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Bioethikkommission berät "gläsernen Menschen"  
  Chancen und Gefahren der Gendiagnostik - der viel zitierte "Gläserne Mensch" - stehen ab Mittwoch auf der Beratungsliste der Bioethikkommission. Gefordert wird auch eine breite gesellschaftliche Diskussion.  
Faktum ist, dass die Neigungen zu manchen Krankheiten, aber auch zu bestimmten Verhaltensweisen auf Grund der Genetik eines Menschen vorhersagbar sind.

Dies bietet nach Ansicht von Experten große medizinische Chancen - birgt aber ebenso große Risiken, etwa was den Missbrauch der genetischen Daten einer Person betrifft. Kommissions-Vorsitzender Johannes Huber fordert in jedem Fall eine breite gesellschaftliche Diskussion über das Thema.
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Beispiele: Von Thrombose bis zum Medikamenten-Abbau
Bei entsprechenden Veränderungen im Erbgut - so genannten Mutationen - können Experten beispielsweise vorhersagen, dass eine Person ein statistisch erhöhtes Risiko hat, im Laufe ihres Lebens Brustkrebs, Arteriosklerose oder Prostataerkrankungen zu bekommen. Für die Neigung zu Thrombosen - Blutverklumpungen, die etwa zu Schwangerschaftsproblemen, Herzinfarkt oder Schlaganfall führen können - haben die Wissenschafter besonders deutliche genetische Hinweise gefunden.

Aber auch psychische Faktoren, etwa die Neigung zu Ängstlichkeit einerseits und Aggression andererseits, können mittlerweile zum Teil auf genetische Veränderungen zurück geführt werden.

Landläufig weniger bekannt ist die Tatsache, dass auch der Abbau von Medikamenten und Hormonen durch im Labor erkennbare Mutationen verändert sein kann. Weiß ein Arzt um solche Veränderungen, kann er medikamentöse oder auch hormonelle Behandlungen individuell anpassen und Nebenwirkungen reduzieren.
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Befürchtung: Benachteiligung durch genetische Disposition
Neben den auf der Hand liegenden medizinischen Vorteilen solcher Erkenntnisse - z. B. häufigere Vorsorgeuntersuchungen bei Dispositionen für bestimmte Krankheiten - birgt das neue Wissen auch Gefahren.

So könnte etwa ein Mensch mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Krankheiten von Versicherungen benachteiligt, zu höheren Prämien gezwungen oder erst gar nicht versichert werden. Besonders heikel ist das Wissen um tendenzielle Verhaltensweisen - so wird kaum eine Firma einen genetisch gedingt ängstlichen Mitarbeiter schätzen.
Droht ein "genetischer Rassismus"?
Für Huber sind derlei Befürchtungen zwar berechtigt, aber doch von verschiedenen Lobbys hochgespielt. Die Szenarien seien stets mit Missbrauch von Daten verbunden, und einem Missbrauch müsse und könne gesetzlich ein Riegel vorgeschoben werden.

Wesentlich bedenklicher ist für den Theologen und Gynäkologen die Tatsache, dass durch die Forstschritte der genetischen Forschung "die Gleichheit der Menschen" in Gefahr sei, das menschliche Bewusstsein werde sich ändern. Mit anderen Worten, es könnte eine Art "genetischer Rassismus" drohen.
Huber: Fortschritte sind nicht aufzuhalten
Huber ist überzeugt, dass die Fortschritte in der Genetik nicht aufzuhalten sind, und dass deshalb so früh wie möglich eine kollektive Diskussion über die Menschenwürde geführt werden müsse.

"Wir müssen durchleuchten, ob christliche Werte noch ausreichen, um den neuen Herausforderungen zu begegnen - oder ob beispielsweise Buddhismus oder Judentum bessere Lösungen anbieten", so Huber. Letztendlich sollte klar werden, dass ein Mensch Würde besitzt, weil er Mensch ist, unabhängig von seinen Fähigkeiten oder Anlagen.
Chance: Neue Sichtweise auf Randgruppen
In anderer Hinsicht ortet Huber in der Gendiagnostik eine große Chance. Fast jede Person trägt nämlich irgendeine genetische Mutation in sich, die ihn für dies oder jenes anfälliger macht. "Man könnte auch sagen, aus genetischer Sicht ist jeder Mensch irgendwie behindert", ist Huber überzeugt. Vielleicht würde das die eigene Sichtweise auf Randgruppen der Gesellschaft verändern.
->   Österreichische Bioethikkommission
->   Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010