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Riesige Gasplaneten entstehen "im Handumdrehen"  
  Die Bildung von Gasplaneten wie Jupiter oder Saturn dauert Millionen von Jahre - so lautet eine gängige astronomische Theorie. Ein verfeinertes Rechenmodell lässt nun auf einen viel kürzeren Zeitraum schließen. Demzufolge entstehen Riesenplaneten in wenigen hundert Jahren, im Vergleich zum Alter des Universums also "im Handumdrehen".  
"Wenn sich ein Riesenplanet nicht schnell bildet, wird er sich vermutlich gar nicht bilden", bringt es der Astrophysiker Thomas Quinn von der University of Washington auf den Punkt. Gemeinsam mit Lucio Mayer von der Universität Zürich und Kollegen hat er ein mathematisches Modell verfeinert, das die ultraschnelle Planetenbildung beweisen soll.
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Die Studie ist unter dem Titel "Forming Giant Planets Via Fragmentation of Protoplanetary Disks" in der aktuellen Ausgabe von Science (Bd. 298, S. 1756-1758, vom 29. November 2002) erschienen.
->   Zur Studie (kostenpflichtig)
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Materie aus protoplanetarer Scheibe
Schon der französische Astronom Pierre de Laplace, der im 18. Jahrhundert detaillierte Darstellungen der Bewegungsvorgänge der Himmelskörper abgab, spekulierte darüber. Heute gelten sie als Geburtsstätten von Planeten: Gas- und Staubscheiben, die um junge Sterne rotieren.

Wenn sich im Laufe der Zeit die Gas- und Staubwolken der so genannten protoplanetaren Scheiben verdichten, kann sich die Materie zuerst zu Planetenkeimen (Planetesimalen) formen und danach - durch zunehmende Anziehungskraft - zu kompletten Himmelskörpern.

Beweise dafür wurden in den vergangenen Jahren durch astronomische Beobachtungen im Radio- und Infrarotbereich erbracht.
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Planetesimale
Als das Sonnensystem aus Gaswolken, Gesteins- und Eisklumpen entstand, blieben Unmengen Geröll übrig. Diese verbanden sich zu Gesteinsbrocken, die einen Durchmesser von ein bis 100 Kilometer hatten - den so genannten Planetesimalen (kleine Planeten), die ihrerseits das Hauptmaterial für die danach folgende Bildung von Planeten darstellten.
->   Mehr über Planetesimale und die Bildung von Planeten
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Bildung in weniger als tausend Jahren
Der Zeitraum für diesen Prozess wurde aufgrund eines gängigen Planetenbildungs-Modells ("standard core-accretion model") mit ein bis zehn Millionen Jahren eingeschätzt.

Die nun vorgestellte Studie von Lucio Mayer und seinem Team beruht auf einer verfeinerten mathematischen Berechnung. Sie kommt zu dem Schluss, dass sich die protoplanetare Scheibe schon nach wenigen Umdrehungen um den Stern aufzusplittern beginnt.

Dadurch kommt es zu einer Anhäufung von Materie, welche die umliegenden Weltraumgase "aufsaugt" - die riesigen Gasplaneten können entstehen. Geschätzter Zeitraum: Weniger als tausend Jahre.
Protoplanetare Scheibe in verschiedenen Stadien
 
Bild: Science

"Vogelperspektive" einer Simulation, die den Zustand der protoplanetaren Scheibe zu verschiedenen Zeitpunkten zeigt.
Konstante Temperatur von 50 Kelvin
Die entstehenden Planeten müssen sich den tödlichen Einflüssen benachbarter Sterne entziehen, welche die Weltraumgase aufheizen und verteilen. Wenn der Prozess zu lange dauert, zerstreuen sich diese Gase durch die Strahlung der Sterne.

Entscheidender Faktor ist eine konstante Temperatur von annähernd 50 Kelvin (minus 223 Grad Celsius).
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Mayer und seine Kollegen schließen nicht aus, dass Planeten auch über einen längeren Zeitraum hin gebildet werden können, glauben aber, dass es sich bei ihrer Kurzvariante um den weitaus häufigeren Fall handelt.
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Mehr als 100 extrasolare Planeten
Die Existenz von Gasplaneten außerhalb unseres Sonnensystems ist wissenschaftlich abgesichert. Seit Mitte der 1990er Jahre konnten mehr als 100 dieser so genannten extrasolaren Planeten entdeckt werden - mit einer Größe von einer bis zu zehn Jupitermassen.

Ermöglicht wird das Auffinden der extrasolaren Planeten durch die periodische Dopplerverschiebung im Sternenspektrum.
->   Mehr dazu in science.ORF.at: Ein Gastbeitrag von Elke Pilat-Lohinger
->   science.ORF.at: Hundertster extrasolarer Planet entdeckt
Verfeinerung einer Methode der 1950er Jahre
Die Vorstellung einer schnellen Planetenbildung existiert nach Auskunft der Forscher bereits seit den 1950er Jahren. Das entsprechende Modell, eine bestimmte Simulation der Dynamik von Flüssigkeiten, sei aber nicht genügend detailliert gewesen. Mayer und sein Team haben es nun wiederbelebt und verfeinert.
Sternennähe entzog Neptun und Uranus Gas
Das neue Modell soll auch erklären, warum Uranus und Neptun im Gegensatz zu Jupiter und Saturn über keine Gashülle verfügen - obwohl sie ebenfalls zu der Kategorie der Riesenplaneten zählen: In der Zeit, als diese Planeten gebildet wurden, so die Forscher, war unser Sonnensystem Teil eines riesigen Sternenhaufens.

Uranus und Neptun befanden sich als äußere Planeten zu nahe an einem benachbarten Stern und hätten dadurch alles Gas verloren, das sie bereits angezogen hatten. Der Stern selbst habe sich seit damals von unserem System weit entfernt.
Ungelöste Fragen
Was allerdings auch mit der neuen Berechnungsmethode nicht zu klären sei, ist der Frage, warum die meisten Gasplaneten außerhalb unseres Solarsystems viel näher zu ihren Heimatsternen liegen als Jupiter und Saturn.

Gemeinhin nimmt man an, dass sie in größerer Entfernung geformt wurden und sich erst im Laufe der Jahrmillionen zu ihren derzeitigen Positionen bewegt haben.

Auch die genaue Bildungsprozedur terrestrischer Planeten, wie die Erde oder der Mars, bleibt weiterhin nicht restlos geklärt. Bei ihnen glauben die Forscher an die Richtigkeit des traditionellen Modells, wonach sich die Planeten über einen weit längeren Zeitraum geformt haben.
->   Entstehung von Planetensystemen
->   science.ORF.at: Wie der Jupiter zu seinen Streifen kam
->   Mehr über Planeten in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010