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Wien als Zentrum der Atomtest-Überwachung  
  Seit dem ersten Atombombentest im Jahr 1945 wurden mehr als 2.000 Kernwaffen-Explosionen durchgeführt. Nach jahrzehntelangem Ringen vereinbarten die Vereinten Nationen im September 1996 einen umfassenden Atomteststopp. Noch ist dieser Vertrag nicht in Kraft - doch ein weltumspannendes Überwachungs-Netzwerk wird derzeit aufgebaut. Dessen Zentrale ist in Wien angesiedelt.  
Nordkorea, Pakistan und Indien haben den Vertrag zum Stopp aller Atomtests noch nicht unterschrieben. Die USA dagegen haben zwar unter Präsident Clinton den Vertrag unterzeichnet, weigern sich jetzt allerdings, den Atomteststopp auch zu ratifizieren.
Ein weltweiter "Lauschangriff" soll Tests aufdecken
Denn die Amerikaner planen kleine Atombomben, so genannte "Mini-Nukes" einzusetzen, um unterirdische Lager in den "Schurkenstaaten" zu zerstören. Doch eines ist klar: Solche Atomtests können heute nicht mehr heimlich durchgeführt werden.

Dafür zuständig ist die "Preparatory Commission für the Comprehensive Nuclear-test-ban Treaty Organization", kurz "CTBTO" - mit Sitz in Wien: Dort überwachen Experten alle Erschütterungen, deren Ursache eine Atombombe sein könnte. Ein weltweiter Lauschangriff, von dem auch die Wissenschaft profitiert.
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"Comprehensive Nuclear Test Ban Treaty" und CTBTO
Nach jahrelangem Ringen wurde im September 1996 von den Vereinten Nationen der umfassende Atomteststopp-Vertrag vereinbart. Diese mit CTBT abgekürzte "Comprehensive Nuclear Test Ban Treaty" wird von der CTBTO mit Sitz in Wien berwacht.

Die CTBTO errichtet und betreibt dazu ein weltumspannendes Netz von Kontrollstationen, die mit vier unterschiedlichen technischen Methoden alle nuklearen Explosionen aufspüren sollen - egal, ob sie unter der Erde, im Meer oder in der Atmosphäre stattfinden. 2007 soll das Netz komplett sein. 321 Messstationen sind geplant, rund 160 sind bereits in Betrieb.
->   Der Atomteststopp-Vertrag im Volltext (Englisch)
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Seismische Stationen registrieren weltweit Beben
Die Stütze des internationalen Überwachungssystems der CTBTO sind seismologische Messungen. Im Endausbau sind 170 Stationen geplant, die jedes noch so kleine Erdbeben selbst in entlegenen Gebieten entdecken.

Schon heute registrieren die empfindlichen Instrumente jeden Tag fünfzig bis hundert Erschütterungen und sortieren aus, ob sie natürlichen Ursprungs sind oder von Menschen verursacht wurden.

Ein Beispiel: Im Bayrischen Wald nahe der österreichisch-tschechischen Grenze verzeichneten die seismischen Messungen im August 2000 die Explosion auf dem russischen U-Boot Kursk, bei der 118 Seeleute starben.
Neue Technik Infraschall
Eine ungewöhnliche neue Technik zur Überwachung heimlicher Atomtests sind Infraschall-Stationen. Sechzig sind weltweit geplant. Wie ein "Ohr" messen diese Anlagen Schallwellen und kleinste Luftdruckschwankungen im nicht hörbaren Frequenzbereich unter 20 Hertz.

Herzstück ist ein hochempfindlicher Sensor, der in einem Betonbehälter im Boden eingelassen ist. So können die Experten nicht nur Explosionen, sondern auch Meteoriten, Vulkanausbrüche oder Wetterturbulenzen im Umkreis von dreitausend Kilometern nachweisen.
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Mikrophone als "Spione" unter Wasser
Auch wenn Atombombentests unter Wasser stattfinden, schlagen Messinstrumente Alarm. Am Grund der Meere sind Unterwasser-Mikrophone, so genannte Hydrophone installiert, die akustische Wellen von Unterwasser-Explosionen auch in weiter Ferne einfangen. Ein heimlicher Nukleartest im Ozean kann so von Vulkanausbrüchen oder Erdbeben deutlich unterschieden werden. Weltweit werden elf hydroakustische Anlagen installiert.
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Radionuklid-Labor in Seibersdorf
Die einzige Technologie allerdings, die eine Atombombe zweifelsfrei identifiziert, ist die Analyse von Radionukliden aus der Luft. Im Vollausbau werden achtzig Messstationen ständig Luftproben nehmen, die bei Verdacht auf Atomtests untersucht werden.

Mit modernen Methoden können Atomphysiker Radioaktivität messen, die Millionenfach unter der natürlichen Strahlung liegt. Im Forschungszentrum Seibersdorf ist das erste von insgesamt 16 Radionuklid-Labors, das von der Atomteststopp-Kommission zertifiziert wurde und bereits jetzt Proben aus der ganzen Welt kontrolliert.
->   Austrian Research Centers Seibersdorf (ARCS)
Die Datenzentrale in der Wiener UNO-City
Alle Messwerte werden über Satelliten an das Internationale Datenzentrum übertragen, das in der UNO-City in Wien angesiedelt ist. Heute ist das Überwachungs-Netz etwa zur Hälfte fertiggestellt.

Doch bereits im Frühsommer 1998 konnten die Experten Atomexplosionen in Indien und Pakistan auf vier Kilometer genau ermitteln - die vorläufig letzten Atomtests? Rund achtzig Millionen US-Dollar lassen sich die Unterzeichnerstaaten das globale Spionagenetz jährlich kosten.
Zivile Nutzung der Überwachung
In Zukunft sollen aber nicht nur Militär und Politik, sondern auch die Wissenschaft von dem weltweit einmaligen Atombomben-Überwachungsnetz profitieren.

Denn die meteorologischen Daten und radioaktiven Messungen helfen etwa Unfälle in Kernkraftwerken zu analysieren. Die Erdbeben-Sensoren fahnden auch nach Nachbeben, Meteoriten, Vulkanexplosionen und Riesenflutwellen.

Sylvia Unterdorfer, "Modern Times"
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der Sendung "Modern Times" am Freitag, den 22.11.2002, ab 22.35 Uhr in ORF 2
->   "Modern Times"
->   Die Homepage der CTBTO
 
 
 
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01.01.2010