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Mexiko: Gentechnik für wüstenfeste Nutzpflanzen  
  Landwirtschaft ist in vielen Teilen Mexikos ein hartes Geschäft. Das Land ist in weiten Bereichen von Natur aus trocken und für seine Vielzahl von Kakteen, Agaven und anderen Wüstenpflanzen bekannt. Mexikanische Gentechniker versuchen nun, den Wüstenbewohnern das Geheimnis ihrer Widerstandsfähigkeit zu entlocken. Sie möchten damit Nutzpflanzen schaffen, die länger als bisher ohne Wasser überleben können. Fernes Ziel ist unter anderem der wüstenfeste Mais.  
Einer der Überlebenskünstler ist der in Mexiko und dem Südwesten der USA verbreitete Moosfarn Selaginella lepidophylla. Er kann völlig austrocknen, ohne abzusterben.
"Zucker-Gen" schützt vor dem Austrocknen
Ein Grund dafür liegt im Erbgut der Pflanze: Sie besitzt ein Gen namens SLTPS1, das die Produktion des Zuckers Trehalose fördert. Wie auch bei der Hefe schützt der Zucker die Zellen des Moosfarns vor dem Trocken-Tod.

Ein Forscherteam um den Biologen Gabriel Iturriaga an der Universidad Autonoma de Morelos in Cuernavaca rund 80 Kilometer südlich von Mexiko-Stadt hat das Trehalose-Gen aus dem Moosfarn in die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) eingebaut, eine beliebte Laborpflanze.
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Trehalose, "Auferstehungspflanzen" und Reis
Das Disaccharid Trehalose wird in einer Reihe von Organismen natürlich produziert - von Bakterien und Hefen bis hin zu Pilzen und Insekten. Normalerweise findet sich Trehalose allerdings nicht in Pflanzen - mit Ausnahme der so genannte "Auferstehungspflanzen", die etwa lange anhaltende Dürren überstehen können.

Auf der zellulären Ebene der Pflanzen hilft Trehalose dabei, Zellstruktur und Zellfunktion während starker Belastung durch schlechte Umweltbedingungen - beispielsweise anhaltende Kälteperioden - zu bewahren bzw. Funktion und Effizienz danach wieder aufzunehmen. US-Forschern ist es nun vor kurzem gelungen, durch das Einschleusen eines "Zucker-Gens" Reispflanzen widerstandsfähiger gegen Kälte, Dürre und stark salzhaltige Böden zu machen.
->   science.ORF.at: Zucker-Gen macht Reis widerstandsfähig
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Ackerschmalwand erholt sich von wochenlanger "Dürre"
Die modifizierte und eine normale Ackerschmalwand haben die Forscher anschließend im Blumentopf vertrocknen lassen und erst nach zwei Wochen wieder gegossen, wie Iturriaga erläutert. Die Pflanze mit dem fremden Gen habe sich im Gegensatz zur unbehandelten Pflanze wieder vollständig erholt.

Die mexikanischen Forscher halten zusammen mit der Katholieke Universiteit Leuven in Belgien drei Patente für die Nutzung des Gens.
Trehalose-Gen für Weizen und Luzerne?
Die Forschungen seien von der mexikanischen Regierung, der Europäischen Union (EU) und dem Internationalen Zentrum für Gentechnikund Biotechnologie (ICGEB) in Triest finanziert worden, erzählt Iturriaga.

Als nächstes plane er zusammen mit einem Kollegen an der landwirtschaftlichen Hochschule von Chapingo 40 Kilometer östlich von Mexiko-Stadt das Gen in Weizen und Luzerne einzubauen.
Experte hofft auf Steigerung landwirtschaftlicher Erträge
Wenn es gelinge, gegen Trockenheit widerstandsfähigere Sorten zu schaffen, könnten die landwirtschaftlichen Erträge gesteigert und große Mengen Wasser für die künstliche Bewässerung eingespart werden, meint Iturriaga:

"Der Faktor, der die Produktion am meisten hemmt, ist der Wassermangel, und dies nicht nur in Mexiko, sondern auch im Süden der USA." Weltweit werde die Wasserfrage außerdem oft als das größte Problem des neuen Jahrhunderts angesehen.

"Die Arbeit an Trockenstress-Toleranz ist von großer Bedeutung für die Landwirtschaft - nicht so sehr in Deutschland, wohl aber in vielen anderen Ländern der Erde", sagt auch Bernd Müller-Röber, Molekularbiologe von der Universität Potsdam.
Pflanzliches Gen anstelle von Hefe-Genen
An der Trockenstress-Toleranz von Pflanzen werde in zahlreichen Arbeitsgruppen weltweit geforscht, so Bernd Müller-Röber weiter. Unter anderem Hefe-Gene haben beispielsweise bereits Tabak trockentoleranter gemacht.

"Die neue Idee von Iturriaga war, ein pflanzliches Gen anstelle der Hefe-Gene zu nehmen", erläutert Dorothea Bartels, Pflanzengenetikerin vom Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung.
Mais: Wichtigste Nutzpflanze ist vorerst tabu
In Mexikos wichtigste Nutzpflanze, den Mais, kann Iturriaga das Gen aber vorerst nicht einbauen, denn Anbau, Lagerung und Transport von Gen-Mais sind in Mexiko zurzeit verboten.
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Diskussion um Verbreitung von Mais-Genen in Mexiko
Im November 2001 berichteten zunächst zwei amerikanische Forscher, dass sie künstlich verändertes Erbgut in traditionellen Maissorten Mexikos gefunden haben, weit entfernt von jedem Anbaugebiet der gentechnisch veränderten Sorten. science.ORF.at: Unerwünschter Gentransfer (29.11.01)

Im folgenden Jahr wurden Zweifel an ihren Entdeckungen laut. US-Wissenschaftler kritisierten in "Nature" ihre Kollegen: Die Ergebnisse könnten auch die Folge methodischer Fehler sein. science.ORF.at: Zweifel an Verbreitung veränderter Mais-Gene (05.04.02)
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Ökologen befürchten Verdrängung heimischer Arten
Mexiko gilt als das Ursprungsland des Maisanbaus, und entsprechend hoch ist hier die Sortenvielfalt. Ökologen fürchten, dass die genveränderten Pflanzen die heimischen verdrängen und ein natürliches Gen-Reservoir zerstören könnten.

Iturriaga glaubt, dass der trockenresistente Mais in anderen Ländern entwickelt werde, wenn dies in Mexiko nicht möglich sei. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass genveränderte Pflanzen für Menschen ungesund seien, sagt der Biologe.

Eine große Herausforderung sei es aber, künftig zehn oder 20 Milliarden Menschen auf der Welt zu ernähren.

(Klaus Blume, dpa/ science.ORF.at)
->   Universidad Autonoma de Morelos
->   Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung
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01.01.2010