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Ein Sternenrelikt aus der Frühzeit des Universums  
  Ein internationales Team von Astronomen hat einen Stern entdeckt, der einen Blick in die Frühzeit des Universums ermöglicht. Der Himmelskörper enthält kaum schwere Elemente - aus diesem Grund interpretieren die Forscher ihren Fund als ein Relikt aus der Zeit unmittelbar nach dem Urknall.  
Grundsätzlich gilt in der Astronomie die Regel: Je älter ein Stern ist, desto weniger an schweren Elementen - wie z.B. Metallen - sollte er enthalten. Die Entdeckung des Sterns wirft aber auch neue Fragen auf - so widerspricht seine Existenz eigentlich theoretischen Modellen zur Entstehung von "metallarmen" Sternen, wie das Forscherteam im Wissenschaftsmagazin "Nature" berichtet.
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"A stellar relic from the early Milky Way"
Die Studie "A stellar relic from the early Milky Way" von N. Christlieb, M.S. Bessell und ihren Mitarbeitern erscheint in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" (Band 419, auf den Seiten 904-906).
->   Der Artikel (kostenpflichtig)
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Auf der Suche nach den verlorenen Sternen
Seit 30 Jahren bemühen sich die Astronomen, Sterne aufzuspüren, die Spuren der Entstehungsgeschichte der Milchstraße in sich tragen. Unsere Galaxis ist kurz nach dem Urknall aus einer gigantischen Ansammlung von Gas entstanden.

Dieses Gas, das sich ursprünglich nur aus Wasserstoff und Helium zusammensetzte, wurde im Verlauf der Geschichte der Milchstraße durch explodierende Sterne immer weiter mit schwereren Elementen angereichert. Deshalb sollten die ältesten Sterne nur sehr wenig dieser schweren Elemente enthalten.
Der Fund: Ein astronomisches "Fossil"
Ein Team von Astronomen aus Deutschland, Schweden, Australien und den USA ist nun auf einen Riesenstern gestoßen, dessen Anteil an schweren Elementen lediglich 1/200.000 des entsprechenden Anteils bei unserer Sonne beträgt.

Das ist ein Zwanzigstel des Anteils an schweren Elementen, die bei dem bisherigen Rekordhalter dieser Art von "metallarmen" Sternen gemessen worden ist.

Der Stern bietet den Astronomen damit die einzigartige Möglichkeit, stellares Gas mit einer Zusammensetzung zu untersuchen, die nahezu jener unmittelbar nach dem Urknall entspricht.
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Sterne der Population I und II
Zugleich wirft diese Entdeckung aber auch neue Fragen auf. Die meisten Sterne bewegen sich innerhalb der Scheibe unserer Galaxis. Ein bis zwei Prozent ihrer Masse bestehen aus Elementen schwerer als Wasserstoff und Helium. So ist es auch bei der Sonne, die etwa halb so alt ist wie die Galaxis. Es gibt allerdings eine Population von Sternen, bei denen der Anteil an schweren Elementen lediglich 1/10 bis 1/100 dieses "solaren" Wertes beträgt.

Diese Sterne bewegen sich in einem großen Schwarm um die Milchstraße, dem so genannten Halo. Sie wurden geboren, als die Galaxis noch jung war und ihre Bewegung enthält noch Informationen über die Entstehungsprozesse der Milchstraße, aus der Zeit der ersten Sternentstehung. Die Astronomen bezeichnen die Halo-Sterne als Population II, im Gegensatz zu den jüngeren Sternen der Scheibe, die Population I genannt wird.
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Woher stammen die Sterne der Population II?
Woher stammt nun der - wenngleich geringe - Anteil an schweren Elementen in den Sternen der Population II? Es muss bereits Supernovae oder andere explodierende Sterne in der sehr jungen Galaxis gegeben haben, aus deren Überresten sich die Sterne der Population II gebildet haben.

Diese bislang hypothetische Sternengeneration wird als Population III bezeichnet. Die Astronomen haben mit verschiedenen Methoden versucht, Sterne der Population III zu finden, die noch keine schweren Elemente enthalten sollten - bislang ohne Erfolg.
8000 "leichte" Sterne aufgespürt
Die an der Publikation maßgeblich beteiligten Forscher der Hamburger Sternwarte führen gegenwärtig eine systematische Suche nach den "metallärmsten" Sternen durch.

Mit Hilfe eines Weitwinkel-Teleskops der Europäischen Südsternwarte in Chile wurde dazu eine große Sammlung von Bildern des südlichen Sternenhimmels gewonnen.

Mittels einer Computeranalyse der Bilder, die Millionen von Sternen erfasst hat, konnten 8000 Sterne aufgespürt werden, die sehr wenig schwere Elemente enthalten.
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Ein Fund mit dem schönen Namen "HE 0107-5240"
Einer dieser Sterne ist "HE 0107-5240". "HE" steht dabei für "Hamburg/ESO-Survey", die (etwas unhandliche) Zahl gibt grob die Position des Objekts am Himmel an. Der Stern ist viele tausend Mal leuchtschwächer als der schwächste Stern, der noch mit dem bloßen Auge zu erkennen ist. Er befindet sich 36.000 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild Phoenix. Im Dezember 2001 wurde HE 0107-5240 mit dem UVES-Spektrographen des Very Large Telescopes der ESO beobachtet.
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Chemische Zusammensetzung eruiert
Aus dem damals gewonnen Spektrum konnten die Astronomen jetzt die chemische Zusammensetzung des Sterns bestimmen. Es zeigte sich, dass es sich um den Stern mit dem bislang geringsten Anteil an schweren Elementen handelt.

"Niemals zuvor sind wir mit der Untersuchung von Sternen so dicht an die Zustände unmittelbar nach dem Urknall herangekommen", erläutern die Studienautoren Christlieb und Gustafsson.
Produkt einer Kernfusion?
"Aber offensichtlich ist schon eine Menge passiert zwischen dem Urknall und der Entstehung dieses Sterns. Obwohl er arm an schweren Elementen ist, enthält er eben doch schon einige davon."

"Diese wurden wahrscheinlich in noch massereicheren Sternen gebildet, die als Supernovae explodiert sind. Außerdem enthält der Stern ungewöhnlich viel Kohlenstoff und Stickstoff", so die beiden Wissenschaftler:

"Diese Elemente sind wahrscheinlich durch Kernfusion im Inneren des Sterns entstanden und durch Vermischung an die Sternoberfläche geraten. Es ist auch möglich, dass ein benachbarter Stern am Ende seines Lebens Masse auf unseren Stern übertragen und ihn so verschmutzt hat. Wir haben aber keine Beweise dafür, dass so etwas passiert ist."
Entdeckung widerspricht der bisherigen Theorie
Theoretische Berechnungen hatten bislang vermuten lassen, dass sich Sterne mit geringerer Masse als unsere Sonne nur schlecht aus Gaswolken ohne schwere Elemente bilden können. Denn die schweren Elemente sind für eine effektive Kühlung der Wolke während der Kontraktion nötig, damit Sterne entstehen können.

Die Existenz von HE 0107-5240 zeigt nun, dass die Natur doch einen Weg für eine effektive Kühlung der Gaswolke gefunden haben muss. Die Theoretiker müssen also offenbar ihre Modelle noch verbessern.
Auch Sterne der Population III sollten existieren
Wenn HE 0107-5240 entstehen konnte, dann sollten auch Sterne der Population III mit geringen Massen entstanden sein. Und wenn dem so ist, dann sollten diese Sterne bis heute überlebt haben - und mit großen, systematischen Suchaktionen wie dem Hamburg/ESO-Survey aufzufinden sein.

Da von den 8000 Kandidaten des Surveys erst ein Viertel genauer unter die Lupe genommen worden sind, ist es gut möglich, dass in dieser Sammlung schon bald ein solcher Stern entdeckt wird.
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01.01.2010