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Maus-Genom nahezu komplett entziffert  
  Das Erbgut der Maus ist nahezu vollständig entziffert. Mit der Veröffentlichung der Daten ist ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Gentechnik gelungen. Aus forschungspolitischer Sicht, da es sich um öffentlich zugängliche Informationen handelt. Und aus wissenschaftlicher, weil das Verständnis des Modellorganismus Maus neue Möglichkeiten im Kampf gegen Krankheiten wie Krebs, Alzheimer oder Parkinson verspricht. Der Schluss der Forscher: Menschen und Mäuse haben mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick annehmen könnte.  
Daten zu 96 Prozent bekannt
Die rund 2,5 Milliarden chemischen Genbausteine der Maus (Mus musculus) wurden von Forschern des öffentlich finanzierten "Mouse Genome Sequencing Consortium" gelesen. Die Arbeitsversion dieser vornehmlich britisch-amerikanischen Gruppe stellt "Nature" am Donnerstag vor.

Die Ergebnisse sind demnach zu 96 Prozent komplett und stehen im Internet frei zur Verfügung. Nach dem Menschen ist die Maus der zweite Säuger, dessen Genom weitgehend entschlüsselt wurde.
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Die aktuelle Ausgabe von "Nature" (Bd. 420, ab S. 512) widmet sich der Sequenzierung der Maus in einem umfangreichen Spezialteil.
->   Das Maus-Special in "Nature"
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Modellorganismus Maus ...
"Die Maus liefert uns eine Lupe, durch die sich der Mensch selbst betrachten kann" - so lautet ein Motto der Forscher, das die Bedeutung der Erbgutentzifferung der Maus für den Menschen beschreiben soll.

Die Maus ist ein bevorzugtes Forschungsobjekt, weil sie weitgehende Parallelen zu Anatomie, Körperbau, Stoffwechsel und Genetik des Menschen aufweist.
... mit großen Ähnlichkeiten zum Menschen
"Wir besitzen sogar die Gene, die einen Schwanz machen könnten", sagt Jane Rogers, Chefin der Sequenzierungsabteilung am beteiligten Wellcome Trust Sanger Institute in Cambridge (Großbritannien).

Obwohl das Nagetier vollkommen anders aussieht, viel kleiner ist und kürzer lebt, funktionieren seine Organe, Gewebe und Zellen sehr ähnlich wie die des Menschen: Bei der Maus gefundene Ergebnisse lassen sich weitgehend übertragen. Außerdem können Genetiker Mäuse für Tierversuche schaffen, die ähnliche Krankheiten wie der Mensch haben.
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99 Prozent der Gene sind gleich
Die Ähnlichkeit von Mensch und Maus, die beide über rund 30.000 Gene verfügen, sind nach Angaben der Wissenschaftler weitreichend. So sind nur etwa 300 Gene mensch- bzw. maus-spezifisch. 99 Prozent der Gene des Mensch gibt es auch bei der Maus. 90 Prozent jener Gene, die mit Krankheiten in Verbindung gebracht werden, sind zwischen Mensch und Maus ident. Das Genom von Mus musculus umfasst 2,5 Milliarden Basenpaare, jenes des Homo sapiens 2,9 Milliarden.
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Auch 1.200 neue menschliche Gene entdeckt
Die genetischen Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Maus drücken sich auch in der Zusammensetzung der Proteine - also der Abfolge der Aminosäuren aus, deren Struktur durch die Erbsubstanz DNA bestimmt wird.

Durchschnittlich gibt es hier laut den Genom-Sequenzierern eine Übereinstimmung von 78,5 Prozent. Die Maus-DNA ist um 14 Prozent kleiner als jene des Menschen.

Bei der Analyse des Genoms und dem Vergleich mit dem Erbgut des Menschen stießen die Forscher auf 9.000 noch unbekannte Mausgene und auch 1.200 neue menschliche Gene, von denen einige wahrscheinlich bei Krebs oder anderen Erkrankungen eine Rolle spielen.
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Informationen sind frei zugänglich
Die Maus-Erbgutdaten werden von dem Konsortium in der Ensembl-Datenbank (einer Kooperation des European Bioinformatics Institute mit dem britischen Sanger Institute, finanziert durch den Wellcome Trust) frei zugänglich gemacht.

Zwar hatte auch das US-Unternehmen Celera Genomics bereits im April 2001 eine vorläufige Version des Mausgenoms fertig gestellt. Diese Daten sind jedoch weniger präzise und ihre Nutzung muss bezahlt werden. Ensembl liefert auch Gratis-Daten zum menschlichen Genom und vier weiteren Lebewesen.
->   Ensembl-Datenbank
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Knock-Out-Mäuse für neue Therapien
Bild:
Das Nature-Cover vom 5. Dezember 2002
Die Maus ist mit ihren genetischen Ähnlichkeiten zum Homo sapiens der wichtigste Modellorganismus für die Erforschung der Genetik des Menschen. Das zeigt sich insbesondere bei der Untersuchung so genannter "Knock-out"-Tiere.

Die Wissenschaftler schalten gezielt einzelne Gene aus und beobachten, was das in der Entwicklung der Tiere von der befruchteten Eizelle bis zum fertigen Organismus bewirkt. Auf diese Weise wurde zum Beispiel das für die Verhinderung von Brustkrebs relavante Gen BRCA-1 entdeckt.

Auch anderen komplexen Krankheiten wie Diabetis, Schizophrenie oder auch Herz-Kreislauf-Krankheiten hoffen die Wissenschaftler am Mausmodell auf die Spur zu kommen.
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Beispiel: Down-Syndrom
Einem Beispiel für die Wichtigkeit des Modellorganismus Maus für das Verständnis menschlicher Krankheit - dem Down-Syndrom (Trisomie 21) - widmen sich zwei Studien ebenfalls im aktuellen "Nature". Das Chromosom 21 steht in direktem Zusammenhang mit dieser Erkrankung: Sind in den Körperzellen drei statt der üblichen zwei Kopien des Chromosoms 21 vorhanden, tritt bei den betroffenen Kindern eine stark verzögerte körperliche und geistige Entwicklung ein.

Welche der ungefähr 200 bis 250 Gene auf dem Chromosom 21 für die Symptome des Down-Syndroms verantwortlich sind, ist nach wie vor unklar. Deutsche Wissenschaftler haben nach Untersuchungen an dem Modellorganismus Maus detaillierte Karten vorgelegt, die die Aktivitätsmuster der Gene auf dem menschlichen Chromosom 21 beschreiben.
->   "Nature": Human chromosome 21 gene expression atlas in the mouse (kostenpflichtig)
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Genetiker Müller erfreut ...
Für Mathias Müller, Vorstand des Instituts für Tierzucht und Genetik der Veterinärmedizinischen Universität Wien (VUW) ist die gemeldete Entschlüsselung des Maus-Erbgutes durchaus ein epochales Ereignis.

Aber - wie schon bei der Sequenzierung des menschlichen Erbgutes - sei damit nur ein weiterer Schritt zu einer immer besseren Kenntnis der Genetik getan, so Müller in einer ersten Reaktion gegenüber der APA.

Auch für die Maus-DNA gilt, dass die Kenntnis der Abfolge der verschiedenen Bausteine noch nichts über die Funktion aussagt. Daher wird es in Zukunft mehr denn je darum gehen, zu klären, welchem Zweck ein bestimmter Abschnitt der DNA dient und welche Proteine von welchen Genen synthetisiert werden.
... aber Arbeit noch nicht abgeschlossen
Die Sequenzierung des Maus-Erbguts wird auch noch nicht als abgeschlossen betrachtet. Die Forscher des Mouse Genome Sequencing Consortium schätzen, dass es noch eineinhalb bis zwei Jahre dauern wird, bis das Maus-Genom vollständig publiziert ist.
Sämtliche Artikel sowie Hintergrund-Infos frei zugänglich
Ähnlich wie schon bei der Veröffentlichung des Humangenoms macht "Nature" auch diesmal sämtliche Artikel zum Mausgenom frei zugänglich - zusammen mit einer Auswahl "klassischer Arbeiten" zur Maus sowie einer interaktiven "Timeline" zur Geschichte der Nager: "Nature": The Mouse Genome
->   Mouse Genome Resources (NIH)
->   Mouse Genome Server (Welcome Trust)
->   Mouse Genome Informatics
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Physikalische Genkarte der Maus veröffentlicht
->   Forscher entschlüsseln Genom der Maus
->   Mäuse und Menschen bemerkenswert ähnlich
 
 
 
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01.01.2010