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Bakterien als Mittel gegen Krebs?  
  Die Idee, Krebs mit Hilfe von Bakterien zu bekämpfen, ist über 100 Jahre alt. Bisher scheiterte man aber an den unerwünschten Nebenwirkungen einer solchen Behandlungsform. Amerikanische Mikrobiologen haben nun eine elegante Lösung für dieses Problem gefunden: Statt lebender Bakterien verwendeten sie nur ein spezielles Bakterien-Protein zur Bekämpfung der Tumorzellen. Das Resultat: Die Krebszellen begingen Selbstmord.  
Tohru Yamada, Masatoshi Goto und ihre Mitarbeiter von der University of Illinois, USA, haben eine vielversprechende Methode zur Krebsbekämpfung entwickelt. Mittels des Proteins "Azurin" konnten sie Krebszellen dazu anregen, den programmierten Zelltod - die so genannte Apoptose - zu durchlaufen.

Bisher wurde die Methode zwar nur an Mäusen getestet, die Forscher hoffen aber auch auf erfolgreiche Anwendungen am Menschen.
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"Bacterial redox protein azurin"
Die Studie "Bacterial redox protein azurin, tumor suppressor protein p53, and regression of cancer" von Tohru Yamada, Masatoshi Goto und Mitarbeitern erschien im Wissenschaftsmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" (Band 99, auf den Seiten 14098-103).
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Die historischen Ursprünge der "Bakterien-Impfung"
Intuitiv sollte man meinen, dass eine Infektionskrankheit zur Schwächung von Krebspatienten führt. Dem muss aber keineswegs so sein.

Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts berichtete der New Yorker Chirurg William Coley, dass Krebspatienten, die mit Streptokokkeninjektionen behandelt wurden, eine Besserung ihre Gesundheitszustandes aufwiesen.
Bakterien machen Immunsystem "scharf"
Die Grundidee von Coley war, dass eine solche Infektion das Immunsystem gewissermaßen "scharf" mache, d.h. dessen Abwehrkräfte derart mobilisert würden, so dass der Körper - quasi als Nebeneffekt - auch den Krebs in Schach halten könne.
Gezielte Infektionen reduzieren Krebsgewebe
Wenngleich Coley noch keine Einsicht in die molekularen Wirkungsweisen des Immunsystems hatte, seine Idee hat sich - freilich in modernisierter Form - bis heute erhalten.

So konnte z.B. gezeigt werden, dass sich eine Reihe von Bakterienarten unter den sauerstoffarmen Bedingungen im Kern eines Tumors gut vermehren können. Dies führt zu einer Aktivierung von Abwehrzellen des Immunsystems - mit dem Resultat, dass diese wiederum krebshemmende Substanzen absondern.
Der Nachteil: Unerwünschte Nebenwirkungen
Was läge also näher, als eine Art "Bakterienimpfung" im großen Stil gegen Krebserkrankungen einzusetzen? Leider hat die Methode einen entscheidenden Nachteil.

Lebende Bakterien weisen unerwünschte Nebeneffekte im Körper des Menschen auf: Sie führen häufig zu toxischen (d.h. giftigen) Bedingungen und können aus diesem Grund nicht en gros zur Krebshemmung eingesetzt werden.
Die Lösung: Proteine statt Zellen
Tohru Yamada, Masatoshi Goto und ihr Team haben nun einen Ausweg aus diesem Dilemma gefunden: Anstatt lebende Zellen zu verwenden, isolierten sie ein Protein aus dem Stäbchen-Bakterium Pseudomonas aeruginosa.

Auf das isolierte Protein, "Azurin" genannt, waren die Wissenschaftler deswegen aufmerksam geworden, weil schon zuvor berichtet worden war, dass es in manchen Zellen die so genannte Apoptose, den programmierten Zelltod, auslöse.

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Azurin
Der Name "Azurin" bezeichnet eine Familie blauer (siehe Name), kupferhältiger Proteine, die bisher in den Gattungen Pseudomonas, Bordetella und Alcaligenes nachgewiesen wurden. Die biologische Funktion des Azurins ist jene eines so genannten Redox-Proteins. Das heißt, es ist an Elektronentransporten entlang von Biomembranen beteiligt.
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Azurin dämmt Krebswachstum ein ...
Für ihre Studie verwendeten die amerikanischen Forscher Mäuse, die aufgrund einer genetischen Eigenheit Melanome (d.h. Hautkrebs) entwickeln. Den Nagern wurden drei Wochen lang eine tägliche Dosis von Azurin verabreicht - dann wurden sie mit einer Kontrollgruppe von unbehandelten Mäusen verglichen.

Das Resultat: Während das Krebsgewebe der Kontrollgruppe sein Volumen innerhalb dieses Zeitraumes mehr als vervierfachte, stieg jenes der Azurin-Grupp nur geringfügig an.
... und fördert die natürliche Abwehr
Die Autoren der Studie bieten in ihrer Veröffentlichung auch eine Erklärung für diesen Effekt an: Azurin tritt mit dem Protein p53, einem äußerst prominenten "Tumorsupressor", in Wechselwirkung und aktiviert auf diese Weise einen natürlichen Anti-Krebsmechanismus. Dies entspricht dem Aktivierungs-Prinzip, das William Coley vor mehr als 100 Jahren angedacht hatte.
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Azurin schützt p53 vor Abbau
P53 ist eines der bekanntesten "Tumorsupressorgene". Dessen Produkt, das p53-Protein, leitet in gesunden Geweben u.a. den programmierten Zelltod (Apoptose) ein. In Krebsgeweben ist diese Funktion zumeist eingedämmt. Dies ist eine der (vielfältigen) Ursachen des Zellwachstums von Tumoren. Azurin lagert sich an p53 an und schützt es so vor dem Abbau. Daher steigt der p53-Gehalt in der Zelle an - womit größere Teile des Krebsgewebes in den programmierten Zelltod geschickt werden.
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Humantherapie als Ziel
Der große Vorteil an der neuen Behandlungs-Methode: Unerwünschte Nebenwirkungen traten nicht auf. Bisher wurde das System allerdings nur an Mäusen getestet - Studien am Menschen stehen noch aus.
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01.01.2010