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Feindseligkeit: Risikofaktor Nr. 1 für Herzleiden  
  Ein hoher Cholesterinspiegel, Übergewicht, starker Zigaretten- und Alkoholkonsum: das sind die klassischen Risikofaktoren für Herzleiden aller Art. US-Forscher meinen nun, dass psychologische Komponenten bei Männern weit wichtiger sind. Feindseligkeit gegenüber der Umwelt sei bei ihnen der Risikofaktor Nummer Eins für Herzerkrankungen.  
774 ältere Männer untersucht
Raymond Niaura von der Brown Medical School und sein Team gingen der Frage nach, ob Feindseligkeit ein unabhängiger Risikofaktor bei der Entwicklung koronarer Herzerkrankungen ist oder ob er in Relation zu anderen Faktoren steht und somit indirekt das Risiko erhöht.

Die Forscher untersuchten 774 ältere Männer, die aus der so genannten "Normative Aging Study" (NAS) stammten. Der Altersdurchschnitt der Probanden betrug 60 Jahre.
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Normative Aging Study
Die NAS ist eine Langzeitstudie, welche die biomedizinischen und psychosozialen Auswirkungen des normalen Alterungsprozesses untersucht. Im Großraum von Boston wurden dafür seit Beginn der 1960er Jahre jedes dritte Jahr etwa 2.300 Männer untersucht.
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Vergleich mit anderen Risikofaktoren
An der Studie von Niaura und Kollegen durften nur NAS-Probanden teilnehmen, die den psychologischen Persönlichkeitstest "MMPI" absolviert hatten und zum Zeitpunkt des Studienbeginns über keinerlei Hinweise auf eine Herzerkrankung verfügten.

Neben dem Niveau der Feindseligkeit wurden innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren auch die Werte von Blutfett, Insulin, Blutdruck, dem Body-Mass-Index (BMI), der Weight-to-Hip-Ratio (WHR), Diäten, Alkoholkonsum, Rauchverhalten und Lernfähigkeit gemessen.

Das Ergebnis: Koronare Herzerkrankungen kamen bei jenen Männern mit stark ausgeprägter Feindseligkeit öfter vor als bei jenen, die sich durch andere Risikofaktoren auszeichneten - wie hohem Cholesterinspiegel, starkem Alkohol- oder Zigarettenkonsum.
->   Mehr über BMI und WHR
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Koronare Herzkrankheiten
Der Begriff "Koronare Herzerkrankung" sammelt Krankheitsbilder, bei denen überwiegend die Koronarsklerose, also die Verkalkung der den Herzmuskel versorgenden Herzkranzgefäße, die Krankheitsursache ist: Angina pectoris, Koronarinsuffizienz, Herzinfarkt, Wandkontraktionsstörungen, Herzrhythmusstörungen bis hin zum plötzlichen Herztod.
->   Mehr darüber (medicine worldwide)
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Auch weniger Cholesterin schützt nicht vor Leiden
5,8 Prozent der feindseligen Männer litten unter dem einen oder anderen Herzleiden. Nach Ansicht der Autoren ist diese Eigenschaft somit als eigenständiger Risikofaktor neben den bekannten - auch soziodemographischen wie z.B. soziale Herkunft oder Einkommensverhältnisse - zu betrachten.

Dieser Trend war auch bei untersuchten Korrelationen zu finden: So schützen zwar gute Werte beim HDL-Cholesterinspiegel (High-Density-Lipoprotein-Cholesterin) prinzipiell gegen Herzerkrankungen. In Verbindung mit einem hohen Feindseligkeits-Level verlor der Faktor aber seine Schutzwirkung.
Feindseligkeit wichtigster Risikofaktor
Der Schluss der Autoren: Von allen Risikofaktoren ist jener der Feindseligkeit der wichtigste. Aggressive Männer hätten das höchste Risiko an einem koronaren Herzleiden zu erkranken, die Stärke der Feindseligkeit sei der beste Parameter, um die Wahrscheinlichlichkeit einer entsprechenden Krankheit vorauszusagen.
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Ho-Skala misst Feindseligkeit
Um Feindseligkeit zu messen, wurde die "Hostility Scale" (Ho-Skala) der beiden US-Psychologen Cook und Medley aus den 1950er Jahren verwendet. Die Ho-Skala, die ursprünglich für die Prognose des Unterrichtsverhaltens von Lehrern entwickelt wurde, umfasst 50 Items aus dem "Minnesota Multiphasic Personality Inventory" (MMPI), einem der meistbenutzten objektiven klinischen Persönlichkeitstests. Die Ho-Skala beschreibt Personen mit geringem interpersonalen Vertrauen, die andere Menschen als unehrlich, wenig sozial und moralisch bedenklich wahrnehmen. Mit der Ho-Skala wird nicht so sehr Aggressivität erfasst, als latente Feindseligkeit, Misstrauen und Zynismus sowie eine Neigung zu chronischem Ärger.
->   Mehr über den MMPI-Test
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Zusammenhänge nicht ganz klar
Dass es diese Zusammenhänge gibt, darüber wissen sich Niaura und Kollegen eins mit einer Reihe anderer Studien.

Worauf die besondere Vorhersagefähigkeit feindseliger Gefühle aber beruht, darüber sind sich die Wissenschaftler nicht ganz im klaren. Es könnte sein, so schreiben sie, dass Feindseligkeit mit gewissen körperlichen Reaktionen zusammenhängt, die von der Studie nicht erfasst worden sind - wie Herzrhythmusstörungen oder Belastungen des Nervensystems.
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Die Studie ist unter dem Titel "Hostility, the Metabolic Syndrome, and Incident Coronary Heart Disease" in der aktuellen Ausgabe von "Health Psychology" (Vol. 21, Nr. 6, S. 588-593) erschienen.
->   Die Studie (pdf-Datei)
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Zynismus: Entscheidender Faktor
Schon in einer aus dem Jahr 1998 stammenden Studie wurde dem "Zusammenhang zwischen Feindseligkeit und ... der Schwere der koronaren Herzerkrankung" nachgegangen. Die Autoren um O. Mittag beriefen sich dabei auf zwei Wirkmechanismen.

So berichteten sie, dass "Personen mit hohen Werten in dem Merkmal Feindseligkeit aufgrund ihrer ablehnend-zynischen Einstellung anderen Menschen gegenüber weniger soziale Unterstützung erfahren", und "mit einem generell ungünstigen psychosozialen Risikoprofil einhergehen, das durch mangelnde soziale Unterstützung, häufige Ärgersituationen sowie fehlende bewältigungsregulative Ressourcen gekennzeichnet ist."

Als entscheidende Dimension der Ho-Skala im Hinblick auf die koronaren Herzerkrankungen bezeichneten O. Mittag und Kollegen "Zynismus".
->   Die Studie von O. Mittag und Kollegen
Handlungsbedarf für Gesundheitspsychologen
Für die Gesundheitsvorsorge ergibt sich für Raymond Niaura jedenfalls die Forderung, sich in Hinkunft verstärkt um die psychologische Betreuung von Menschen zu kümmern, die starke Feindseligkeitsgefühle gegenüber ihrer Umwelt hegen.
->   Health Psychology
->   Brown Medical School
 
 
 
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01.01.2010