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Magersucht und Bulimie als Autoimmun-Erkrankungen?  
  Ein Defekt des Immunsystems könnte laut einer Studie für manche Fälle von Magersucht und Bulimie verantwortlich sein: Ein schwedisches Forscherteam hat bei der Analyse von Blutproben betroffener Frauen Hinweise darauf gefunden, dass diese Essstörungen Folge einer so genannten Autoimmun-Reaktion sind.  
Die Wissenschaftler vom Karolinska Institute in Stockholm, die über ihre Forschungen in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" berichten, haben Blutproben von Frauen untersucht, bei denen Anorexie, Bulimie oder beide Erkrankungen diagnostiziert worden waren.
Forscher auf der Suche nach Antikörpern
Dabei suchten die Experten vor allem nach Antikörpern, die das Immunsystem normalerweise produziert, um Infektionen und andere Fremdkörper zu bekämpfen: Antikörper suchen - unter anderem - nach den "Eindringlingen", heften sich an diese und fungieren als "Gefahrenmelder" an das Immunsystem.

Bei so genannten Autoimmunerkrankungen wie etwa Multiple Sklerose geht dieser Mechanismus allerdings schief - die Antikörper richten sich gegen das körpereigene und ungefährliche Gewebe.
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Autoimmunerkrankung: Entgleisung des Immunsystems
Bei Autoimmunerkrankungen richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper. Während es normalerweise dazu dient, Bakterien, Viren und andere Fremdkörper unschädlich zu machen, ist es in diesen Fällen tatsächlich falsch programmiert: Die Immunzellen lassen sich täuschen und können nicht mehr zwischen "selbst" und "fremd" unterscheiden. Die Folgen des Angriffs auf körpereigenes Gewebe sind Krankheiten wie Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis und andere Leiden.
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Antikörper in den meisten Fällen gefunden
Bei ihren Untersuchungen stießen die Wissenschaftler tatsächlich in der Mehrzahl der Fälle auf Antikörper: Diese binden demnach in Untersuchungen mit Ratten an Zellen aus zwei Gehirnregionen - dem Hypothalamus und der Hypophyse oder Hirnanhangdrüse.

Beide Regionen spielen eine entscheidende Rolle bei der chemischen Regulation des Stoffwechsels. Es ist allerdings unklar, ob und wie die Antikörper tatsächlich die Gehirne der Frauen mit Essstörungen beeinflussen.
Störung wichtiger Gehirnsignale als Ursache?
Nach Ansicht der Wissenschaftler gibt es allerdings Hinweise darauf, dass die Antikörper bestimmte Gehirnsignale unterbrechen oder zerstören, die Bereiche der Nahrungsaufnahme und des Körpergewichtes regulieren.

Die Forscher betonen jedoch, die Gegenwart der Antikörper alleine bedeute nicht, dass die betroffene Person auch tatsächlich eine Essstörung entwickeln werde. Denn diese Antikörper seien auch bei einer kleinen Gruppe gesunder Probanden gefunden worden.
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200.000 Österreicher leiden an Essstörungen
In Österreich leiden derzeit rund 200.000 Personen an Essstörungen wie Adipositas, Bulimie oder Anorexie. Man geht davon aus, dass schon fünf Prozent der Mädchen zwischen zwölf und 18 Jahren davon betroffen sind - Tendenz steigend. Geschätzt wird, dass rund 2.500 Mädchen im Alter zwischen 15 und 20 Jahren an ausgeprägter Magersucht, mindestens 5.000 in diesem Alter an einer sich entwickelnden Anorexie leiden. Von Bulimie dürften 6.500 Menschen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren betroffen sein. Jedes Jahr kommen rund 600 neue Anorexie- und 900 Bulimie-Erkrankungen dazu.
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Essstörungen: Interaktion verschiedener Faktoren
Essstörungen werden durch eine komplexe Interaktion zwischen biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren verursacht, meint etwa Frances Connan, Expertin für Essstörungen von der Vincent Square Klinik in London, laut BBC Online. Hinzu kommen nach Meinung der Medizinerin wohl auch genetische Faktoren.

Tatsächlich sind sich die Experten längst einig, dass nicht alleine - wie lange vermutet - die psychosoziale Situation hinter diesen Erkrankungen steckt: So ist es etwa einem Team von Wiener Wissenschaftlern gelungen, bei Bulimie eine Störung von Botenstoffen im Gehirn nachzuweisen.

Andere Forscherteams suchen im Erbgut nach den Ursachen für die Erkrankung; verschiedene DNA-Sequenzen wurden bereits auf diese Weise mit dem Auftreten von Anorexia nervosa in Zusammenhang gebracht.
->   "Proceedings of the National Academy of Sciences"
->   Karolinska Institute in Stockholm
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Deutschland: Jede dritte Schülerin leidet an Essproblemen
->   Bulimie: Nicht nur psychische Ursachen
 
 
 
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01.01.2010