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Metaphern in der Politikrhetorik  
  Vom "Haus Europa" über "soziale Treffsicherheit" bis zum "nationalen Schulterschluss": Metaphern sind aus der politischen Rhetorik nicht wegzudenken. Der vergleichende Sprachwissenschaftler Alexander Halper untersuchte sie über einen Zeitraum von drei Jahren und schrieb dazu seine Diplomarbeit. Die Arbeit ist im Uni-Portal mnemopol.net erschienen, science.ORF.at stellt sie in Form einer Rezension vor.  
Champagner unter den Sprachschöpfungen?
rezensiert von Oliver Gingrich, mnemopol.net

In ihrer einfachen, knappen und illustrierenden Form eignen sich Metaphern besonders als rhetorische Figur der Politikersprache. Metaphern erfüllen durch diese Eigenschaften alle sprachlichen Anforderungen eines der Logokratie (vgl. Fritz Mauthner) und der Telekratie (vgl. etwa Werner Holly) unterworfenen Wahlkampfes. Zitierfähigkeit dient der Imagepflege, und diese wird durch Emotionen geschürt, welche veranschaulichende semantische Formen wie Metaphern mit ihren Nachteilen leicht erzeugen.
Der Aufraunfaktor
Es nimmt daher nicht wunder, dass Metaphern, um den Preis von Komplexitätsreduktion und manchmal samt manipulativem Drall bei steuerbaren Aus-/Einblendung von Kontexten, zu den wirkungsvollsten sprachlichen Formen in der Politik zählen.

Zu den Eistagen des politischen Diskurses - vor dem Urnengang, auch im Zuge der Sanktionsmonate - mit erhöhter Frequenz: Beispielsweise Haiders "Westentaschennapoleon" des Aschermittwochs 2000, Gusenbauers belächelte Wortkreation der "Krafthosen" im April `01 oder Minister Strassers Metapher über den "Feuerteufel von St. Georgen" im Mai 01. Alexander Halper hat Metaphern kompiliert und klassifiziert.
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Metapherntheorie
Zwei grobe Zugänge gibt es zu Metapherndefinitionen: Die Vergleichstheorie stützt sich auf Aristoteles, wonach eine Metapher eine Übertragung eines Wortes (Art auf Gattung, Gattung auf Art oder Art auf Art) darstellt. Eine Metapher unterscheidet sich daher kaum von einem Vergleich ('A' ist wie 'B') außer, dass Vergleichspartikel nicht explizit erwähnt werden ('A' ist 'B'). Die Substitutionstheorie sieht in der Metapher ('A' ist 'B') einen Verweis auf ein kontextuell eingebundenes Verbum Proprium ('A' ist 'C').
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Metapherntheorie des 20. Jahrhunderts
Die moderne Metapherntheorie des 20. Jahrhunderts folgt den Konzepten Ivor Armstrong Richards der 30er Jahre und etwas später Max Black's Interaktionstheorie, welche endlich auch kognitive Aspekte in die Untersuchungen integrierte.

Nebst Noam Chomsky als einem Hauptvertreter der modular kognitiven Linguistik, entwickelten George Lakoff und der Philosoph Mark Johnson in den 80er Jahren das Gegenmodell des holistischen Zweigs - die Theorie der idealisierten kognitiven Modelle (IKM). Diese versucht, kognitive Modelle des menschlichen Konzeptsystems zu definieren - darunter auch jene metaphorischer Natur. Später verfeinerte Christa Baldauf das Modell, hier adaptiert für die Analyse.
Assoziative Behälter und Behausungen
Unter die Lupe genommen werden nach Baldaufs Schema Grundtypen der Metapher. Die Palette reicht von der meteorologischen (Klima & Tauwetter) bis zur propagierten "Naturkatastrophe" (Asylantenflut), von Fahrzeugmetaphern der Wenden und Doppelgleisigkeiten. Dort wo es um die Beschreibung politischer Zustände geht, sind es oft Behälter, die den Brei abstrakt und somit vermeintlicher Weise heiß halten sollen wie z.B. geschnürte Pakete.

Auch baumetaphorische "Mittlerweile-Euphemismen" - etwa der Gorbachev'sche Terminus vom "Haus Europas" von 1987 - werden gern bemüht, um dann von Journalisten als "Festung Europa" entkräftigt zu werden. Jedoch reduziert sich politische Kommunikation nun nicht auf adäquate oder inadäquate, jedenfalls deskriptive Sachverhaltsvermittlung. Hingegen setzt sich im Nominalcaseszenario der politischen Debatte Selbstinszenierung bzw. Diskreditierung anderer AkteurInnen des Sympathiekampfes durch.
Hahnenkampf und Steinzeitrhetorik
An Vergleichen mit anderen Schauplätzen des Sympathiebuhlens oder der Auseinandersetzung mangelt es auch in der politischen Sprache nicht. Während das IKM der "Theater" Klamauk entlarven will, Absurdität des Wählergunstbalzens selbstreflexiv beleuchtet, werden bei Sportmetaphern Anstrengungen und Überlegenheiten hervorgehoben.

Vage Termini des Spieles implizieren da dann nicht nur Kräftemessen, sondern auch pseudobittere Wahrheiten von "Nullsummenspielen" wie beim Schach: The-Winner-Takes-it-all-Botschaften halten sich österreichische Mandatare als Mahnrufe manchmal durch die, manchmal ohne Blume gegenseitig vor. "Frontalattacken", "Manöver", "Parteisoldaten" (Haider) oder gar "Kreuzzüge" sind beinahe so hoch im Kurs wie die Porträtierung politischer Gegner als Neandertaler im "Keulen schwingen".

Der "Nationale Schulterschluss" sollte an das Patrouillieren nationaler Einheit in der Zeit der Sanktionsbedrängnis appellieren. Die "soziale Treffsicherheit" kam in der Kür zum Unwort des Jahres 2000 zu zweifelhaften Ehren: Treffsicherheiten galten vielleicht vormals als Waffenqualitätsindizes, per Parlamentsbeschluss vom 19.11.2000 sollte sie bei der Einsparung von 5 Milliarden Schilling im Sozialbereich bildlich Unfehlbarkeit signalisieren.
Mittel zur Selbststilisierung
Als Mittel zur Selbststilisierung waren Metaphern in Abgrenzung beliebt, z.B. als Peter Pilz sich im März 2000 nicht als grüner Hundeschweif zum Wedeln einer SPÖ Regierung inauguriert sehen wollte, oder aber auch in Selbstbeweihräucherung wenn Jörg Haider sich selbst sinngemäß als garagierter Rolls Royce begriff.

Auf eine Hochschaubahn der politisch-düsentriebigen Wortkreationen führt Alexander Halper über penibel recherchierten Kategorien der Metapher - seine Diplomarbeit (Arbeitstitel "Schon mancher ist als politischer Tiger abgesprungen und als Bettvorleger geendet" - Zitat Hilmar Kabas gemünzt auf Häupl zur Wienwahl 2001) gibt¿s nachzulesen auf mnemopol.net.
->   mnemopol.net
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Über den Autor
Alexander Halper: geb. 1972 kaufmännische Ausbildung, Matura im 2. Bildungsweg
1997 - 2001 Studium der (Angewandten) Sprachwissenschaft und Deutschen Philologie, Universität Wien; besondere Forschungsinteressen: Denkmodelle und ihre Fundierung in Wahrnehmung und Kulturgebundenheit
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01.01.2010