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Salzburger Wissenschaftler erforschen Skiunfälle  
  In Österreich fährt mehr als die Hälfte der Bevölkerung Ski. Dabei hat sich der Carving-Ski mittlerweile durchgesetzt - er steht aber als Ursache vieler schwerer Unfälle in Verdacht. Denn der weiße Pistenspaß hat Schattenseiten. Letzten Winter verletzten sich rund siebzigtausend Schisportler so schwer, dass sie ins Spital eingeliefert werden mussten. Salzburger Sportwissenschaftler haben die Carver - und andere Problemfelder des Skisportes - genau unter die Lupe genommen.  
Mit den kurzen, taillierten Skiern können Hobbysportler Kurvengeschwindigkeiten wie Rennfahrer erzielen. Die langjährige Statistik des Landeskrankenhauses Salzburg zeigt allerdings, dass Carven nicht gefährlicher ist - obwohl es in der Anfangsphase mehr schwere Verletzungen gab.
Ursache: Risikobereitschaft
Der Grund: Es waren hauptsächlich junge risikobereite Männer, die den neuen Fahrstil ausprobierten. Heute werden fast nur noch Carving-Ski verkauft. Die Skifahrer haben sich an die unterschiedliche Fahrweise gewöhnt und stürzen nicht mehr so häufig.
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Die Statistik des Landeskrankenhauses Salzburg
Allein an der Unfallchirurgie im Landeskrankenhaus Salzburg wurden vergangene Saison fast fünfhundert Wintersportler behandelt. Bereits seit Anfang der neunziger Jahre befragen die Salzburger Ärzte alle Patienten nach dem genauen Hergang ihres Unfalls. So ist eine lückenlose Dokumentation entstanden, die über Art der Verletzungen, Ursache, Tageszeit und Pistenverhältnisse Auskunft gibt.
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Knie- und Oberkörperverletzungen am häufigsten
Durch die hohen Skischuhe und guten Bindungen kommt es heute kaum noch zu Unterschenkelbrüchen. Rund ein Viertel der Verletzungen - und damit die häufigsten - sind am Knie, wie Seitenbandzerrungen, Kreuzbandrisse oder Schienbeinkopfbrüche.

Immer häufiger ist auch der Oberkörper betroffen. Die Ärzte sehen Brustkorbprellungen, Schulterverrenkungen, Schlüsselbeinbrüche, Handverletzungen, aber auch schwere Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen, die sogar tödlich enden können.

Oft werden Handverletzungen gemeldet, wie beispielsweise der so genannte Schidaumen - ein schmerzhafter Riss des Daumenbandes, der meist operiert werden muss.
Risikogruppen: Junge Männer, ältere Frauen
Besonders gefährdet sind Männer um die dreißig, die sehr risikofreudig sind und sich selbst überschätzen. Bei den Frauen sind es die Skifahrerinnen ab vierzig, die oft nach einer längeren Kinderpause wieder mit dem Pistensport beginnen, wenig Übung haben und mit veralteten Skiern unterwegs sind.
Wann passieren die meisten Stürze?
Die meisten Stürze passieren beim Schwung. In den geschnittenen Kurven beim Carven können Fliehkräfte entstehen, die vom Körper nicht mehr bewältigt werden. Nur etwa acht Prozent der Unfälle sind Folge von Zusammenstößen, die allerdings oft besonders schwere Verletzungen nach sich ziehen.

Auch und Wetter und Tageszeit spielen eine Rolle. Wenn es eisig und nebelig ist, passieren mehr Unfälle. Und am Nachmittag sind viele Menschen bereits erschöpft, Kraft und Konzentration lassen nach.
Geräte aus dem Spitzensport zur Therapie
Zur besseren Steuerung der Therapie von Skiunfallopfern setzen Experten an der Salzburger Klinik für Rehabilitation Geräte aus dem Spitzensport ein. Mit dem Biodex-System beispielsweise kann der Therapeut Beweglichkeit und Muskelkraft genau testen und kontrolliert trainieren.

Die Analyse deckt individuelle Schwächen auf, die Ursache des Unfalls gewesen sein könnten. Nur wer fit, stark und gelenkig ist und seine Muskeln koordinieren kann, ist ein sicherer Skifahrer.
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Vorbeugen von Skiunfällen
Fitness ist wichtig: Schon vor der Skisaison ist körperliches Training wie Schigymnastik in der Gruppe erforderlich, um die Voraussetzungen für den Pistensport zu haben. Anfänger und Ungeübte sollten einen Kurs besuchen, wo sie lernen, Stürze zu verhindern und auch richtig hinfallen zu können. Am Beginn des Skitages und nach langen Bergfahrten ist Aufwärmen notwendig, um die Muskeln und Gelenke vorzubereiten. Die geeignete Ausrüstung beugt Unfällen vor. Die Bindung sollte vor jeder Saison überprüft werden. Kein Skitag sollte bis zur völligen Erschöpfung ausgekostet werden - die Tageskarte mit Gewalt ausfahren kann gefährlich werden.
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Skier im Labor am Prüfstand
Im Labor wird getestet, was beim Fahren einer engen Kurve mit dem Carving-Ski auf der Piste passiert. Die Sportwissenschaftler der Universität Salzburg simulieren jene mechanischen Kräfte, die beim Steuern des Skis auf Bindung und Bindungsplatte einwirken.

Sie überprüfen, ob die Bindung bei einem Sturz sicher auslöst. Die Tests im Labor beweisen: Skifahren mit Carvern ist einfacherer als mit traditionellen Skiern. Und es ist sogar sicherer - der stark taillierte Ski lässt sich leichter steuern und drehen.

Auch der durch die Bindungsplatte höhere Stand erleichtert das Fahren von Kurven. Die Forscher vergleichen die Daten aus dem Labor mit Kraftmessungen, die bei Feldstudien erhoben werden.
Analysen für den idealen "Ski der Zukunft"
Ziel der Salzburger Sportwissenschafter ist es, Skifirmen die biomechanischen Grundlagen zu liefern, damit sie für jede Zielgruppe den idealen, sicheren Ski und Schuh der Zukunft konstruieren können.

"Das wichtigste für mich aus präventiven Überlegungen ist dafür Sorge tragen zu können, dass für den jeweiligen Skifahrer jenes Material zur Verfügung gestellt werden kann, das seinem momentanen Fahrkönnen, seinem technischen Können bestmöglich entspricht", so Erich Müller vom Institut für Sportwissenschaften der Universität Salzburg.

Dazu messen die Forscher auch mit Drucksohlen im Skischuh die Bodenreaktionskräfte und Druckverteilung. Der Vergleich zeigt etwa, dass beim Carving der Druck zwischen Außen- und Innenbei und zwischen Vorfuß und Ferse gleichmäßiger verteilt ist als beim traditionellen Ski. Das erleichtert die Schwungsteuerung.

Sylvia Unterdorfer, Modern Times
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie am Freitag, den 13. Dezember 2002 in der Sendung "Modern Times Gesundheit" ab 22.35 Uhr in ORF 2.
->   "Modern Times"
->   Institut für Sportwissenschaften der Universität Salzburg
 
 
 
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01.01.2010