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Pflanzen täuschen Schädlingsbefall vor  
  Einige Pflanzen täuschen einen Befall mit Insekten vor, um sich vor Pflanzenfressern zu schützen. Auf Stängeln, Blüten oder Schalen imitieren sie Raupen, Ameisen und Blattläuse. Diese falschen Insekten dienen als "Besetztzeichen" für andere Schädlinge, die nach Futter oder einem Platz zur Eiablage suchen.  
Die von den Pflanzen täuschend echt dargestellten Insekten bedeuten für andere Schädlinge nicht nur Konkurrenz, sondern signalisieren auch, dass diese Pflanze ihren chemischen Haushalt zum Zweck der Verteidigung bereits verändert hat. Dies bedeutet für andere Schädlinge, dass diese Pflanze nur schwer genießbar ist.
Mehr als ein halbes Dutzend Beispiele
Simcha Lev-Yadun und Moshe Inbar von der University of Haifa-Oranim haben mehr als ein halbes Dutzend Pflanzen entdeckt, die einen Insektenbefall nachahmen können. Die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichten die Wissenschaftler in dem Fachjournal "Biological Journal of the Linnean Society".
->   "Biological Journal of the Linnean Society"
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Die chemische Verteidigung der Pflanzen
Pflanzen reagieren nicht als passive, leidende Wesen gegenüber Parasiten, sondern können auf ein ganzes Arsenal an chemischen Kampfstoffen zurückgreifen. Die Herstellung vieler chemischer Abwehrsubstanzen wird durch eine Signalkaskade induziert, die durch einen Fraßfeind oder Parasit ausgelöst wird, der sich am Pflanzengewebe gütlich tut. Dadurch wird die Synthese der unterschiedlichsten toxischen Chemikalien und Abwehrproteine eingeleitet.
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Schutz vor kleinen und großen Feinden
Die imitierten Insekten können aber auch vor größeren Pflanzenfressern wie zum Beispiel Rehen schützen. Denn durch den vorgetäuschten Schädlingsbefall sieht es so aus, als ob die Pflanze von beißenden, stechenden oder übel schmeckenden Insekten übersäht wäre. "Manche dieser nachgestellten Insekten sind so perfekt, das sie sogar Menschen täuschen können", meint Lev-Yadun.
Imitation einer Raupe
 


Das obere Bild zeigt die Schote einer Erbsenart. Das untere Bild eine reale Raupe.
Von Ameisen ...
Eine bestimmte Gänseblümchenart - Xanthium trumarium - hat etwa schwarze Punkte auf ihrem Stängel, die wie Ameisen aussehen, berichten die Wissenschaftler.

Auf diese Art und Weise werden Insekten und andere Tiere abgeschreckt, da Ameisen andere Insekten und sogar größere Tiere attackieren können. Einige Pflanzen produzieren sogar Lockstoffe, um ganze Ameisenheere zu ihrer Verteidigung anzulocken.
... bis zu Blattläusen
Teile der Blüten einer bestimmten Grasart - Paspalum paspaloides - sehen wie Blattläuse aus. Und auch Alcea setosa - ein Verwandter des Hibiskus - imitiert mit dunkeln Punkten auf seinen Stängeln Blattläuse.
Imitation von Blattläusen
 


Die dunklen Punkte am Stamm im linken Bild sind Imitationen, im rechten Bild sieht man echte Blattläuse.
Tarnen und Täuschen im Tierreich
Der Evolutionsbiologe James Mallet vom University College London stimmt der Überlegung, dass Pflanzen die Fähigkeit zur Nachahmung von Insekten entwickeln können, prinzipiell zu. Er weist aber darauf hin, dass Experimente gezeigt haben, dass nur Pflanzen, die selten attackiert werden, diese Fähigkeiten entwickeln.

Es gibt allerdings auch Insekten, die vortäuschen eine Pflanze zu sein, um sich vor ihren Feinden zu schützen - wie zum Beispiel Schmetterlinge, die Blätter imitieren.
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Mimikry: Nachahmung von Signalen
Der Begriff "Mimikry" bezeichnet im Tier- und Pflanzenreich jede Ähnlichkeit zwischen Organismen, die nicht durch stammesgeschichtliche Verwandtschaft, sondern durch die Nachahmung von Signalen zustande kommt. Der Klassiker unter diesen Nachahmungs-Phänomenen ist die so genannte "Bates'sche Mimikry".

Ein Beispiel hierfür sind von Bienen und Wespen verwendete optischen Warnsignale, die durch die Farbkombination Gelb-Schwarz auf deren Hinterleib erzeugt werden. Diese Signale weisen auf die Giftigkeit bzw. Gefährlichkeit der Signalträger hin.

Allerdings gibt es auch Arten, wie zum Beispiel manche Schwebfliegen, die als "evolutionäre Trittbrettfahrer" die selben Signale verwenden - und sich damit schützen, ohne selbst giftig zu sein. Dieser Sachverhalt wurde erstmals vom englischen Naturforscher Henry Walter Bates im 19. Jahrhundert beschrieben.
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Täuschung wird nicht nur zur Verteidigung benutzt
Pflanzen benutzen die Fähigkeit Insekten darzustellen aber nicht nur zur Verteidigung, sondern auch zur Fortpflanzung. So gibt es eine Orchideenart, die ihre Pollen dadurch verbreitet, indem sie das Aussehen und den Geruch von Bienen nachahmt. Auf diese Art und Weise werden männliche Bienen angelockt, die dann den Blütenstaub verbreiten.
Weiter verbreitet als gedacht?
Lev-Yadun glaubt jedenfalls, dass Pflanzen, die Insekten imitieren, weit verbreitet sind: "Ich bin sicher, dass es einige tausend Arten gibt, die diese Fähigkeit haben", meint der Wissenschaftler. "Die Menschen brauchen nur ihre Augen zu öffnen, um sie zu sehen".
->   University of Haifa-Oranim
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01.01.2010