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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Europaweiter Emissionshandel ab 2005  
  Umweltschutz, der auf ökonomischen Kosten/Nutzen-Rechnungen basiert: das ist der Gedanke des "Emissionshandels", genauer gesagt des Handels mit Emissionsrechten. Staaten bzw. Unternehmen, die den Ausstoß von Schadstoffen besonders stark reduzieren, sollen dabei finanziell profitieren. Die Europäische Kommission hat sich am Montag darauf geeinigt, dass der Handel bereits 2005 starten soll - es wird der weltweit erste seiner Art sein.  
Beim globalen Klimaschutz rückt der Emissionshandel immer mehr in den Mittelpunkt. Nach dem Kyoto-Protokoll von 1997 ist er als indirekter Weg erlaubt, um unter dem Strich bei möglichst geringen Kosten zu Minderungen der klimaschädlichen Treibhausgase zu kommen.
Die Idee des "Emissionshandels"
Den Plänen zufolge sollen die EU-Mitgliedstaaten an Betreibern von Industrieanlagen (wie Kraftwerke oder Zementfabriken) Emissionsrechte für eine festgelegte Schadstoffobergrenze vergeben.

Stößt ein Unternehmen mehr Treibhausgase aus als es seiner Zuteilung entspricht, kann es von anderen Firmen, die mit weniger Emissionen arbeiten, zusätzliche "Verschmutzungsrechte" kaufen. Auf diese Weise sollen Betriebe zu einer umweltfreundlicheren Produktion angehalten und die Emissionen kostenwirksam reduziert werden.

Das geplante Handelssystem sieht die Zuweisung von Emissionsrechten zunächst nur für Kohlendioxid - und nicht für die anderen Treibhausgase - vor.
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Kyoto-Protokoll: Noch nicht ratifiziert
Die Industriestaaten haben sich 1997 auf der UN-Klimakonferenz im japanischen Kyoto dazu verpflichtet, die Emission der sechs Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) und Schwefelhexafluorid (SF6) im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 gegenüber den Werten des Jahres 1990 um 5,2 Prozent zu senken.

Obwohl bisher 96 Staaten das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben, kann dieses noch nicht in Kraft treten. Dazu sind 55 unterzeichnende Staaten notwendig, die zusammen mindestens 55 Prozent der weltweiten Emissionen verursachen, momentan verursachen die 96 "lediglich" 37 Prozent. Wenn im Frühjahr 2003 Russland wie angekündigt beitreten sollte, ist die erforderliche Marke aber überschritten.
->   Der Text des Kyoto-Protokolls
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Umweltschutz und Effizienzgewinn?
Der Handel könnte eine wirtschaftlich effiziente Umsetzung von CO2-Zielen bedeuten. EU-Modellrechnungen schätzen die Effizienzgewinne auf 1,3 Milliarden Euro.

Kritiker sehen dagegen einen hohen bürokratischen und finanziellen Aufwand auf die Mitgliedstaaten zukommen.
Unklare Ausgangslage
Unklar ist derzeit noch, welche Ausgangsmenge an CO2-Rechten zur Verfügung steht und nach welchem Schlüssel diese an die Mitgliedstaaten verteilt werden soll. Deutschland setzte bei der EU-Kommission durch, dass Vorleistungen der CO2-Reduktion ab dem Jahr 1990 bei der Zuteilung angerechnet werden ("early actions").

Unstrittig ist unter den EU-Staaten, dass die Emissionsrechte bis 2012 kostenlos zugeteilt werden ("grandfathering") anstatt sie in einer Auktion zu versteigern. Dies erspart den Unternehmen Kosten beim Einstieg in das System.
Emissionshandel in der Slowakei
Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag (6. Dezember) meldete, hat die Slowakei als erstes Land weltweit einen gültigen Emissionshandel abgeschlossen. Das Geschäft wurde von der New Yorker Agentur "Evolution Markets LLC" abgewickelt, Partner waren die Regierung der Slowakei und ein namentlich nicht näher genanntes japanisches Handelshaus. Insgesamt sollen CO2-Emissionsrechte im Wert von einer Million US-Dollar gehandelt worden sein.
->   Mehr dazu (Reuters)
Ausnahme für einzelne Branchen bis 2007
Auf Druck der deutschen Seite änderte die Kommission zudem den Entwurf dahingehend, dass einzelne Anlagen oder ganze Branchen bis 2007 von einer Teilnahmepflicht am Emissionshandel ausgenommen werden können. Voraussetzung ist, dass sie ihren Ausstoß der für die Erderwärmung verantwortlich gemachten Treibhausgase auf andere Weise reduzieren.

Die deutsche Bundesregierung ließ für die Zugeständnisse aus Brüssel im Gegenzug ihre Forderung nach einem Zwangspool fallen. Pools, in denen die Firmen ihre Zertifikate gemeinsam verwalten können, sind dem neuen Entwurf zufolge nun zwar möglich, aber nicht zwingend.
Finanzstrafen bei unberechtigtem CO2-Ausstoß
Werden Nutzungsrechte überschritten, sind nach dem Entwurf der EU-Kommission bis zum Jahr 2007 mindestens 50 Euro je unberechtigt ausgestoßener Tonne CO2 oder eine Strafe in Höhe des zweifachen Durchschnittspreises zu zahlen.

Ab 2008 verdoppelt sich die Sanktion dann auf mindestens 100 Euro. Mehrere EU-Länder sind jedoch offenbar daran interessiert, die Strafe deutlich auf etwa 20 Euro zu drücken.
Administration noch unklar
Zur Verwaltung und Überwachung des Systems macht der EU-Richtlinienentwurf darüber hinaus wenig konkrete Angaben. Die Kommission benennt einen "Zentralverwalter", der die Handelstransaktionen registriert. Die Mitgliedstaaten sollen aber im Grundsatz selbst für die Überwachung und Überprüfung des Handels zuständig sein.
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Beispiel BP
Der Ölmulti BP ist den internationalen Verträgen zuvorgekommen, indem er zwischen 1998 und 2001 einen unternehmenseigenen Handel mit CO2-Zertifikaten testete - und dabei nach eigener Aussage beachtliche Erfolge erzielte. Er verpflichtete sich, den Ausstoß des Treibhausgases bis 2010 um absolut 10 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren und startete den Handel mit Emissionsrechten zwischen seinen Geschäftseinheiten - jeder einzelnen wurden Jahr für Jahr sinkende Emissionsziele vorgegeben und "Business As Usual" so unmöglich gemacht. Sie konnten nun weniger produzieren, die Effizienz über Prozessänderungen oder Investitionen erhöhen oder aber Zertifikate zukaufen. Erreichte eine Einheit ihr Ziel am Jahresende nicht, wurde das Management finanziell bestraft.

Verblüfft stellte BP dieses Jahr fest, dass das ehrgeizige Klimaschutzziel durch den Emissionshandel schon erreicht war - acht Jahre schneller als vorgesehen. Nicht nur für das Klima war das BP-Projekt aber ein Erfolg: Durch neue Verfahrenstechniken und Innovationen sparte der Ölmulti rund 600 Millionen Euro - ohne jegliche Zusatzkosten.
->   BP
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Ball liegt beim Europäischen Parlament
Nach einer Einigung im EU-Ministerrat muss sich im nächsten Schritt das Europäische Parlament in zweiter Lesung mit dem Thema beschäftigen.
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Dritte Welt als Öko-Ruhepolster für die Industrienationen?
->   Der Handel mit den Treibhausgasen
->   Umweltgipfel Johannesburg: Letzte Chance für die Erde?
->   Österreicht ratifiziert Kyoto-Protokoll (21.3.2002)
 
 
 
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01.01.2010