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10.000 Mütter leiden an postpartaler Depression  
  Die Mehrheit aller Mütter befindet sich kurz nach der Geburt in einem Stimmungstief. Bei manchen wächst sich dies zu einer postpartalen Depression aus - in Österreich sind davon 10.000 Frauen betroffen.  
Dies habe "teilweise dramatischen Folgen für Mutter und Kind", wie der Vorstand der Kinderklinik Glanzing im Wiener Wilhelminenspital, Andreas Lischka, betont. Gemeinsam mit der Gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des Spitals veranstaltet er am Samstag (9.11.) in Wien ein Fachsymposium zum Thema "Postpartale Depression" (PPD).
Nachgeburtliche Hormonumstellung
Zwischen 50 und 80 Prozent der Frauen haben nach der Geburt den "Baby-Blues", ein Stimmungstief, das vor allem durch die nachgeburtliche Hormonumstellung ausgelöst wird, aber meist nach ein paar Tagen verschwindet. Doch zehn bis 15 Prozent entwickeln nach der Entbindung eine schwere Depression.

Problematisch dabei ist, dass sich viele Frauen schämen, wenn sie nicht den Erwartungen an eine gute Mutter entsprechen. Sie verschweigen daher ihre Gefühle. Aber auch die Familie und Ärzte sehen in Depressions-Anzeichen wie Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit, Schlaf und Appetitlosigkeit oft nur ein Zeichen von Erschöpfung nach der Geburt.
Nachhaltige Störungen möglich
"Wird nicht rechtzeitig behandelt, kann die Mutter-Kind-Beziehung nachhaltig gestört werden, schwere Interaktionsstörungen zwischen Mutter und Säugling können die Folge sein", betont Lischka. Aus diesem Grund gibt es ein zunehmendes Bewusstsein für die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Frauen mit postpartaler Depression.
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Therapie in Kinderklinik Glanzing
Die Station für Säuglingspsychosomatik der Kinderklinik Glanzing im Wilhelminenspital mit der angeschlossenen "Schreiambulanz" ist laut Lischka die österreichweit einzige Einrichtung, die bei psychischen Krisen wie postpartaler Depression Mütter gemeinsam mit ihren Babys aufnimmt. "In Zusammenarbeit mit der sozialpsychiatrischen Ambulanz des Otto Wagner Spitals können wir eine Therapie ohne Trennung vom Kind anbieten. Denn trennt man Mutter und Säugling kann das zu neuerlichen Schuldgefühlen bei der Mutter führen", betont Lischka.

Der Säugling könne dabei optimal betreut werden, der Mutter werde die Chance geboten, an einer Kinderklinik und nicht auf der Psychiatrie behandelt zu werden, was nach wie vor für viele als Tabu gilt. Außerdem wird die Mutter durch das Herausnehmen aus ihrem Umfeld sofort entlastet. Das therapeutische Angebot umfasst Psychotherapie, Videoanalysen der Eltern-Kind-Beziehung, Interaktionsberatung, psychiatrische und psychopharmakologische Begleitung sowie Unterstützung durch Sozialarbeiter und ambulante Nachbetreuung.
->   Kinderklinik Glanzing
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Pilotprojekt zum Screening von Risikopatientinnen
Damit das Risiko für eine postpartale Depression möglichst früh erkannt werden kann, läuft derzeit in einem von der Wiener Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann initiiertes Pilotprojekt an drei Wiener Spitälern (Kaiser Franz Josef-Spital, SMZ Ost "Donauspital" und Semmelweis-Klinik), in dem Screening- und Interventionsmethoden von Risikopatientinnen für postpartale Depression entwickelt werden sollen.

Denn die Depression nach der Geburt kommt meist nicht aus heiterem Himmel. Zu den Risikofaktoren zählen frühere depressive Phasen oder psychiatrische Erkrankungen, sexueller Missbrauch, vor allem aber auch soziale Belastungen wie Geldsorgen, Partnerschaftsprobleme, Belastungen als Alleinerzieherin oder Schwangerschaft von Jugendlichen, wie die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte, Beate Wimmer-Puchinger betonte.
Ergebnisse nächstes Jahr
In dem Projekt - erste Zwischenergebnisse werden am Samstag bei der Tagung präsentiert - werden insgesamt rund 3.500 Frauen bereits bei der Anmeldung zur Geburt im Spital über ihre gesundheitliche und soziale Situation befragt. Diese Erhebung wird kurz vor der Entbindung sowie drei und sechs Monate danach wiederholt. Damit sollen gefährdete Frauen möglichst rasch identifiziert und ihnen eine Betreuung durch speziell geschulte Krankenschwestern, Hebammen und wenn notwendig durch Sozialarbeiter oder Psychotherapeuten angeboten werden.

Von den Mitte kommenden Jahres vorliegenden Ergebnissen des Projekts erhofft man sich präzise Hinweise darauf, welche Interventionen zu welchem Zeitpunkt sinnvoll sind und welche Leistungen in Zukunft angeboten werden sollen. Außerdem soll mit dem Pilotprojekt Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass postpartale Depression kein Tabuthema ist, sondern eine Krankheit wie jede andere auch.
->   PPD-Projekt der Stadt Wien
 
 
 
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01.01.2010