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Geschichtsunterricht in 13 Staaten im Vergleich  
  Wie viel lokale, nationale, europäische und Weltgeschichte unterrichten Geschichtslehrer in Europa? Das war eine zentrale Frage bei der ersten vergleichenden Studie der Geschichtslehrerausbildung, die österreichische Wissenschaftler für den Europarat durchgeführt haben. Verglichen wurden die Strukturen und Standards der Geschichtslehrerausbildung in 13 europäischen Staaten.  
Herausgeber der Studie für den Europarat ist Alois Ecker. Er lehrt Fachdidaktik Geschichte am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Wien. Die Europarats-Studie wird voraussichtlich im März 2003 präsentiert.
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Details zur Studie: Lehrerausbildung, schulische Lehrpläne
Es ist die erste vergleichende Studie auf europäischer Ebene. Zum einen wurde die Organisation der Lehrerausbildung untersucht (Gibt es ein Berufsbild? Gibt es ein Anforderungsprofil?). Zum anderen wurden die Lehrpläne an den Schulen analysiert sowie die Studienpläne in der Lehrerausbildung - und beide miteinander verglichen.

Seit 1998 wird an der Studie gefeilt. In den folgenden 13 Staaten wurden die Strukturen und Standards der Geschichtslehrer analysiert: Albanien, Bulgarien, Tschechien, Russland, Estland, Ungarn, Norwegen, Niederlande, Großbritannien (England und Wales) Frankreich, Spanien, Portugal und Österreich.
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Viel Nationalgeschichte in England und Bulgarien
In den Schullehrplänen haben demnach Bulgarien und Großbritannien den höchsten Anteil an Nationalgeschichte: 65 Prozent nach eigenen Angaben. Der Durchschnittswert in den untersuchten Staaten liege bei 40 bis 50 Prozent, sagt Alois Ecker. In Österreich wird laut Lehrplan 30 Prozent Nationalgeschichte unterrichtet - "erfreulicherweise", wie Ecker meint.
Rückschlüsse auf das Selbstverständnis
Die Fragebögen wurden sowohl von Ministerien in den untersuchten europäischen Staaten ausgefüllt, als auch von den Institutionen, die Geschichtslehrer ausbilden - je nach Staat sind das Universitäten, pädagogische Institute oder Colleges.

Aus den Prozentangaben zum Beispiel über den Anteil der Nationalgeschichte könne man auch etwas über das Selbstverständnis der jeweiligen Staaten herauslesen, sagt Alois Ecker: Ob die Geschichte des eigenen Landes gut oder schlecht besetzt ist oder wie sie dargestellt wird.
Wohin mit der spanischen Eroberung?
Die spanischen Studienteilnehmer etwa gaben den Anteil der Nationalgeschichte im Unterricht bzw. in der Lehrerausbildung mit 50 Prozent an. Spanien wollte eine zusätzlich Kategorie einführen, sagt der Studien-Herausgeber Alois Ecker: die Lateinamerikanische Geschichte. Dahinter stecke aber eine stark national gefärbte Kolonialgeschichte.

Grundsätzlich - so der Fachdidaktiker Alois Ecker - erfahren die Schüler in allen Staaten mehr Nationalgeschichte im Unterricht, als die Lehrer während ihrer Ausbildung lernen.
Themen des Geschichtsunterrichts
In der Studie wurde auch untersucht, wie viel politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Geschichte gelehrt wird. Kriege, Regierungs- und Herrschaftsgeschichte (politische Geschichte) machen zum Beispiel in Ungarn 75 Prozent des Unterrichts aus und in Estland 60 Prozent.

In Österreich wiederum sind 40 Prozent politische Geschichte im Lehrplan vorgesehen. Der Durchschnittswert liegt bei 35 bis 45 Prozent.
Vernachlässigte Alltagsgeschichte
Wirtschafts- und Sozialgeschichte dagegen - die anschauliche Alltagsgeschichte - machen jeweils fünf bis 15 Prozent aus (Durchschnitt der 13 untersuchten Staaten). In Österreich stehen 20 bis 25 Prozent im Lehrplan.
Lehrerausbildung zu national?
Die Ausbildung der Geschichtslehrer laufe sehr stark im nationalen Rahmen ab, lautet das Resümee des Studienherausgebers Alois Ecker. So würden zum Beispiel nur wenige angehende Geschichtslehrer während der Ausbildung ein Studiensemester im Ausland verbringen.

Der Grund: Ausländische Zeugnisse werden meist nicht oder nur umständlich angerechnet. Ein Wunsch der Studienautoren: mit diesen Traditionen brechen.

Ein Beitrag von Barbara Daser für die Sendung "Dimensionen" am Freitag, den 15. November 2002, um 19.05 Uhr in Radio Österreich 1
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01.01.2010