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Warum falsche Noten schmerzen: Hirn auf Tonalität getrimmt  
  Forscher haben entdeckt, warum es "schmerzt", wenn der Nachwuchs die falsche Note auf der Blockflöte erwischt. Das Hirn sei durch die Tonalität der westlichen Musik auf gewisse Abstände zwischen den einzelnen Noten getrimmt und reagiere empfindlich auf "Fehltritte", so die Begründung der Neurowissenschaftler, die auch die Gehirnregion identifiziert haben, in der diese Abstände registriert werden.  
Petr Janata und Kollegen von der Dartmouth Universität in Hanover (US-Staat New Hampshire) sowie der Universität von Gent (Belgien) wiesen die musikalischen Impressionen im Hirn auf kernspintomographischen Aufnahmen nach, wie sie im aktuellen "Science" berichten.
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"The Cortical Topography of Tonal Structures"
Der Artikel "The Cortical Topography of Tonal Structures Underlying Western Music" von Petr Janata, J. L. Birk, J. D. Van Horn, B. Tillmann und J. J. Bharucha ist erschienen in "Science", Bd. 298, Seiten 2176-2170, vom 13. Dezember 2002. In einem damit verbundenen Artikel "Mental Models and Musical Minds," von R. J. Zatorre und C. L. Krumhansl wird diskutiert, wie Musik den Neurowissenschaftlern neue Wege eröffnet, die Wahrnehmung zu untersuchen.
->   Studie "The Cortical Topography" (kostenpflichtig)
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Auf der Suche nach der Tonalität im Gehirn
Bild:
Die Erklärung der Wissenschaftler: Es gibt eine Art "Entfernungsbeziehung" zwischen Tonhöhe, Akkord und Tonart. Diese forme unsere Wahrnehmung von Musik bzw. von Tonalität und lasse uns eben auch erkennen, wenn beispielsweise ein Pianist die falsche Note anschlage, schreiben die Forscher in "Science".

Dabei waren für die Neurowissenschaftler vor allem die geometrischen Eigenschaften der Strukturen interessant, welche diese "Abstände" genauer definieren. So lasse sich die Beziehung zwischen Dur und Moll als geometrische Form darstellten, die man als "Torus" bezeichnet, heißt es in "Science":

Eine Art schlauchförmiger Kreis mit einem Loch in der Mitte - von der Form her an das amerikanische Gebäck Donut erinnernd. Mithilfe der Kernspintomographie machten sich die Experten auf die Suche nach dem "Torus im Gehirn".
Eine Melodie mit einigen Disharmonien
Das Team um Janata spielte den acht Teilnehmern der Studie eine Melodie vor, in der gewisse Disharmonien vorkamen. Währenddessen verfolgten sie mit Hilfe der funktionalen Kernspintomographie (fMRI), welche Bereiche des Hirns auf die Musik ansprachen und aktiv wurden.

Das acht Minuten lange Stück bewegt sich durch alle 24 Dur- und Moll-Tonarten und wurde speziell so komponiert, dass die Melodie auf ganz bestimmte Weise zwischen den Tonarten wechselt.
->   Ausschnitt aus der verwendeten Melodie (QuickTime)
Verarbeitung im "Rostromedialen Präfrontalen Kortex"
Bild: Science/ Petr Janata
Tatsächlich zeigte sich bei der Aufzeichnung der Gehirnaktivität, dass nur in einer einzigen Region Wechsel in der Tonalität bei allen Probanden eine deutliche Reaktion hervorriefen:

Den Ergebnissen der Forscher zufolge wird tonale Musik in der gleichen Hirnregion verarbeitet, die auch Informationen sammelt und Erinnerungen auffrischt. Diese Hirnregion (rostromedial prefrontal cortex) gleich hinter der Stirn ist mit dem Schläfenlappen verbunden, der für die allgemeine Klangverarbeitung zuständig ist.
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Musikalität - ein Produkt der Evolution?
Dass Musik eine starke Wirkung auf Körper und Psyche hat, hat die Neurowissenschaft auf breiter Front bestätigt. Eine Studie konnte zudem nachweisen, dass das Gehirn auf Musik automatisch reagiert. Dies lässt den Schluss zu, dass es im Hirn angeborene Strukturen für die Bearbeitung von Musik gibt. Daran schließt sich allerdings die Frage: Haben solche Strukturen auch einen evolutionären Sinn? Beziehungsweise: Haben diese tatsächlich den Überlebenswert unserer Vorfahren gesteigert?
->   Mehr zu dieser Frage in science.ORF.at
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Eine Verbindung zwischen Musik, Gefühl und Hirn
"Diese Region im vorderen Bereich des Gehirns, wo wir musikalische Aktivität aufzeichnen konnten, ist wichtig für eine Reihe von Funktionen", erläutert Petr Janata die Ergebnisse in einer Aussendung.

Dazu gehören seinen Angaben zufolge auch Fähigkeiten wie die Vermittlung von Interaktionen zwischen emotionalen und nicht-emotionalen Informationen. "Unsere Ergebnisse bestätigen, dass es eine Verbindung zwischen Musik, Gefühlen und dem Hirn gibt", schreiben die Autoren.
Unterschiedliche Reaktionen auf die gleiche Melodie
Überrascht stellten die Wissenschaftler zudem fest, dass sich die Reaktion des Hirns auf die gleiche Melodie von Sitzung zu Sitzung leicht unterschied. Dieser dynamische Prozess erklärt nach Interpretation der Forscher, warum ein und die selbe Melodie zu verschiedenen Zeiten andere Gefühle auslösen kann.
->   Dartmouth Center for Cognitive Neuroscience
->   Petr Janatas Homepage
->   Ghent University
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01.01.2010