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Die Geschichte des "treusten Freundes" des Menschen  
  Seit Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler der Spur der evolutionären und sozialen Geschichte des Hundes zu folgen. Allerdings mit gemischtem Erfolg, denn es sind nur subtile Unterschiede, die einen Hund vom Koyoten, Schakal oder anderen hundeähnlichen Tieren trennen. Diese Ähnlichkeit erschwert nicht nur die Erfassung von Stammbäumen, sondern auch die genaue Bestimmung des Zeitpunktes, als der Wolf zum Hund wurde. In der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Science" versuchen drei wissenschaftliche Studien einige der Schlüsselfragen, die sich um die Evolution des Hundes ranken, zu beantworten.  
Archäologische Funde der Überreste von Wölfen und Hunden in der Nähe der Lager des frühgeschichtlichen Menschen ließen bisher der Debatte über den Zeitpunkt der Domestizierung des Hundes großen Spielraum. Die jetzt im Fachjournal "Science" veröffentlichten Arbeiten sollen diesen Umstand ändern.
Woher kam der Hund, wohin ging der Hund?
Zwei Wissenschaftlerteams verfolgten die genetischen Wurzeln von Hunden in der Neuen und der Alten Welt und kamen zu folgendem Schluss: Die ersten domestizierten Hunde gab es vor ca. 14.000 Jahren in Ostasien, von dort verbreiteten sie sich über ganz Asien und Europa, bis sie zusammen mit dem Menschen die neue Welt erreichten.
->   Science: Genetic Evidence for an East Asian Origin of Domestic Dogs (kostenpflichtig)
->   Science: Ancient DNA Evidence for Old World Origin of New World Dogs (kostenpfl.)
Versteht der Hund den Mensch?
In einer dritten Studie wird das Verhalten von Hunden und Wölfen verglichen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Hunde während des Prozesses ihrer Zähmung die ungewöhnliche Eigenschaft entwickelt haben, bestimmte Formen der Körpersprache des Menschen zu verstehen.
->   Science: The Domestication of Social Cognition in Dogs (kostenpflichtig)
Ein vielfältiges Erscheinungsbild
Vor langer Zeit ließen sich ein paar unerschrockene Wölfe von Menschen erstmals ihr Fell kraulen - und wurden in Folge zum besten Freund des Menschen. Im Laufe der Jahrtausende änderte sich - durch tatkräftige Mithilfe des Menschen - das Erscheinungsbild des ehemaligen "bösen" Wolfes extrem.

Heute ist es beim Anblick von zwei Kilogramm schweren Pudeln, 90 Kilogramm schweren Doggen, großen, schlanken Windhunden und kleinen gedrungenen Englischen Bulldoggen nur schwer vorstellbar, dass alle Hunde eine gemeinsame Wurzel haben. Denn für eine Spezies hat der Hund ein äußerst vielfältiges Erscheinungsbild.
Eurasischer Wolf - Vorfahre des modernen Hundes
Der eurasische Wolf ist der wahrscheinlichste Vorfahre des modernen Hundes. Für die teilweise dramatischen Größen- und Erscheinungsunterschiede sind nicht unterschiedliche genetische Wurzeln, sondern die Zuchtversuche der letzten 500 Jahre verantwortlich, meint Peter Savolainen vom Royal Institute of Technology, Autor der Studie über die Hunde der Alten Welt.
Vor 14.000 oder 15.000 Jahren
Die Domestizierung dürfte laut Savolainens Studie vor ungefähr 14.000 Jahren stattgefunden haben. Die Ergebnisse der Studie über die Hunde der Neuen Welt stoßen allerdings auf ältere Wurzeln.

Sie vermuten den "ältesten Hund" vor 15.000 Jahren. Der Verfasser dieser Studie, Carles Vila von der University of Uppsala, glaubt jedoch, dass Hunde und Menschen schon vor diesem Zeitpunkt miteinander gelebt haben.

"Wir haben herausgefunden, dass Hunde, die in der Alten Welt geboren wurden, zusammen mit dem Menschen die Bering-Straße überquert haben und so in die Neue Welt gelangten", sagt Vila.
Beginn der Domestizierung war in Ostasien
In der Studie des Royal Institute of Technology analysierten Wissenschaftler die DNA-Muster von Hunden aus Asien, Europa, Afrika und dem arktischen Amerika.

Während sich die meisten Hunde einen gemeinsamen Genpool teilen, war die genetische Vielfalt bei den Hunden in Ostasien am höchsten. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass die Hunde in dieser Region schon am längsten domestiziert sind.
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Domestizierung war kein Zufallsprodukt
Bisher dachten Wissenschaftler immer, dass die Domestizierung von Pflanzen und Tieren im Mittleren Osten ihre Wurzel hat, meint Savolainen. "Es scheint so, als ob die Menschen Ostasiens domestizierte Hunde aus verschiedenen Wolfsarten hatten. Es handelt sich bei diesen Domestizierungen also nicht um Zufallsprodukte", sagt Savolainen.
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Neue und Alte Welt: Die Frage der Verwandtschaft
In der zweiten Studie unter Leitung von Carles Vila ging man der Frage nach, ob die Hunde in der Neuen Welt von dort ansässigen Wölfen domestiziert wurden und nicht mit den Wölfen der Alten Welt verwandt sind, oder aber ob und wie die beiden Gruppen verwandt sind.

Zu diesem Zweck verglichen die Wissenschaftler die DNA-Sequenzen von Hunden der Neuen und der Alten Welt. Dabei wurden auch die Gene von Hunden aus Lateinamerika und Alaska berücksichtigt, die von den Hunden der ersten europäischen Eroberer abstammen.

Die Gemeinsamkeiten unter den DNA-Sequenzen lassen demnach den Schluss zu, dass diese Hunde alle von den selben Vorfahren abstammen.
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Mitochondriale DNA
Beide Wissenschaftlerteams studierten die mitochondriale DNA der Hunde. Diese kleinen Kraftwerke der Zelle werden nur mütterlichseits vererbt. Dabei achteten die Wissenschaftler vor allem auf die so genannte "Kontrollregion", ein DNA-Strang, der dafür bekannt ist Mutationen besonders schnell zu akkumuliern. Daher kann man an dieser Stelle die Unterschiede zwischen Wolf und Hund besonders gut sehen.
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Die meisten Hundpopulationen haben gemeinsame Wurzel
Für beide Studien gruppierte ein Computerprogramm bestimmte verwandte DNA-Sequenzen - so genannte "Haplotypes" - nach ihren Gemeinsamkeiten. Diese wurden in vier Gruppen oder "Stämme" unterteilt, die in beiden Studien annähernd gleich waren (In der Studie über die Hunde der Alten Welt wurden noch zwei zusätzliche kleinere Gruppen gefunden).

95 Prozent der Hunde gehörten zu drei der "Hauptstämmen" A, B und C, bei einer ähnlichen Verteilung in allen untersuchten Regionen. Daher haben nach Meinung der Wissenschaftler die heute am weitesten verbreiteten Hundepopulationen ihre gemeinsame Wurzel in einem einzigen Gen-Pool, der in den drei "Hauptstämmen" enthalten ist.
Vielleicht hat Domestizierung schon viel früher begonnen
Weitere Analysen der relativ großen Gruppe der "Stamm A Haplotypes" zeigten, dass die Sequenzen noch in etliche Subgruppen unterteilbar waren. Unter der Annahme, dass die Mutationen in der "Kontrollregion" regelmäßig auftreten, konnten die Wissenschaftler abschätzen, wie lange eine Subgruppe brauchte, um sich zu entwickeln.

Das Ergebniss: Wenn diese Subgruppen das Resultat mehrfacher Wolfseinmischungen sind, dann hat die Domestizierung vor ungefähr 15.000 Jahren begonnen. Wenn es nur eine Wolfseinmischung gegeben hat, dann könnte die Domestizierung schon vor 40.000 Jahren begonnen haben.

Auch bei den in Amerika heimischen Hunden konnten Subgruppen festgestellt werden. Diese repräsentieren nach Meinung der Wissenschaftler die verschiedenen Vorfahren dieser Hunde, die mit dem Menschen vor ca. 14.000 Jahren die Bering-Straße überquert haben.
Zeitpunkt, aber nicht die Ursache geklärt
Bisher wissen die Wissenschaftler aber noch immer nicht, warum der Mensch begann Hunde zu domestizieren - die Geschwindigkeit jedoch, mit der sich Hunde verbreiteten und in unterschiedliche Rassen auffächerten, legt laut Vila den Schluss nahe, dass sie für den Menschen wichtig waren.

"Ich kann mir vorstellen, dass durch den Hund die Jagd verbessert wurde, oder auch die Kolonialisierung der neuen, unbekannten Gebiete leichter wurde. Durch das Halten eines Hundes muss es aber darüber hinaus noch einen großen Vorteil gegeben haben, der die Verbreitung des Hundes über die ganze Welt ermöglicht hat", meint Vila.
Hunde können menschliche Zeichen "lesen"
Im Gegensatz zu Wölfen sind Hunde sehr geschickt im Lesen von menschlichen Signalen. Diese Fähigkeit könnten die Hunde während der Domestizierung entwickelt haben, oder sie könnte das Resultat der absichtlichen Zuchtauswahl des Menschen sein, vermutet der Autor der dritten Studie, Brian Hare von der University of Harvard in Cambridge.
Machen sich Hunde Gedanken?
Obwohl noch weiter Studien nötig sein werden, glaubt das Team um Hare, dass Hunde möglicherweise die Fähigkeit haben, über die Gedanken anderer nachdenken zu können. Diese Fähigkeit wurde bis jetzt nur Menschen und einigen nichtmenschlichen Primaten zugeordnet.

Die Wissenschaftler verglichen die Fähigkeit von Hunden, Wölfen und Schimpansen, indem sie in einem von zwei Containern Nahrung versteckten. Danach berührte, starrte oder markierte eine Versuchsperson in Gegenwart der Tiere den Container, der das Futter beinhaltete.

Hunde jeden Alters ließen die anderen Tiere weit hinter sich und entdeckten das Futter. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass Hunde die Fähigkeit haben menschliches Verhalten zu verstehen.
->   Royal Institute of Technology in Stockholm
->   Universität Uppsala
->   University of Harvard in Cambridge
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->   Wie der Wolf zum Hund wurde
->   Die Rückkehr der Wölfe
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01.01.2010