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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
El Nino lässt die Tage länger werden  
  Das Klimaphänomen El Nino wird für eine Reihe unliebsamer Auswirkungen verantwortlich gemacht: von wolkenbruchartigen Regenfällen über Trocken- und Dürreperioden bis zu massiven Ernteverlusten. Eine aktuelle Studie stellt nun die These auf, dass El Nino sogar unsere Tage länger werden lässt: Da die Menge an Warmwasser im Pazifik größer wird, rotiert die Erde - unmerklich, aber doch - langsamer als zuvor.  
Die Wissenschaft geht von einer Reihe von Faktoren aus, die für die periodischen Schwankungen der Erdrotation - und damit auch für die exakte Länge des Tages - verantwortlich sind: unter anderem die Gezeiten sowie die Bewegungen und Interaktionen zwischen inneren Erdschichten. Ein Teil der Dynamik konnte dadurch aber nicht erklärt werden.
Verlagerung von Ozeanmassen als Grund
Der Ozeanograph Xiao-Hai Yan von den Universitäten Delaware und Qingdao hat deshalb den so genannten "westpazifischen Warm-Pool" untersucht - einen Teil des Pazifiks, der wärmer und weniger dicht ist als umliegendes Gewässer und der sich während El Nino stark ausdehnt und in Bewegung gerät.

Yan und seine Forscherkollegen meinen in den "Geophysical Research Letters", dass diese Wanderbewegung zu einer derartigen Verlagerung der Ozeanmasse führt, dass sich daraus die leichte Verzögerung der Erddrehung erklären lässt - und damit auch die Verlängerung des Tages.
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Die Studie ist unter dem Titel "Pacific warm pool excitation, earth rotation and El Niño southern oscillations" in den "Geophysical Research Letters" (10.1029/2002GL015685) erschienen.
->   Geophysical Research Letters
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Warm-Pool mit 29 Millionen Quadratkilometern
Um diese Hyptothese zu untersuchen, zogen Yan und sein Forscherteam Datenmaterial über die Oberflächentemperatur des Meeres aus 30 Jahren heran und schätzten so die Größe des Warm-Pools. Zum Höhepunkt von El Nino 1997/98 hatte er eine Ausdehnung von 29 Millionen Quadratkilometern quer über den tropischen Pazifik.

Zudem errechneten sie sein Volumen und ermittelten sein geometrisches Zentrum, um auf die Auswirkungen auf die Erdrotation zu schließen.
Je wärmer, desto länger der Tag
Nachdem sie andere bekannte Faktoren abgezogen und ihre Resultate mit Satellitenaufnahmen der Erde verglichen hatten, lautete der Schluss: Erhöhte Temperaturen des Warm-Pools während der El Nino-Jahre 1997/98 korrellierten mit Tagen, die um einige Mikrosekunden länger waren als in anderen Jahren.

Je stärker die Effekte von El Nino, desto größer sei auch dieses Phänomen, meinen Yan und Kollegen.
El Nino 1997/98
 
Bild: Xiao-Hai Yan, Universit¿t Delaware

Der westpazifische Warm-Pool vor (links) und während El Nino von 1997/98 (rote Stellen markieren warme Strömungen).
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El Nino
warmer Küstenstrom, der zur Weihnachtszeit vor der peruanischen Küste auftaucht und der auch dem unregelmäßig stattfindenden massiven Einbruch von tropischen Warmwasser in den kalten Humboldtstrom seinen Namen gibt. El Nino, "das Christkind", nennen die Fischer an der peruanischen Pazifik-Küste die warme Meeresströmung, die sich alle zwei bis sieben Jahre einstellt. Zugleich kehrt sich die vorherrschende östliche Windrichtung über dem westlichen Pazifik um - ein El Nino-Jahr beginnt. Dabei kommt die große Luftwalze der Passatwinde über dem Pazifik über ein Jahr lang fast zum Erliegen und beeinflusst so das gesamte Weltklima. El Nino führt zu Ernteausfällen in Australien, Überschwemmungen in Kalifornien und wirkt sogar auf den indischen Monsun.
->   Mehr über El Nino (Max-Planck-Institut für Meteorologie)
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Auch andere Faktoren
Wie Yan und sein Team in den "Geophysical Research Letters" schreiben, könnten allerdings auch andere Faktoren zu den Beobachtungen beitragen. U.a. auch die so genannten Kelvin-Wellen: langperiodische Wellen des Ozeans, die in den gleichen Zeiträumen auftauchen wie El Nino.
->   Mehr über Kelvin-Wellen
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Erdmasse: Atmosphäre, Mantel, Kern
Die Länge eines Tages bzw. die Geschwindigkeit der Erdrotation hängt maßgeblich von der Verteilung der Erdmasse ab. Diese Masse beinhaltet die Atmosphäre, ihren festen Mantel und ihren flüssigen Kern. Wenn sich die Erdmasse verlagert, etwa während eines starken Erdbebens, wirkt sich das auf die Erdumdrehung aus. Vergleichbar ist dies mit einem Eisläufer, der schneller wird, je mehr er seine Arme zum Schwungholen einsetzt. Die jährlichen Unterschiede in der Tageslänge sind vor allem den Änderungen in der Atmosphäre und der Windstärke und -richtung, besonders der so genannten Jet Streams geschuldet. Längerfristige Änderungen hängen mit dem flüssigen Erdkern und mit dem Magnetfeld des Planeten zusammen.
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El Nino 2002
 
Bild: NASA

Die Aufnahme des NASA-Satelliten Jason vom Dezember 2002 zeigt, wie der Pazifik aktuell von zwei ungewöhnlich warmen Wasserregionen dominiert wird (rote Stellen): eine im Norden, die anderen im zentraläquatorialen Pazifik. Letztere wird laut NASA in Verbindung gebracht mit wachsenden Bedingungen für El Nino.
Disput der Experten
Andere Experten sind sich uneinig, was die Bedeutung der Forschungen von Yan betrifft. Richard Rosen, ein Meteorologe der Atmospheric and Environmental Research Inc. in Lexington, zeigte sich in der Online-Ausgabe von "Science" ("ScienceNow") skeptisch und glaubt nicht an einen Zusammenhang von Warm-Pool und Tageslänge.

Der Ozeanograph Laurence Breaker der Moss Landing Marine Laboratories in Kalifornien hingegen meinte, dass "diese bedeutsame Studie uns dabei hilft, die feinen Bewegungen unseres Planeten besser zu verstehen."
->   Xiao-Hai Yan
->   Mehr über geodynamische Auswirkungen auf den Ozean
->   Informationen zu El Nino/Southern Oscillation
->   Mehr über El Nino in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010