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Forscher filmen HIV "live" in menschlichen Zellen  
  Vor neun Jahren wurde das HI-Virus erstmals isoliert. Seitdem sind die Wissenschaftler dem Aids-Erreger auf der Spur. Einer Forschergruppe gelang es nun, die ersten Stadien der HIV-Infektion in menschlichen Zellen zu dokumentieren: Einzelbilder und ein "Film" zeigen, was das HI-Virus vom Einschleusen in die Zelle bis zum Eindringen in den Zellkern macht.  
Erstmals konnten Wissenschaftler unter dem Mikroskop die Aktivität des HI-Virus in lebenden Zellen bildlich festhalten, wie die Universität von Illinois in Chicago (UIC) in einer Aussendung mitteilte.
Bilder und ein Film zeigen Virus-Verhalten
Bild: UIC
So sehen die einzelnen Bilder aus.
Das Intervall zwischen den einzelnen Bildern war kleiner als 15 Sekunden. Der daraus resultierende Film zeige das Verhalten des Virus und bestätige die bisherigen Infektionstheorien, so die Wissenschaftler.

Die Forscher der UIC filmten einzelne HIV-Partikel vom Eindringen in die menschliche Zelle, über ihre Wanderung durch das Zellplasma bis zur Manipulation der genetischen Maschinerie des Zellkerns für die Reproduktion neuer Viruspartikel - also die ersten Schritte zur Zerstörung des menschlichen Immunsystems.
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Aids: Tödlicher Angriff auf das Immunsystem
Das Kürzel Aids steht für das "Acquired Immune Deficiency Syndrome" und bezeichnet das Vollbild einer weiterhin unheilbaren Krankheit, deren Ursache der Zusammenbruch des Immunsystems ist. Aids-Erreger ist das Humane Immunschwäche-Virus (HI-Virus, HIV-1 oder HIV-2). Von HIV gibt es zwei Typen: HIV-1 und HIV-2. Von HIV-1 sind wiederum mehrere Unterarten bekannt, die sich in den verschiedenen Weltregionen unterschiedlich stark verbreitet haben.

Dieses 1983 erstmals isolierte Virus vermehrt sich in einer besonderen Klasse von Immunzellen, den T-Helfer-Zellen, und vernichtet sie. Sie erkennen für gewöhnlich eingedrungene Fremdkörper und mobilisieren das Abwehrsystem dagegen. In der Folge können sich zahlreiche andere Krankheiten weitgehend ungehemmt im Körper ausbreiten. Einst harmlose Infektionen werden für den Patienten damit zur tödlichen Bedrohung.
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Eindringen in die Zelle - Wanderung durch die Zelle
Das HI-Virus, das aus einer Proteinhülle und einem Kerngerüst (Proteine und genetisches Material) besteht, dockt an Zellen des menschlichen Immunsystems an, die an der Oberfläche eine bestimmte Bindungsstelle, den CD4 Rezeptor, aufweisen.

Das Virus verschmilzt mit der Zellmembran und entlässt das Kerngerüst in das Zellinnere. Einmal in der Wirtszelle angelangt, muss es eine - gemessen an seinem Durchmesser - sehr lange Strecke zum Zellkern, dem Zentralelement für die Fortpflanzung des Virus, zurücklegen.

Um die Reise durch die Zelle verfolgen zu können, machten die Wissenschaftler sich die Eigenschaften des grün-fluoreszierenden-Proteins (GFP) zu nutze. Sie markierten das Virus mit diesem speziellen Protein, das unter Bestrahlung mit blauem Licht grün leuchtet.
Großaufmahme von Virus, Mikrotubuli und Zellkern
 
Bild: UIC

Zu sehen ist hier eine "Großaufnahme" von HI-Virus (grün), den so genannnten Mikrotubuli (rot) und dem Zellkern (blau). Mikrotubuli, Gruppen von Filamenten, sind unter anderem am Aufbau des Zellskeletts beteiligt. Sie sind röhrenformig mit einem Durchmesser von 25 nm und werden bis 100 mm lang.

So fanden die Forscher heraus, dass sich das HI-Virus entlang des Zellskeletts, genauer genommen der Mikrotubuli, bewegt. Das Protein Dynein fungiert dabei als Motor. Legt man die molekularen Motoren einer Zelle lahm, liegen die Viren verstreut im Zellplasma vor und versammeln sich nicht um den Zellkern.

David McDonald, Assistenzprofessor für Mikrobilogie und Immunologie an der UIC und einer der beteiligten Forscher, vergleicht die Mikrotubuli mit einer Autobahn, Dynein mit einem Lastkraftwagen und die HIV-Partikel mit der Ladung.
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Dynein: Motorprotein für den Transport von Partikeln
Dynein ist ein Motorprotein, das als Fortsatz an den Mikrotubuli sitzt und deren Fortbewegung durch einen Gleitmechanismus, dem sliding-filament-Mechanismus, dient. Die Funktion von Dynein im Zellplasma ist der Transport von Partikeln, Vesikeln und Organellen innerhalb der Zelle.
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Manipulation der Erbsubstanz des Kerns
 
Bild: UIC

Weitere Aufnahmen

Weiters wurde festgestellt, dass die Viren die Strecke nicht in einem zurücklegen, sondern kurze Pausen machen. Sie scheinen von Mikrotubulus zu Mikrotubulus zu springen. Ihre Reise zum Kern dauert zwei bis vier Stunden und ähnelt einer Zick-Zack-Linie.

An der Oberflache des Kerns angelangt, bilden die Viren Komplexe mit dem genetischen Material der Wirtszelle.

Die gewonnenen Erkenntnisse erlauben weitere Einblicke in die Zellbiologie des HIV. Wissenschaftler denken daran, diese Technik zur Erforschung des Verhaltens von Viren im Zellinneren auch am Ebola-Virus anzuwenden. Ebola als das tödlichste Virus überhaupt gilt nämlich als potentielle biologische Waffe.
->   Der "Film" zum Verhalten der HI-Viren (QuickTime)
->   University of Illinois at Chicago
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Das gefilmte Immunsystem: T-Zellen "live" beobachtet
->   Artikel zu HIV/Aids in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010