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Einwanderungspolitik: Vergleich EU und USA  
  Einwanderungspolitik gehört zu den schwierigsten Politikfeldern. Hier trifft moralische Verantwortung auf ökonomische Faktoren und emotionale Befindlichkeiten der Bevölkerung. Reinhold Stumpf, Student der Politikwissenschaft, hat in einer Seminararbeit die Einwanderungspolitik der EU und der USA verglichen. Die Arbeit ist im Uni-Portal mnemopol.net erschienen, science.ORF.at stellt sie in Form einer Rezension vor.  
Wer klopfet an?
Rezensiert von Thomas Müller

Schengen wäre an sich ein kleines Städtchen in Luxemburg ohne jegliche Bedeutung. Durch die dortige Unterzeichnung des berühmt-berüchtigten Abkommens wurde der Ort zum Symbol für die europäische Migrationspolitik. Zum einen sollten die Grenzen innerhalb der Union fallen, aber die Außengrenzen dafür besser kontrolliert werden.

Wie vieles in der EU stellt aber auch dieses Abkommen nur einen kleinsten gemeinsamen Nenner da. Zementiert zudem durch die Deutsche Position auf dem EU-Ratsgipfel in Tampere 2001 liegt die konkrete Einwanderungs- und Asylpolitik weiterhin weitgehend in der Verantwortung der Nationalstaaten. Auf diese Weise bauen sie gemeinsam an der "Festung Europa", die man schon in der Schublade der Geschichte wähnte.
Zuwanderung betrifft Staatsdefinition
Dass die Nationalstaaten gerade hier auf ihrer Zuständigkeit beharren, ist kein Zufall, denn die Zutrittskontrolle zum Staatgebiet ist ein sensibles Thema. Ein Staat definiert sich im wesentlichen über das Territorium und die Menschen, die darauf leben.

Solange es kein europäisches Bewusstsein in dieser Hinsicht gibt, und dieses ist noch in weiter Ferne, wird es weiterhin im ureigenen Interesse der Nationalstaaten liegen, die Zuwanderung zu kontrollieren. Deren Politik wurde unter dem Druck erstarkender rechtspopulistischer Bewegungen in den letzen Jahren immer restriktiver und die Möglichkeiten der legalen Einwanderung wurde auf Asyl, Familienzusammenführung und Anwerbung bestimmter gefragter Arbeitskräfte beschränkt.
Europaweite Kontrollsysteme
Der Antrag auf Asyl selbst darf nur in einem einzigen EU-Land gestellt werden, einmal abgelehnt (und hier bedarf es trotz Bedenklichkeit gegen die Genfer Konvention keiner Begründung) bleibt die Einreise nach ganz Europa verwehrt.

Informationssysteme wie Eurodac und SIS kontrollieren sodann jene, die den Sprung aus politischer oder religiöser Verfolgung oder wirtschaftlicher Not nach Europa schafften und das theoretisch bereits EU-weit per Fingerprints und biometrischen Daten.
->   Mehr über Eurodac (EU)
USA: Mittlerweile ebenso restriktiv
Im Gegensatz zu Europa ist Einwanderung in den USA ein konstituierendes Element der Gesellschaft, da alle außer den Ureinwohnern, einmal Einwanderer waren. Obwohl die USA immer noch eine weit höhere Einwandererquote haben als die EU, ist von der Offenheit die einst Millionen angezogen hat nicht mehr viel übrig.

Seit den 20er Jahren wird es immer schwieriger, die begehrte unbefristete Aufenthaltsbewilligung, die Green Card, zu ergattern. Ein undurchschaubares Fremdengesetz und rigide Auswahlkriterien lassen Einwanderungswilligen nur jene drei oben genannten Möglichkeiten, die auch Europa bietet: Familienzusammenführung, Arbeit, Asyl.
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Green-Card-Lotterie
Als Kuriosum kommt in den USA noch die Green-Card-Lotterie hinzu, die den Eintritt in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten dem puren Zufall überlässt. Durch Einwanderungseinschränkungen erhöht sich jedoch, wie auch in der EU, die Zahl derer, die illegal einwandern wollen, was wiederum die Aufwendungen zu deren Abwehr steigen lässt.
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Erfolg durch Migration
Angesichts der beschriebenen Trends plädiert Stumpf für eine Einwanderungspolitik, die der Globalisierung und demographischen Entwicklungen Rechnung trägt. Eine kurzsichtige Einwanderungspolitik, die von der Politik als Schutz der Ressourcen und der nationalen Identität verkauft wird, geht demnach auf Kosten der Chancen, die Einwanderung für ein Land bedeuten kann.

Wie sich hier negative Einstellungen auswirken können, zeigt das deutsche Beispiel der benötigten Computerfachleute, die zum Politikum wurden, aber dann gar nicht erst kamen, weil die Bedingungen vergleichsweise wenig attraktiv waren. Und eines darf nicht vergessen werden: Migration verhindern zu wollen, ohne deren Ursachen zu bekämpfen, hat langfristig keine Zukunft.
->   Nachzulesen bei mnemopol.net
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Der Autor
Reinhold Stumpf (Jg. 1970) arbeitet als Softwareberater und studiert Soziologie, Politikwissenschaften und Psychologie an der Fern-Universität Hagen (www.fernuni-hagen.de) im 2. Abschnitt. Seine Studieninteressen konzentrieren sich auf Konfliktforschung, Multikulturelle Gesellschaft, Einwanderungspolitik, Kultursoziologie und Erzählforschung.
->   Reinhold Stumpf
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->   Weitere Rezensionen aus mnemopol.net in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010