News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Umwelt und Klima 
 
Gentechnik: Zucker-Gen macht Reis widerstandsfähig  
  Die grüne Gentechnik kann - so meinen ihre Befürworter - in naher Zukunft die Ernährung von Menschen in Entwicklungsländern sicherstellen. Von einem Schritt in diese Richtung berichten nun US-Forscher: Demnach ist es ihnen gelungen, durch das Einschleusen eines "Zucker-Gens" Reispflanzen widerstandsfähiger gegen Kälte, Dürre und stark salzhaltige Böden zu machen. Die Molekularbiologen wollen ihre Ergebnisse nicht an einen Großkonzern verkaufen, sondern der Öffentlichkeit frei zugänglich machen.  
Das Forscherteam um dem Molekularbiologen Ray Wu von der amerikanischen Cornell University hat eine neue Technik der genetischen Modifizierung von Nutzpflanzen entwickelt, die die Wissenschaftler in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) vorstellen.
...
"Trehalose accumulation in rice plants"
Der Artikel "Trehalose accumulation in rice plants confers high tolerance levels to different abiotic stresses" erscheint in der neuen Ausgabe der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).
->   "Proceedings of the National Academy of Sciences"
...
Reiskörner: Chemische Zusammensetzung unverändert
Dabei soll vor allem ein Detail der Methode den Kritikern der grünen Gentechnik den Wind aus den Segeln nehmen: Denn die chemische Zusammensetzung der essbaren Pflanzenteile - also etwa der Reiskörner - bleibe dabei völlig unverändert, betonen die Molekularbiologen.

Basis der Forschungen waren Reissorten der Indica-Gruppe, auf die ein großer Teil der bekannten 8.000 Sorten entfallen, darunter etwa Basmati und andere Langkorn-Sorten. Ihre Technik sei jedoch auch bei Reis der Japonica-Gruppe sowie für andere Getreidesorten - etwa Weizen, Mais, Hirse, Soja sowie Zuckerrohr anwendbar.
->   Mehr zu den unterschiedlichen Reissorten in www.lebensmittellexikon.de
Trehalose: Ein Zucker macht Pflanzen überlebensfähiger
Um den Reis widerstandsfähiger zu machen, griffen die Molekularbiolgen auf einen einfachen Zucker zurück: Trehalose. Dieses Disaccharid wird in einer Reihe von Organismen natürlich produziert - von Bakterien und Hefen bis hin zu Pilzen und Insekten.

Normalerweise findet sich Trehalose nicht in Pflanzen - mit Ausnahme der so genannte "Auferstehungspflanzen", die etwa lange anhaltende Dürren überstehen können. Durch Trockenheit belastete "Auferstehungspflanzen" sehen aus, als ob sie völlig abgestorben seien - sobald aber Feuchtigkeit vorhanden ist, erwachen sie erneut zu Leben.

Auf der zellulären Ebene der Pflanzen hilft Trehalose dabei, Zellstruktur und Zellfunktion während starker Belastung durch schlechte Umweltbedingungen - beispielsweise anhaltende Kälteperioden - zu bewahren bzw. Funktion und Effizienz danach wieder aufzunehmen.
->   Mehr Informationen zu Trehalose
...
Gen-Sequenzen ermöglichen Kontrolle über Expression
Die Biologen verwendeten zwei verschiedene Escherichia coli-Gene, die für die Trehalose-Synthese in Bakterien verantwortlich sind und die miteinander fusioniert wurden, und schleusten diese in die Reispflanzen ein. Zudem entwickelten die Forscher eine Möglichkeit, speziell designte Sequenzen hinzuzufügen, um eine genaue Kontrolle über die Genexpression zu ermöglichen: Je nach Bedarf können die Trehalose-Gene demnach beim Auftreten von Umweltbelastungen in der Pflanze angeschaltet werden - beispielsweise bei Einsetzen von kälteren Temperaturen. Die Gen-Sequenzen können aber auch so reguliert werden, dass Trehalose nur in bestimmten Teilen der Pflanze produziert wird, etwa nur in den Blättern, nicht aber in den essbaren Bestandteilen.
...
Robuster und produktiver als herkömmliche Reissorten
Bis jetzt sind die transgenen Reispflanzen über fünf Generationen getestet worden: Die erwünschte Stress-Toleranz habe sich dabei nicht geändert, berichten die Wissenschaftler. Im Vergleich mit herkömmlichen Reissorten seien die genetisch modifizierten Pflanzen unter einer Reihe von Umweltbelastungen weitaus robuster.

Wie die Forscher weiter in den PNAS berichten, sind die von ihnen genetisch modifizierten Reispflanzen auch ohne Einwirkung von Stress produktiver als herkömmlicher Reis:

Demnach sind sie effizienter beim Prozess der Photosynthese, was zum Teil für die höhere Produktivität verantwortlich sei. Zudem habe man feststellen können, dass auch ihre Ausnutzung von Nährstoffen im Boden - etwa Zink und Eisen - besser sei.
Der Streit um die Verwertung von Ergebnissen
Wie die Wissenschaftler zudem bekannt geben, wollen sie ihre Ergebnisse nicht an einen der großen Saatgutkonzerne verkaufen, stattdessen soll ihre Methode der "Trehalose-Genmodifizierung" öffentlich zugänglich gemacht werden. Damit solle es möglich werden, verbesserte Anbaupflanzen in den Teilen der Erde zu kultivieren, wo dies am notwendigsten sei.

Keine Selbstverständlichkeit - gerade um den Reis, Grundnahrungsmittel für rund die Hälfte der Weltbevölkerung - ist in den vergangenen Monaten immer wieder Streit entbrannt. Nach der Entschlüsselung des Genoms zweier Reissorten wurde die Frage nach der Patentierbarkeit von "Leben" diskutiert:

Denn die beteiligten Unternehmen wollen natürlich aus ihren Forschungen auch finanziellen Nutzen ziehen - beispielsweise durch die Patentierung bestimmter Reisgene oder einzelner Gensequenzen. Damit sichert man sich allerdings sämtliche Nutzungsrechte.
...
Reisgenom: Geldsegen durch Lizenzpflicht?
Lässt sich ein Unternehmen beispielsweise ein bestimmtes Reisgen patentieren, das für eine besondere Eigenschaft der Pflanze kodiert, so sichert es sich damit sämtliche Nutzungsrechte. Jede Art von Forschung an diesem Gen und die Verwertung etwaiger Ergebnisse wäre lizenzpflichtig bzw. stünde allein dieser einen Firma zu.
->   Mehr zum Streit um das Reisgenom in science.ORF.at
...
Mehr und bessere Nahrung für Bedürftige
"Die Weltbevölkerung steigt weiterhin in enormem Maß, unser Ackerland nimmt ab, Frischwasser wird rar und zunehmende Umweltbelastungen stellen immer stärker eine Bedrohung für die globale Landwirtschaft dar", erklärt dazu Ray Wu, der Leiter der Studie.

Alles was man tun könne, um Nutzpflanzen widerstandsfähiger zu machen, werde auch Qualität und Quantität von Nahrung für diejenigen steigern, die dieser am dringendsten bedürfen, so Wu.
Mehrere Jahre weiterer Forschungen ...
Zuvor allerdings werden noch mehrere Jahre intensiver Forschung notwendig sein. Wie die Wissenschaftler schreiben, müssen alle Vorteile - und auch möglichen Nachteile - von Trehalose noch genau untersucht werden.

Die Patentierung der Ergebnisse ist geplant: Nicht um die kommerzielle Vermarktung kontrollieren zu können, sondern um gerade das Gegenteil sicherstellen zu können.
->   Cornell University Lifesciences
Mehr zu diesen Themen in science.ORF.at:
->   Biotech-Industrie: Gentechnik gegen Welthunger
->   Gentech-Pflanzen: Risiken und Nebenwirkungen
->   Genmanipulierte Lebensmittel als Nahrung der Zukunft?
->   Das science.ORF.at-Archiv zum Thema Gentechnik
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010