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Innere Uhren: Fehlendes Gen führt zu tödlicher Diät  
  Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass der Biorhythmus nicht nur durch den Wechsel von Tag und Nacht bestimmt ist. Bei Mäusen, denen ein bestimmtes Gen aus ihrem Erbgut entfernt wurde, lief die innere Uhr aus dem Ruder. Die Konsequenz: Die Nager hörten auf zu fressen und hungerten daraufhin zu Tode - ein makaberer Nachweis für die Existenz einer eigenständigen Stoffwechsel-Uhr.  
Steven McKnight vom Southwestern Medical Center der University of Texas berichtete auf einer Tagung von dem ungewöhnlichen Forschungsergebnis: Mäuse, denen das Gen "NPAS2" aus dem Genom entfernt wurde, starben an einer folgenschweren Unfähigkeit: Sie waren nicht imstande, den Zeitpunkt ihrer Mahlzeiten zu ändern.
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"Coupling of Metabolism and Circadian Rhythm"
Der Vortrag "Reciprocal Coupling of Metabolism and Circadian Rhythm" von Steven McKnight wurde im Rahmen des "Society for Neuroscience Annual Meeting" in Orlando, Florida, präsentiert.
->   Zur Kurzfassung des Vortrags
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Mäuse fressen in der Nacht
Normalerweise fressen Nagetiere des Nachts, können ihre Aktivität aber ändern, wenn Nahrung nur am Tage verfügbar ist. Steven McKnight und seine Mitarbeiter nahmen dieses Phänomen nun genauer unter die Lupe und fanden heraus, dass die innere Uhr des Stoffwechsels offensichtlich wichtiger ist, als man zunächst angenommen hatte.
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Biologische Rhythmen
Biologische Rhythmen werden nach der Länge ihrer Perioden klassifiziert. Tagesperiodische Rhythmen (Perioden von etwa 24 Stunden) werden als "circadian" bezeichnet. Daneben gibt es noch "lunare" (28 Tage) "semi-lunare" (14 bis 15 Tage) und "anuelle" (einjährige) Rhythmen.

Die Biorhythmen erlauben es den Organismen, sich an geophysikalische Periodizitäten anzupassen, sich in Populationen zu koordinieren und ihre interne Zeitstruktur durch Synchronisation mit den Außenzyklen (z.B. Tag/Nacht-Wechsel, Mondphasen, Gezeiten, Jahreszeiten etc.) zu stabilisieren.
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Fehlendes Gen bedingt Hungerstreik ...
Die amerikanischen Forscher erzeugten Mäuse, denen das Gen "NPAS2" aus ihrem Genom entfernt wurde. Die Wirkungen waren für die kleinen Nager katastrophal. Wenn der Zeitpunkt ihrer Mahlzeiten von der Nacht auf den Tag verlegt wurde, stellten sie die Nahrungsaufnahme völlig ein.
... und ändert die Aktivität
Auch sonst zeigten die verwirrten Nager ein geändertes Verhalten. Normalerweise gönnen sich Mäuse im Anschluss an nächtliche Körperertüchtigung im Laufrad nach etwa sieben Stunden ein Nickerchen. Die genetisch modifizierten Mäuse liefen hingegen neun Stunden und verzichteten auf die verdiente Ruhephase. "Dies weist darauf hin, dass die Schlafphasen genetisch gesteuert werden", interpretiert McKnight die Ergebnisse.
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NPAS2 und die Organ-Uhren
NPAS2 ist ein Schlüsselgen, das andere Gene an- bzw. abschaltet. Es ist vor allem in vorderen Hirnregionen aktiv, wo Sinnesinformationen und Emotionen bearbeitet werden. Grundsätzlich geht man davon aus, dass verschiedene Organe ihre eigenen "inneren Uhren" besitzen, die dann durch den Zeitgeber Licht synchronisiert werden. Die Gehirnregion, die für diese "Uhren-Eichung" verantwortlich ist, wird suprachiasmatischer Nukleus genannt.
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Normalfall: "Stoffwechsel-Uhr übernimmt Kommando"
Die eigentliche Erkenntnis der Versuche bezieht sich jedoch auf die innere Stoffwechsel-Uhr: Mäuse mit unverändertem genetischen Rüstzeug können sich ohne Probleme an geänderte Nahrungsangebote anpassen.

Werden die Mahlzeiten von der Nacht auf den Tag verlegt, so McKnight, "dann übernimmt die innere Uhr des Stoffwechsels das Kommando". Dies macht die Nager unabhängig vom Licht/Dunkel-Rhythmus.
Mutierte Mäuse: "Sklaven des Lichts"
Die "NPAS2"-defizienten Mäusen waren dazu nicht imstande. Das sensible Verhältnis zwischen dem Zeitgeber Licht und dem Nahrungsangebot war bei ihnen aus dem Gleichgewicht geraten - sie hungerten daher zu Tode.

Daraus schließt man, dass der Rhythmus des Stoffwechsels eine eigenständigere Rolle spielt, als bisher angenommen. "Sie sind Sklaven des Lichts" lautet McKnight's drastischer Kommentar zu diesem Ergebnis.
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Weiterführende Literatur
Einen ausgezeichneten Überblick zum aktuellen Stand der Forschung auf dem Gebiet der Biorhythmen und inneren Uhren gibt das Buch "Biological Rhythms" von Vinod Kumar (Hrsg.), Springer-Verlag: 2002.
Hierin wird die Funktionsweise der circadianan Rhythmen auf genetischer, zellbiologischer, neurologischer und evolutionärer Perspektive beleuchtet und in das Gesamtgebäude der modernen Biologie integriert.
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Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Wie die innere Uhr mit dem Körper spricht
->   Körper-Uhren: Organe folgen ihrem eigenen Takt
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01.01.2010