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Sperma: Qualität ist wichtiger als Quantität  
  Welches Spermium das weibliche Ei befruchtet, hängt laut einer aktuellen Studie nicht so sehr von der Menge und der Geschwindigkeit der einzelnen Samenfäden ab, sondern von ihrer Größe und Form: Je "besser" die Spermien demnach zu den weiblichen Fortpflanzungsorganen passen umso größer die Wahrscheinlichkeit der Befruchtung. Als Studienobjekt diente eine Fruchtfliegenart.  
"Unsere Studie weist eindeutig eine aktive Rolle des Weibchens bei der Festsetzung der Bedingungen, unter denen Spermien innerhalb des weiblichen Geschlechtsorganes konkurrieren, nach", sagt der Biologe Scott Pitnick von der Syracuse University.
Große und kleine Spermien
"Es ist allgemein bekannt, dass es im gesamten Tierreich Spermien in den unterschiedlichsten Größen und Formen gibt. Allerdings wussten wir bisher nicht warum", meint Pitnick.

"Unsere Studien haben jetzt den Grund aufgezeigt. Die artenspezifische Form und Physiologie des weiblichen Fortpflanzungsorgans ist der Grund für das unterschiedliche Erscheinungsbild der Spermien."
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Der Artikel in "Science": "Sperm-Female Coevolution in Drosophila"
->   Der Artikel in "Science"/kostenpflichtig
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Quantität vor Qualität?
"Die meisten Menschen sind mit dem Konkurrenzverhalten von Männchen vor der Paarung vertraut. Unter welchen Bedingungen und wie Spermien - nach der erfolgreichen Paarung - untereinander konkurrieren, darüber wissen wir allerdings relativ wenig", erklärt Pitnick weiter.

Bereits 1995 dokumentierten Pitnick und Kollegen die Ausnahme der Regel, dass die Spermienproduktion männlicher Tiere dem Motto "Quantität vor Qualität" folge.
Warum gibt es unterschiedliche Spermium-Formen?
Diese Entdeckung ließ die Wissenschaftler der Frage nachgehen, warum manche Arten sich die Zeit nehmen nur einige gigantische Spermien zu produzieren, während die Mehrheit sich damit zufrieden gibt Millionen kleiner Samenfäden auszustoßen.
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Das längste bekannte Spermium
Der Biologe Pitnick studiert schon seit über 15 Jahren die Kriterien der geschlechtlichen Auswahl bei der Fortpflanzung. Bereits 1995 publizierte er im Fachjournal "Nature" die Entdeckung des längsten der Wissenschaft bekannten Spermiums. Es gehört einer bestimmten Fruchtfliegenart, der so genannten Drosophila bifurca, und hat in ausgerolltem Zustand eine Länge von 5,08 Zentimetern.
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Mehrere Paarungspartner, aber nur einer wird Vater
"Im Gegensatz zur populären Meinung sind die Weibchen der meisten Arten promiskuitiv, sie paaren sich also mit mehreren Partnern während einer Paarungssaison", erläutert der Wissenschaftler.

Die Weibchen vieler Arten haben allerdings spezialisierte Organe für die Aufbewahrung von Spermien. In diesen Organen konkurrieren die Spermien der unterschiedliche Paarungspartner miteinander, um das weibliche Ei zu befruchten.
Ein neuer Versuch mit Fruchtfliegen
Die Wissenschaftler benutzen eine Spezies der Fruchtfliege - Drosophila melanogaster, um der Verbindung und den Auswirkungen von Spermiengröße, der Größe des weiblichen Samenaufbewahrungsorgans und einer erfolgreichen Befruchtung auf die Spur zu kommen.

Die Fruchtfliegen wurden in Gruppen, die durch die Länge des Spermiums und die Länge des Organs zur Samenaufbewahrung gekennzeichnet waren, unterteilt.
Ergebnis: Vom weiblichen Organ hängst es ab
Alle Spermien hatten bei Weibchen mit kurzen Samenaufbewahrungsorganen eine annähernd gleiche Chance, ein Ei zu befruchten.

Männchen, deren Spermien länger und größer waren, ließen ihren weniger gut ausgestatteten Rivalen in Weibchen mit länger geformten Samenaufbewahrungsorganen allerdings keine Chance. Der Vorteil der Männchen mit längeren Spermien wurde umso größer je länger das weibliche Organ war.
Lange Samenfäden als Kriterium für die Partnerwahl
Das bedeutet laut Pitnick, dass die Länge des Samenaufbewahrungsorgans einen Mechanismus für die Auswahl des Vaters unter den potentiellen Kandidaten darstellt.

Die Wahl des Vaters basiert also auf der Länge des Spermiums. "Lange Samenfäden sind daher das zellulare Äquivalent zu den langen Schwanzfedern eines Pfaus", sagt Pitnick.
Weiteres Experiment bestätigt Annahme
Die Annahme des Wissenschaftler wird durch ein anderes Experiment unterstützt, in dem gezeigt werden konnte, dass die Länge des weiblichen Samenaufbewahrungsorgans die Evolution der Spermienlänge antreibt.
Co-Evolution von Sperma und Geschlechtsorganen
"Jetzt da wir über die Zusammenhänge der Evolution von Sperma und weiblichen Geschlechtsorganen bescheid wissen, stellt sich die Frage: Was passiert, wenn Populationen getrennt werden?", so der Wissenschaftler weiter.

"Das Sperma einer Population könnte sich in eine falsche Richtung entwickeln und so inkompatibel für die Fortpflanzung mit Weibchen einer anderen Population werden", vermutet Pitnick.
Spermienlänge und Artenvielfalt
Hier stößt man möglicherweise an den Beginn der Entwicklung einer neuen Art. Die geheimnisvolle Vorliebe für längere Spermien könnte laut Pitnick möglicherweise wichtige Konsequenzen für die Artenvielfalt haben.
->   Syracuse University
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01.01.2010