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Vorerst wenig Chancen, Tumore "auszuhungern"  
  Das Konzept galt lange als vielversprechendster Ansatz gegen Krebs: Die Entwicklung von Medikamenten, die bösartige Tumore "aushungern" sollen. Bislang jedoch gab es bei den Forschungen vor allem Fehlschläge.  
Vor einigen Wochen musste beispielsweise das US-Biotechnologie-Unternehmen Genentech eingestehen: "Avastin" brachte bei Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs (metastasiert) keine positiven Effekte.
Versagen kurz vor der Zulassung
Das mit großen Erwartungen entwickelte potenzielle Arzneimittel basiert auf einem so genannten monoklonalen Antikörper gegen jene körpereigene Substanz, welche sehr schnell neue Blutgefäße sprießen lässt. Das Medikament versagte allerdings in der letzten groß angelegten Phase III-Studie, die vor der Zulassung durch Arzneimittelbehörden stehen sollte.
Das Konzept des "Tumore aushungern"
"Avastin" sollte jenes Ziel anvisieren, das Wissenschafter in den vergangenen Jahren als möglichen Angelpunkt für neue Krebstherapien identifiziert hatten: VEGF, den "Vascular Endothelial Growth Factor" - jenes körpereigene Protein, das die Bildung neuer Blutgefäße vorantreibt.

Das geschieht nach Verletzungen, ist aber auch die Grundbedingung für bösartige Tumoren, um zu überleben. Eine Weile lang können sie ohne eigene Blutgefäße wachsen. Doch ihr Wachstum wäre ohne sie limitiert. Das Konzept: Könnte man in Tumoren VEGF ausschalten, müsste der Tumor "verhungern".

Genentech setzte dabei auf einen monoklonalen Antikörper, also ein im Labor hergestelltes Immunglobulin und hatte einen offenbaren Misserfolg ziemlich am Ende der Entwicklung des Medikaments.
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Versorgung und Wachstum von Tumorgewebe
Kleine Tumore, die zunächst lediglich aus ein paar Zellen bestehen, beziehen Nährstoffe bzw. den benötigten Sauerstoff direkt aus dem umliegenden Gewebe. Dafür verwenden sie feinste Blutgefäße, die so genannten Kapillaren. Diese durchziehen den gesamten Körper, allerdings in einer normalerweise gleichbleibenden Anzahl.

Ab einer bestimmten Größe des Tumorgewebes reichen die umliegenden Kapillaren für die Versorgung nicht mehr aus - der Tumor regt dann die Bildung von Blutgefäßen an, um den steigenden Sauerstoffbedarf zu decken. Ein Vorgang, der sich Angiogenese nennt und im Körper nur unter ganz speziellen Bedingungen stattfindet, etwa bei Herzerkrankungen.
->   Mehr Informationen zu Angiogenese in www.angiogenese.de
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Weiteres Beispiel: Thrombosen bei Probanden
Ähnlich ging es auch dem Pharmakonzern Pharmacia (mittlerweile in Übernahme durch Pfizer). Das Unternehmen wollte mit dem Molekül SU5416 ein synthetische Produkt entwickeln, das die Wirkung von VEGF durch die Blockade seines Rezeptors verhindern sollte.

Während der Erprobung an Patienten in Kombination mit einer herkömmlichen Chemotherapie kam es hingegen bei acht von 19 Patienten zu Thrombosen, zwei Kranke erlitten einen Schlaganfall. Pharmacia gab das Projekt - so die Fachzeitschrift "Nature Biotechnology" (Novemberausgabe) - auf.
Vergebliche Versuche mit weiteren Molekülen ...
Ein weiteres Beispiel: Wie Pharmacia erging es auch dem US-Unternehmen TAP Pharmaceuticals mit dem kleinen Molekül TNP-470. Nach zehn Jahren vergeblichen Versuchen, damit eine Wirkung bei Patienten zu erzielen, wurde das Projekt aufgegeben.

Das US-Unternehmen Cytran dagegen ging nach Investitionen von 50 Mio. US-Dollar (50,4 Mill. Euro) im Sommer dieses Jahres in Konkurs. Es hatte mit der Substanz IM862 einen VEGF-Blocker entwickeln wollen, um das bei Aids auftretende Kaposi-Sarkom zu bekämpfen.
... sowie mit körpereigenen Proteinen
Auch körpereigene Proteine, die ehemals einen "Hype" auf diesem Gebiet verursachten, versagten bisher. Judah Folkman von der Harvard University in Boston hatte 1996 mit Endostatin ein solches Anti-Gefäßbildungs-Protein entdeckt und an ein US-Biotech-Unternehmen (Entremed) auslizensiert.

Folkmans Forschungen hatten international für Schlagzeilen gesorgt. Doch in "Nature Biotechnology" erklärte jetzt Roy Herbst, Wissenschafter am MD Anderson Cancer Center in Houston im US-Bundesstaat Texas: "Ich glaube, dass das Mittel als einzelne Substanz selbst keine Wirkung hat."

Dabei hatten doch die verschiedenen potenziellen Substanzen so gut in Labormäusen funktioniert. Die Genentech-Wissenschafter hoffen jetzt auf positive Ergebnisse mit "Avastin" bei Dickdarmkrebs. Doch wenn das auch nicht gelingt, schaut es schlecht aus.
->   Infos über Avastin bei Genentech
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01.01.2010