaminiferen und ihre Zerstörung vermögen das Tor zur Interpretation fossiler Kalkgesteine zu öffnen.
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Die Autorin und das "Hertha-Firnberg"- Programm
Elza Yordanova studierte Geologie an der Geologisch-geographischen Fakultät der Universität Sofia, ihr Spezialgebiet ist die Paläontologie und Stratigraphie. 1996 bis 1999 folgte ein Doktoratsstudium am Institut für Paläontologie der Universität Wien.

Im Jahr 2002 wurde sie mit einer Stelle im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programmes ausgezeichnet, das vom Wissenschaftsfonds (FWF) im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur durchgeführt wird. Ziel des Programmes ist es, zur besseren Verankerung von Frauen an Universitäten beizutragen.
->   Alle Hertha Firnberg-Stellen 2002 im Überblick
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->   FWF - Der Wissenschaftsfonds
->   Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
science.ORF.at hat bereits verschiedene Forschungsprojekte im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programmes 2001 in Form von Gastbeiträgen vorgestellt:
->   Alle Gastbeiträge im Überblick
 
 
 
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01.01.2010