News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Medizin und Gesundheit 
 
Muskelzellen helfen Herzgewebe nach Infarkt  
  Herzzellen, die nach einem Infarkt abgestorben sind, können sich nicht von selbst regenerieren. Um dem vernarbten Gewebe auf die Sprünge zu helfen, werden seit einiger Zeit gezielt bestimmte Körperzellen in die betroffene Region transplantiert. Bisher galten Stammzellen dabei als die geeignetsten Kandidaten - gleichgültig ob von Embryonen oder aus dem Knochenmark Erwachsener gewonnen. Nun haben Versuche mit Zellen, die aus Skelettmuskulatur stammen, zu ähnlich positiven Resultaten geführt.  
US-Forscher berichteten von entsprechenden Untersuchungen an 16 Patienten am Sonntag während der "Scientific Sessions" der American Heart Association.
->   Scientific Sessions
Regeneration möglich
"Wir sind in der Lage, abgestorbenes oder vernarbtes Herzgewebe in der vom Infarkt betroffenen Region zu regenerieren, ohne das Todesrisiko zu erhöhen", meinte Nabil Dib, Hauptautor der Studie und Leiter der Kardiovaskulären Forschungsabteilung am Arizona Heart Institute in Phoenix.

Obwohl die Ergebnisse noch nicht endgültig sind, geht er davon aus, dass mit der Methode die Pumpleistung des Herzens nach einem Infarkt verbessert werden kann.
...
Irreversible Schäden
Wenn Patienten einen Infarkt erleiden, entwickelt sich vernarbtes Gewebe; die Kontraktionsfähigkeit des Herzens nimmt ab. Da sich Herzzellen nicht selbst regenerieren können, ist dieser Schaden bislang irreversibel - und kann unter Umständen zu einem kompletten Herzversagen führen.
...
"Ejection fraction" von weniger als 30 Prozent
Das Forscherteam um Nabil Dib hat ihre Studie an Patienten durchgeführt, die aufgrund eines Infarkts unter einer verringerten Pumpleistung ihres Herzens litten.

Die linksventrikuläre "ejection fraction" (EF; genannt auch: Auswurffraktion), also die Menge Blut, die von der linken Herzkammer pro Schlag gepumpt wird, war bei ihnen auf einen Wert von weniger als 30 Prozent gesunken.

Zum Vergleich: Ein gesundes Herz pumpt bei jedem Schlag etwas mehr als die Hälfte des eigenen Volumens (EF von 55 Prozent).
Während der Operationen ...
Elf der Patienten wurden einer Bypass-Operation unterzogen, fünf wurden "left ventricular assist device" (LVAD) implantiert - Pumpen für die linke Herzkammer, die die Zeit überbrücken sollen bis Spenderherzen zur Transplantation bereit stehen.
... wurden Muskelzellen injiziert
Den Patienten waren zuvor Myoblasten - Muskelzellen ihrer Oberschenkel - entnommen worden. Danach wurden große Mengen von ihnen in einem Zeitraum von drei bis vier Wochen im Labor kultiviert.

Während der chirurgischen Eingriffe bekamen sie zwischen einer und dreißig direkte Injektionen in die betroffene Herzregion verabreicht - jede der Injektionen enthielt etwa zehn Millionen der Myoblasten.
->   Mehr über Skelettmuskulatur und Myoblasten
Eindeutige Zeichen von Regeneration
Das Resultat laut Dib: Die transplantierten Myoblasten haben überlebt und sind gewachsen, die beschädigten Herzregionen zeigten eindeutig Zeichen von Regeneration. Kardiogramm, Untersuchungen mit Magnetresonanz-Imaging und Positronemissions-Tomographie hätten dies bewiesen.
Verbesserung der Pumpleistung
Bei der Kontrolluntersuchung neun Monate nach dem Eingriff wurden keine signifikanten Abwehrreaktionen festgestellt. Der EF-Wert stieg nach zwölf Wochen im Schnitt von 22,7 auf 35,8 Prozent - was eine Verbesserung der Pumpleistung um mehr als die Hälfte entspricht.
...
Komplikationen
Komplikationen gab es allerdings bei zwei Patienten: einer aus der LVAD-Gruppe starb nach einer Infektion der implantierten Pumpe, einer aus der Bypass-Gruppe entwickelte eine Tachycardie, also eine erhöhte Schlagfrequenz des Herzens.
...
Verbesserung gegenüber früheren Studien
Schon vor zwei Jahren haben französische Forscher ein ähnliches Experiment durchgeführt. Bei einem 72-jährigen Mann war damals zum ersten Mal eine Transplantation von Zellen quergestreifter Muskeln vorgenommen worden.

Auch andere Studien danach hatten die Qualität der Methode bewiesen - allerdings sei es dabei zu einer Reihe von Nebenerscheinungen, wie z.B. Herzrhythmusstellungen, gekommen. Nicht aber so in der nun vorgestellten Untersuchung.
Stammzellen vs. Myoblasten
Immer wieder hatte es in den letzten Jahren auch Versuche gegeben, die mit Hilfe von transplantierten Stammzellen die Leistungsfähigkeit des Herzens verbessern wollten - so auch mit positiven Resultaten am AKH in Wien.
->   Mehr dazu in science.ORF.at: Stammzelltherapie am Herz
Hauptargument, das für die Myoblasten-Therapie spricht: Es stehen schlicht weit mehr Muskelzellen zur Verfügung als Stammzellen, was auch ihre Kultivierung und ihr Wachstum im Labor einfacher macht.
->   Arizona Heart Institute
->   American Heart Association
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Per Gentransfer zum "biologischen Herzschrittmacher"
->   Versuch mit Stammzellen an herzkranken Patienten
->   Punktgenaue Stammzell-Therapie nach Herzinfarkt
->   Stammzellen gegen Herzinfarkt verpflanzt
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010