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IFK-Tagung: Imaginäre und reale Architektur  
  Eine Tagung am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften IFK in Wien stellt die Frage, auf welche Art und Weise imaginäre Repräsentationen von Raum und Architektur mit Bau- und Lebenspraxis verbunden sind. Dabei sind die Archichtekturphantasien im Umfeld von G. B. Piranesi ebenso Thema wie die Inszenierung von Architektur auf der Bühne und im frühen Film oder auch deren sprachliche Konstruktionen bei Kafka und in der Avantgardekunst.  
Bauformen der Imagination

Ein Beitrag von Karin Harrasser und Roland Innerhofer

Die Verschränkung von Realem und Imaginärem schreitet in der Kulturtheorie wie in der Lebenswelt in erstaunlichem Tempo voran. In den Neuen Medien wie auch in den heutigen Metropolen spielt die Virtualisierung des (architektonischen) Raumes eine immer entscheidendere Rolle.

Imaginäre Architektur wird in reale umgesetzt, reale ihrerseits zur Herstellung imaginärer Räume verwendet. Diese Durchlässigkeit folgt nicht nur aus der immanenten Logik (medien-)technischer Entwicklung, sondern auch aus einer spezifisch künstlerischen Tradition und ist selbst Ergebnis kultureller Konstruktion.

Entsprechend kann man die kulturelle Kodierung der architektonischen Imagination als historischen Prozess rekonstruieren und die Bauten als dessen Sedimentierung begreifen.
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Informationen zur Tagung
"Bauformen der Imagination. Architektur der Moderne - Interface zwischen Phantasma und Realität"
Ort: IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Reichsratsstraße 17, 1010 Wien
Zeit: 14.-16. November 2002

Die Tagung nähert sich einer Geschichte des Imaginären an folgenden Knotenpunkten: den Archichtekturphantasien im Umfeld von G. B. Piranesi, der Inszenierung von Architektur auf der Bühne und im frühen Film, den sprachlichen Konstruktionen von Architektur bei Kafka und in der Avantgardekunst, dem Themenkomplex der Totalitätsphantasmen der Moderne und deren ironischen Post-Positionen. Sie schließt mit einem Werkstattgespräch mit ArchitektInnen und ArchitekturtheoretikerInnen zur Belebbarkeit von imaginären Räumen.
->   Programm und Abstracts in www.ifk.ac.at
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Dramatische Architektur

Radierung von Giovanni Battista Piranesi
Als Ausgangspunkt einer "Archäologie des Traums" (Norbert Miller) bieten sich Piranesis Radierungen "Carceri d'invenzione" an: vieldeutige, als Gefängnisse, als barocke Bühnen, aber auch als "Seelenarchitektur" lesbare Innenräume. Bei Piranesi wird erstmals die Architekturzeichnung derart dramatisiert, dass sie zum Emblem der undurchdringlichen und labyrinthischen psychischen Innenwelt des modernen Subjekts mutiert.

Von hier aus lassen sich markante Linien weiterverfolgen: von der theatralischen Inszenierung des Imaginären in der Bühnenarchitektur, zu den Paradoxien einer verrückten, surrealen Traumarchitektur, wie sie etwa die Texte Kafkas, die Avantgarden und die "psychopathologische" Literatur entwerfen, bis zur Architektur in Kafkas Texten, wo sie ein Code eines unsichtbaren und unentrinnbaren Macht-Systems ist.
Überlagerungen von Realem und Imaginärem
Die komplexen Überlagerungen von Realem und Imaginärem werden durch die Transparenz-Utopien der Avantgarde konterkariert. Die dunkle Folie dieser Reinheitsvorstellungen bilden allerdings die Phantasmen einer allumfassenden Kontrolle und Reglementierung.

Dem Purismus avantgardistischer Konstruktion konnte nur die Idee, die Skizze, der Entwurf gerecht werden; jede Realisierung musste aufgrund ökonomischer und gesellschaftlicher Zwänge als "Verunreinigung" erscheinen.
Avantgarde und Ironie
 


Radierung von Giovanni Battista Piranesi

Das heroische Pathos der Avantgarde wurde immer schon durch ironische Strategien unterlaufen. Während Expressionisten und Futuristen im Bauen nicht nur die Verkörperung des Gesamtkunstwerks, sondern auch das Medium zur planetarischen Umgestaltung und Restitution gesellschaftlicher Totalität sahen, setzte der Dadaismus durch parodistische Übertreibung auf die kritische Demontage architektonischer Allmachtsphantasien.
Architektur und Sci-Fi
Architekturvisionen als paradoxes Unterfangen, das Unsichtbare (als kollektiv Verdrängtes) sichtbar zu machen, sind ein signifikantes Element populärer Genres. In heutigen SF-Texten, SF-Filmen und in technisch-wissenschaftlichen Diskursen dient die Repräsentation digital erzeugter, virtueller Räume der Inszenierung innovativer Körper- und Subjektkonzepte ebenso wie apokalyptischer Prophetien.
Leben im Cyberspace
Architekturmetaphern strukturieren außerdem das Internet und transformieren es in einen "Cyberspace", der zwar erlebt und bewohnt, jedoch nie physisch betreten werden kann. Ähnliche Räume werden von Konstruktions- und Zeichenprogrammen erzeugt. Diese wiederum bilden die planerische Grundlage realer Bautätigkeit. Einmal mehr verbindet Simulation und Material ein gewundenes, aber undurchtrennbares Band.

Der Idee eines antiseptischen virtuellen Raumes stehen neuere techniksoziologische Ansätze (Bruno Latour) diametral gegenüber. Verflüssigung bedeutet ihnen zufolge nicht Immaterialisierung, sondern die Auflösung von Zentren und eine Überschwemmung mit vielfältig vermitteltem Partikularem.

Imaginäre wie reale Räume wimmeln geradezu von Bedeutungen, Interessen und Akteuren, sie verändern sich laufend, oder besser: werden ständig überarbeitet. Der Begriff der reinen Information wird tendenziell durch den der dichten Assoziation und Transformation ersetzt.
Grenzverkehr zwischen Imaginärem und Realem
Raumwahrnehmung und -aneignung werden als vernetzte, sozialisierte und sozialisierende Tätigkeiten, die lokalen Praktiken selbst als historische erklärt. Architektur - als vorgestellte, erfahrene und erlebte - ist immer schon Teil sozialer und politischer (Trans-)Formationen.

Die Tagung möchte einen Beitrag zu der Frage leisten, auf welche Art und Weise Repräsentationen von Raum und Architektur mit Bau- und Lebenspraxis verbunden sind. Wie gestaltet sich der Grenzverkehr zwischen Imaginärem und Realem?
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Karin Harrasser vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur und Roland Innerhofer vom Institut für Germanistik der Universität Wien haben gemeinsam das Konzept der Tagung entworfen.
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01.01.2010