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Schizophrenie: Mängel in der Therapie  
  Ein Prozent der Österreicher erkrankt einmal im Leben an Schizophrenie. 50 bis 70 Prozent der Betroffenen erhalten aber noch nicht die modernsten und am besten wirksamen Medikamente.  
"Es gibt noch einige Verbesserungsmöglichkeiten", erklärte der Wiener Psychiater und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und biologische Psychiatrie, Siegfried Kasper, gegenüber der APA.
Medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlung
Kasper: "Es steht heute eine Reihe von verschiedenen neuen Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, die sowohl die medikamentöse Behandlung als auch die nichtmedikamentöse, wie zum Beispiel die psychosozialen Interventionstherapien umfassen."

Das hat laut Kasper, Leiter der Klinischen Abteilung für Allgemeine Psychiatrie am Wiener AKH, folgende positive Konsequenz: "Dadurch ist es möglich, einen Gesamtplan in der Gestaltung des Therapiekonzeptes zu erarbeiten, wobei den einzelnen Therapieformen und den dabei ausgewählten Medikamenten eine besondere Bedeutung in dem Sinn zukommt, dass sie nicht einfach addiert werden." Die richtige Abstimmung der einzelnen Maßnahmen sei entscheidend.
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Konsensus-Papier zur Diagnose und Behandlung
Am Wochenende wurde in Wien beim 4. Kongress der Fachgesellschaft ein von 22 österreichischen Experten aus dem Spitalbereich und aus der niedergelassenen Praxis erstelltes Konsensus-Papier zur Diagnose und Behandlung von Schizophrenie vorgestellt. Das Papier wurde von der österreichischen Medizin-Fachzeitschrift "CliniCum" veröffentlicht.
->   CliniCum
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Schizophrenie: Keine Persönlichkeitsspaltung
Die Schizophrenie ist jedenfalls keine "Spaltung der Persönlichkeit". Dieses Bild hat die Betroffenen in der Vergangenheit auch häufig stigmatisiert und diskriminiert.

Vielmehr betonen Fachleute, dass bei der Schizophrenie psychotische Symptome auftreten, die sich vor allem in Assoziationsstörungen und einem Widerspruch von Affekten zu ihren Inhalten äußern. Erst in der Folge werden dann Wahnideen und Halluzinationen bemerkt.

Zu diesen "positiven" Symptomen können aber auch "negative" kommen, die ebenso belastend und behindernd sind: Depressionen und Antriebsschwäche - also Probleme, welche die Betroffenen nur noch mehr in die Isolation treiben.
Jährlich 800 Schizophrenie-Neuerkrankungen
In Österreich gibt es pro Jahr rund 800 Schizophrenie-Neuerkrankungen. Sie sollten laut Siegfried Kasper und den Ko-Autoren der neuen Empfehlungen mit den modernsten Methoden behandelt werden: "Seit der Einführung der Neuroleptika in den fünfziger Jahren konnten wir bei rund 70 Prozent der Betroffenen innerhalb eines Jahres Rückfälle verhindern. Mit den neuen 'atypischen Antipsychotika' steigt diese Erfolgsrate auf 80 Prozent."
Weniger Nebenwirkungen
Doch zumindest genau so wichtig ist der Umstand, dass die neuen Medikamente nicht mehr die Nebenwirkungen der alten haben. Kasper: "Dadurch wird bei vielen Betroffenen erst der notwendige Rehabilitationsprozess möglich. Die alten Neuroleptika haben ehemals die Betten der psychiatrischen Kliniken deutlich geleert, weil sie zu einer Reduktion der Krankenhausaufnahmen führten. Doch Patienten laufen mit den alten Medikamenten häufig 'wie Roboter' herum."
Atypische Antipsychotika wären für 90 Prozent möglich
Auch Morbus Parkinson-ähnliche Symptome sind möglich. Das Problem dabei: Weil die Schizophrenie-Patienten vermeiden wollen, dass sie durch die Nebenwirkungen der Medikamente für die Mitmenschen erkennbar werden, verweigern sie die Therapie.

Hier könnten die neueren Arzneimittel einen wesentlichen Beitrag leisten. Doch noch längst nicht alle Patienten, die dafür in Frage kommen, erhalten sie. Kasper: "Grundsätzlich kann man sagen, dass die 'atypischen Antipsychotika' 90 Prozent der Patienten verschrieben werden können. In den Kliniken erhalten sie rund 50 Prozent, im niedergelassenen Bereich 30 bis 40 Prozent der Patienten."

Österreich - so der Experte - ist zwar laut einer Umfrage besser dran als der europäische Durchschnitt, doch gebe es eben die noch klar ersichtlichen Verbesserungsmöglichkeiten.
->   Siegfried Kasper, AKH Wien
->   Mehr über Schizophrenie in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010